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Eine "lahme Ente" auf großer Reise

Bush's erste Tour durch den Nahen Osten - Die Erwartungen sind nicht nur in Washington gering

Von Max Böhnel, New York *

Heute reist USA-Präsident George W. Bush erstmals in seiner Amtszeit nach Israel und in die Palästinensergebiete, eine Tour durch die Golfstaaten schließt sich an. Empfangen werden ihn politischer Stillstand, tiefes Misstrauen -- und ein beispielloses Aufgebot an Sicherheitskräften.

Am Mittwoch in Jerusalem, tags darauf im Westjordanland, freitags in Kuwait, am Wochenende in Bahrain und Abu Dhabi, dann folgen Dubai und zwei Tage in SaudiArabien, bevor George W. Bush am Mittwoch kommender Woche in Ägypten seinen Auslandstrip beendet. Ob Libanon oder vor allem auch Irak ebenfalls auf der Tagesordnung stehen, wie die hiesige Presse spekulierte, wollte das Weiße Haus nicht kommentieren. So kilometerreich und länderübergreifend diese Reiseroute des US-amerikanischen Präsidenten ist, so begrenzt sind die Erwartungen. Denn sowohl die USA-Medien als auch die nahöstlichen Diplomaten wissen, dass Bush im letzten Jahr seiner Amtszeit außen- wie innenpolitisch eine »lahme Ente« ist.

Bushs Sicherheitsberater Stephen Hadley hatte am vergangenen Donnerstag der Presse mitgeteilt, man sei »nicht auf Schlagzeilen aus«. In Sachen israelisch-palästinensische Verhandlungen werde »allein schon die Tatsache, dass er dorthin reist, die Friedensaussichten erhöhen«, so die offizielle Lesart. Selbst der Begriff »Fototermin« ist als Übertreibung zu werten. Denn ein Dreiertreffen zwischen Israels Premier Ehud Olmert, dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Bush steht nicht auf dem Programm.

Formal gesehen ist Bushs erster länderübergreifender Nahost-Trip in seiner siebenjährigen Amtszeit das Ergebnis der Konferenz von Annapolis vom 28. November. Im Hintergrund stand damals der Versuch Washingtons, mit einem Maximum an nahöstlichen Staatschefs und Außenministern ein anti-iranisches Kriegs- und Sanktionierungsbündnis zu schmieden. Doch der USA-Geheimdienstbericht »National Intelligence Estimate« von Anfang Dezember, zwei Wochen nach Annapolis, räumte mit der behaupteten Bedrohung durch iranische Atomraketen auf. Teheran habe sein nukleares Programm im Herbst 2003 beendet, hieß es darin. So wird sich Bush einerseits in der Rhetorik »unter vier Augen« mit seinen Amtskollegen üben und andererseits USA-Soldaten auf diversen Armeestützpunkten auf die Schultern klopfen. Seine einzige Rede wird der Präsident dem offiziellen Programm zufolge am Sonntag in Abu Dhabi halten -- mit Auslassungen darüber, dass regionale Sicherheit die Vorbedingung für wirtschaftlichen und politischen Fortschritt sei.

Aus den Medien hierzulande sind Bush und seine Kabinettsmitglieder seit Wochen so oder so verschwunden, nicht zuletzt wegen des Vorwahlkampfs bei Demokraten und Republikanern, der die Seiten füllt. Dass es das Weiße Haus aber auch nicht auf große Medienpräsenz abgesehen hat, zeigt der Zeitpunkt der Reise. Bushs Israel-Aufenthalt fällt ausgerechnet auf den Tag, an dem die Ergebnisse der Vorwahlen in New Hampshire breitgetreten werden dürften.

Hintergrund

Israelis und Palästinenser haben nach der Nahost-Konferenz von Annapolis nach sieben Jahren des Stillstands ihre Friedensverhandlungen wieder aufgenommen. Die Streitpunkte, die nun bis Ende 2008 beigelegt werden sollen, bestehen bereits seit Jahrzehnten:

PALÄSTINENSER-STAAT: Im Westjordanland und im Gazastreifen wollen die Palästinenser ihren eigenen Staat errichten. Israel verlangt die Entmilitarisierung sowie die Kontrolle des Luftraums und der Außengrenzen.

GRENZVERLAUF: Die Palästinenser fordern in Übereinstimmung mit der Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates Israel auf, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen und den Grenzverlauf wiederherzustellen, der bis zum israelisch-arabischen Krieg 1967 Bestand hatte. Israel will dagegen die besetzten Gebiete mit den wichtigsten jüdischen Siedlungen im Westjordanland rund um Jerusalem annektieren.

JERUSALEM: Während Israel die Stadt für sich beansprucht und als »unteilbar« bezeichnet, fordern die Palästinenser den arabischen Ostteil als Hauptstadt für ihren eigenen Staat.

FLÜCHTLINGE: Das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge gilt als einer der umstrittensten Punkte. Etwa vier Millionen leben derzeit in verschiedenen arabischen Ländern; viele von ihnen wurden im Zuge der Gründung des Staates Israel 1948 vertrieben.

Israel sieht in einem Rückkehrrecht eine Existenzbedrohung für den jüdischen Staat und lehnt es kategorisch ab.

WASSERRESSOURCEN: Israel beansprucht 80 Prozent des Grundwassers im Westjordanland. Wegen Wassermangels und ihrer schnell wachsenden Bevölkerung fordern die Palästinenser eine gerechtere Aufteilung der Ressourcen.



* Aus: Neues Deutschland, 8. Januar 2008


Jerusalem lahmgelegt

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

An politischen Besuch aus dem Ausland ist man in Israel und in den palästinensischen Gebieten gewöhnt. Doch in den kommenden Tagen werden sich die Sicherheitsexperten besonders anstrengen müssen, denn mit dem USA-Präsidenten kommt der engste Verbündete Israels und einer der wohl meistgefährdeten Männer der Welt. 10 500 Sicherheitsbeamte, ein Drittel der Polizeikräfte Israels, werden Bush, für dessen Entourage zwei komplette Hotels angemietet wurden, während seines dreitägigen Aufenthalts schützen und dafür nicht nur für mehrere Stunden den Flughafen und 40 Kilometer Autobahn, sondern gleich noch ganze Stadtviertel in Jerusalem lahmlegen.

Umgerechnet mindestens 300 000 Euro wird das kosten -- dafür könnte man auch allen Lehrern des Landes in den nächsten zwei Jahren drei Prozent mehr Gehalt zahlen oder zwei bombensichere Schulen im Umland des Gazastreifens einrichten. Vergleiche, die in diesen Tagen oft herangezogen werden, und das nicht nur von Lehrern, die bereits seit Monaten für mehr Geld streiken. Selbst Regierungsmitarbeiter sagen hinter vorgehaltener Hand: »Der Aufwand für diesen Besuch hat jedes vertretbare Maß überschritten. Wir haben große Schwierigkeiten, der Öffentlichkeit zu erklären, warum das notwendig ist.«

Zumal die Erwartungen ausgesprochen gering sind: Während Bushs Sprecher die Reise -- die vom Staats- zum Arbeitsbesuch abgewertet wurde, um die Palästinenser, die ja keinen Staat haben, nicht mit protokollarischen Feinheiten zu verprellen -- als »Signal« dafür werten, dass Washington den wiederbelebten Friedensprozess zwischen Israel und der palästinensischen Regierung im Westjordanland ernst nimmt, gibt es in der Region nicht viel Hoffnung auf konkrete Ergebnisse.

Vielleicht, so Steven Goldfarb vom israelischen Fernsehsender Kanal Zehn, habe ja Bush, gerade weil seine Amtszeit zu Ende geht, Interesse daran, noch ein paar positive Akzente zu setzen. »Jeder USA-Präsident«, meinte er, möchte gerne wegen eines Erfolges in Erinnerung bleiben, und der Friedensprozess bietet die Möglichkeit dazu.« Jussuf Abu Khalid, Auslandsredakteur des Fatah-nahen palästinensischen Fernsehsenders PBC, formuliert es etwas anders: »Das ist doch reine Show, Bush hat gesehen, dass sich hier etwas bewegt, und jetzt möchte er daran teilhaben.«

Zuletzt allerdings stockten die Fortschritte wegen der unsteten Haltung der israelischen Regierung in der Siedlungsfrage. Doch hat der US-amerikanische Druck, der sich immer auch in Finanzhilfen umrechnen lässt, dafür gesorgt, dass Premier Olmert am Montag bekannt geben ließ, er werde »so bald wie möglich viele« der ohne Genehmigung gebauten Außenposten räumen lassen -- ob dieses Versprechen den Besuch allerdings überleben wird, daran zweifeln selbst seine Mitarbeiter. »Wenn er weg ist, machen wir wieder Politik. Bis dahin sind wir gute Gastgeber«, sagen sie.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Januar 2008

Weitere aktuelle Meldungen

Palästinenser demonstrieren in Gaza gegen Bush-Besuch

In Gaza haben am 8. Januar hunderte Palästinenser gegen den bevorstehenden Besuch von US-Präsident George W. Bush im Nahen Osten protestiert. Sie schwenkten Fotos des US-Staatschefs und des israelischen Regierungschefs Ehud Olmert, auf denen diese als "Terroristen" gebrandmarkt wurden. Bei ihrem Zug durch die Stadt trugen die Demonstranten rund 30 leere Särge mit den Namen von Palästinensern mit sich, die den Vorwürfen zufolge starben, weil Israel ihnen die Ausreise aus dem Gazastreifen für eine medizinische Behandlung verwehrt habe.
"Wir rufen die internationale Gemeinschaft und die US-Regierung auf, internationales Recht zu beachten und Druck auf Israel auszuüben, die Grenzübergänge zu öffnen, vor allem den in Rafah, damit die Kranken behandelt werden können", sagte der Vorsitzende einer Vereinigung, die der radikalislamischen Hamas nahesteht und die Demonstration organisiert hatte. Bush beginnt am Mittwoch (9. Januar) einen dreitägigen Besuch in Israel und den Palästinensergebieten.
AFP, 8. Januar 2008

Intensive Gespräche im Nahen Osten vor Bush-Besuch

Israelis und Palästinenser haben sich kurz vor Beginn der Nahost-Reise von US-Präsident George W. Bush auf eine Beschleunigung ihrer Friedensverhandlungen verständigt. Die Gespräche sollen künftig auf drei Ebenen geführt werden, wie der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas am Dienstag bei einem Treffen in Jerusalem vereinbarten.
Demnach werden sich zum einen Olmert und Abbas sowie auf einer weiteren Ebene ihre Verhandlungsführer mit den strittigsten Themen befassen: den Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates, dem Status von Jerusalem und der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge. Auf einer dritten niedrigeren Ebene sollen weniger heikle Themen wie etwa der Abbau israelischer Straßensperren geklärt werden.
«Beide Führer haben sich heute darauf verständigt, ihre Unterhändler anzuweisen, direkte und fortdauernde Verhandlungen über alle endgültigen Statusfragen und Kernthemen zu führen», sagte Olmerts Sprecher Mark Regev nach der zweistündigen Unterredung vor Journalisten. Der palästinensische Unterhändler Sajeb Erakat bezeichnete das Treffen zwischen Abbas und Olmert als «ernsthaft und tiefgehend».
Bei dem Treffen am Dienstag ging es auch um den jüdischen Siedlungsbau und die Sicherheitslage im Westjordanland. Die Palästinenser wollten nach Angaben Erakats vor allem über die umstrittenen jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland reden. Regev rückte indessen mangelnde Sicherheitskontrollen der Palästinenser in deren Gebieten in den Vordergrund. «Das ist natürlich die Achillesferse des ganzen Prozesses», sagte Regev. Deswegen sei es entscheidend, dass sich die Palästinenser dieser Herausforderung stellten.
Der palästinensische Innenminister Abdel Rasak Jehijeh vermeldete am Dienstag die endgültige Auflösung der militanten Al-Aksa-Märtyrerbrigaden im Westordanland, nachdem sich zuvor ein Dutzend Militante den Sicherheitskräften ergeben hatten.
AP, 8. Januar 2008

US-Präsident Bush erstmals nach Israel

US-Präsident George Bush beginnt eine achttägige Reise durch sechs Nahostländer, bei der er erstmals seit dem Beginn seiner Präsidentschaft vor sieben Jahren Israel besuchen wird. Weitere Stationen sind Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten.
Bisher hatte Bush nur einmal 1998, als er noch Gouverneur des US-Bundesstaates Texas war, Israel besucht.
"Die Schlacht, die sich im Nahen Osten entfacht, ist ihrem Wesen nach mehr als ein bewaffneter Zusammenstoß - dies ist ein ideologischer Kampf, bei dem auf der einen Seite die Kräfte von Terror und Tod und auf der anderen Seite Dutzende von Millionen einfachen Menschen stehen, die ein freies und friedliches Leben für ihre Kinder wünschen. Vom Ausgang dieses Kampfes hängt die Zukunft des Nahen Osten und die Sicherheit der USA ab", erklärte Bush in seinem am Montag (7. Januar) ausgestrahlten Funkappell.

Nach dem Zweiten Weltkrieg "hat Amerika seine Zeit und seine Ressourcen investiert, um anderen Ländern beim Übergang von Diktatur zu Demokratie zu helfen" sowie Stabilität und Sicherheit in einer Reihe von Regionen der Welt zu gewährleisten, so der US-Präsident. "Eine solche Transformation ist auch im Nahen Osten möglich", fügte er hinzu.

Bush trifft am Mittwoch (9. Januar) in Tel Aviv ein. Er wird Jerusalem sowie Ramallah im Westjordanland besuchen. Am Mittwoch und Donnerstag (9. und 10. Jan.) wird er mit Israels Präsident Shimon Peres und Premier Ehud Olmert verhandeln. Im Westjordanland wird er mit dem Chef der Palästinensischen nationalen Administration, Mahmoud Abbas, und dem Premier der palästinensischen Regierung, Salam Fayad, zusammentreffen.
Während seines Aufenthalts in Kuwait wird der US-Präsident am Sonnabend den US-Militärstützpunkt Camp Arifjan besuchen und mit dem Chef der US-Truppen im Irak, General David Petraeus, zusammentreffen, der zu diesem Zweck aus Bagdad nach Kuwait reisen wird.

Im Vorfeld des Nahostbesuchs des amerikanischen Präsidenten verbreitete der "Pressesprecher" der internationalen Terrororganisation Al-Kaida und ehemalige US-Staatsbürger Adam Gadan per Internet einen Appell an die Moslems, "den Mörder Bush nicht Blumen und Applaus, sondern mit Bomben zu empfangen".

In seiner Stellungnahme zu diesem Appell stellte Tony Fratto, der stellvertretende Pressesekretär des Weißen Hauses, fest, dass dieser neueste Beitrag "ein weiterer Hinweis darauf" sei, dass es "Menschen gibt, die das Voranschreiten zu Freiheit und Demokratie zu behindern und zu stoppen versuchen". Zugleich erklärte er, ihm sei nichts über eventuelle Änderungen im Reiseplan Bushs im Zusammenhang mit den Al-Kaida-Warnungen bekannt.

In ihren Prognosen äußern internationale Medien die Vermutung, dass die Situation um Iran zu einem der wichtigsten Themen der bevorstehenden Gespräche Bushs im Nahen Osten sein werden. Wie die britische "The Times" am Sonntag (6. Januar) behauptete, wird dem Chef des Weißen Hauses in Jerusalem ein Bericht vorgelegt, der die neuesten Erkenntnisse der israelischen Geheimdienste hinsichtlich des Nuklearprogramms Irans enthalten soll. Darin würden auch Wege vorgeschlagen, wie dieses Programm gestoppt werden könnte. So werde Israels Verteidigungsminister Ehud Barak versuchen, Bush davon zu überzeugen, dass ein israelischer Militärschlag gegen die Nuklearobjekte im Iran möglich sei, sollten die diplomatischen Bemühungen kein Resultat bringen. Für einen solchen Militärschlag würden mehrere Varianten erwogen.
Stephen Hadley, der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, bestätigte letzte Woche ebenfalls, dass das Thema Iran bei den Verhandlungen Bushs mit den Spitzenpolitikern der Region angeschnitten wird.

RIA Novosti (Russische Nachrichtenagentur), 8. Januar 2008




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