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Carters Nahost-Trip düpiert Bush

Der ehemalige US-Präsident will sich in Damaskus mit der Hamas-Führung treffen

Von Karin Leukefeld *

Der frühere US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter (83) will sich auf seiner neuntägigen Vermittlungstour durch den Nahen Osten auch mit der politischen Führung der Palästinenserorganisation Hamas treffen. Das Weiße Haus ist dagegen.

Soll er oder soll er nicht? Diese Frage sorgt nicht nur in den Vereinigten Staaten für Kontroversen, auch auf der Webseite des Nachrichtensenders Al-Dschasira International wird die Frage diskutiert. Unter der Rubrik »Ihre Meinung« überwiegen allerdings eindeutig die Fürsprecher eines solchen Treffens. »Absolutes Ja«, schreibt John Mullis aus Wellington, der Hauptstadt Neuseelands. Carter sei »ein loyaler Freund der arabischen Welt seit mehr als 30 Jahren«, trete entschieden für Frieden und Gerechtigkeit ein, und gleichzeitig »leihe man ihm ein Ohr im Weißen Haus« in Washington. Wenn George W. Bush klug wäre, würde er Carter »nutzen, offen mit der Hamas über eine Lösung« zu diskutieren, »so schnell wie möglich!«

Im US-Außenministerium sieht man die Sache anders. Man rate Carter von einem Treffen mit dem Hamas-Vorsitzenden Chaled Meschaal in Damaskus ab, hieß es bereits Ende März, als die Reise von Carter bekannt wurde. Hamas sei eine »terroristische« Gruppe.

2006 hatte Carter den öffentlichen Zorn der jüdischen Lobby in den USA auf sich gezogen, als er in seinem Buch »Palästina: Frieden statt Apartheid« Israel mit dem früheren Apartheidregime in Südafrika verglich. Carter hatte als US-Präsident 1979 das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel vermittelt, 2002 erhielt er den Friedensnobelpreis. Die siebentägige »Studienreise nach Israel, der Westbank, Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und Jordanien« solle »Frieden, Demokratie und Menschenrechte in der Region unterstützen«, hieß es aus Carters Büro.

In Israel, der ersten Station seiner Reise, zeigte ihm Regierungschef Ehud Olmert bereits die kalte Schulter und weigerte sich, mit Carter zusammenzutreffen. Nach einem Besuch in der südisraelischen Grenzstadt Sderot, wo Carter die Raketenangriffe palästinensischer Militanter als »abscheuliche Verbrechen« verurteilte, hatte lediglich Präsident Schimon Peres Zeit für den amerikanischen Gast. Carter erklärte, er hoffe, es werde bald einen Waffenstillstand geben, damit die Raketenangriffe auf Israel aufhörten. Die Einreise in den von Israel hermetisch abgeriegelten Gaza-Streifen wurde ihm von israelischer Seite verweigert. In Ramallah traf Carter den Hamas-Vorsitzenden des Westjordanlandes und früheren Vizepremier Nassreddin al-Schaer. Die Hamas-Regierung wird von den USA und der EU boykottiert. Am Grab von Yasser Arafat in Ramallah legten Carter und seine Frau Rosalynn einen Kranz nieder.

Carter verteidigte gegenüber Journalisten seine Absicht, mit Meschaal zusammenzutreffen. Er wolle diesen dazu bewegen, »die Differenzen (der Hamas) mit Israel und der Fatah friedlich beizulegen«. Er verstehe sich nicht als Verhandler, sagte Carter weiter. »Ich versuche nur, die verschiedenen Meinungen zu verstehen und zu vermitteln. Wenn er (Meschaal) oder der syrische Präsident etwas Konstruktives zu sagen haben, kann ich es an andere Leute weiterleiten.« Dem US-Nachrichtensender ABC sagte Carter, es stehe »außer Zweifel, dass Hamas einbezogen werden muss, wenn Israel jemals in einem gerechten Frieden mit seinen Nachbarn leben will.«

Rami Khouri, bekannter Kommentator in arabischen Medien, stellte sich in der libanesischen Zeitung »The Daily Star« hinter Carter. Mit Hamas müsse man genauso umgehen wie mit anderen militanten Gruppen in der Vergangenheit: wie mit IRA, Vietcong, SWAPO oder ANC. Auch mit den sogenannten Aufständischen in Irak werde geredet und mit den Taliban in Afghanistan. Es gelte, die »sechs R« zu verstehen und zu berücksichtigen, für die Hamas stehe: resistance (Widerstand), respect (Respekt), reciprocity (Gegenseitigkeit), reconstruction (Wiederaufbau), rights (Rechte) and refugees (Flüchtlinge). Ohne Respekt, Gegenseitigkeit und gleiches Recht für alle gebe es keine Basis für Frieden und Sicherheit in der Region.

* Aus: Neues Deutschland, 17. April 2008


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