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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab Februar 2003

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. - 9. Februar 2003

Die Palästinenserführung teilte in der Nacht zum 1. Februar mit, dass sie zu einer umfassenden Waffenruhe und zu einer sofortigen Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Israel bereit sei. Es strebe Gespräche unter der Schirmherrschaft des sog. Nahost-Qaurtetts an, hieß es aus Ramallah.
Am 3. Februar erschossen israelische Soldaten im südliche Gazastreifen zwei Palästinenser, drei weitere wurden verletzt.
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat Israels Premierminister Scharon zu Gesprächen über eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses eingeladen. Das Treffen soll in Scharm al Scheich am Roten Meer stattfinden.
Israel hat am 4. Februar 57 Mio. EURO an die palästinensische Autonomiebehörde überwiesen. 37 Mio. davon sind Steuereinnahmen vom Dezember 2002, 20 Mio. gehören zu einer Summe von rund 400 Mio Euro Steuern, die Israel vor dem Beginn der Intifada im September 2000 in palästinensischem Namen einkassiert hat und bisher zurückhält. Offenbar auf Druck aus Washington zeigt sich die Regierung nun bereit, bis Jahresende die gesamte Summe zahlen zu wollen.

Am 4. Februar wurde ein jüdischer Siedler im Gazastreifen durch Schüsse schwer verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich Hamas.

Am 6. Februar sind insgesamt acht Menschen getötet worden: Bei einem Anschlag nahe Nablus (Westjordanland) starben zwei bewaffnete Palästinenser und zwei israelische Soldaten. In Gaza wurden zwei palästinensische Krankenpfleger bei einem Angriff israelischer Kampfhubschrauber getötet. Im Norden Israels erschossen Grenzpolizisten einen Palästinenser, der sich mit einem Messer einer Ausweiskontrolle widersetzt hat. Und schließlich wurde bei Tulkarem ein unbewaffneter Palästinenser von israelischem Miltär erschossen. - Bei mehreren Razzien im Westjordanland nahmen israelische Soldaten zwanzig Palästinenser fest.

10. - 16. Februar 2003

Erstmals nach acht Monaten ist die israelische Armee am 12. Februar wieder mit Panzern nach Bethlehem im Westjordanland eingerückt. Damit reagierte die Armee auf den Tod eines Soldaten, den ein bewaffneter Palästinenser am 11. Februar erschossen hatten. Bethlehem wurde zum Sperrgebiet erklärt und ein Ausgehverbot wurde verhängt.
In Gaza erschossen israelische Soldaten drei Palästinenser. Zwei von ihnen sollen nach Armeeangaben einen Angriff auf die jüdische Siedlung Dugit geplant haben. Der dritte Mann wurde während der Verfolgung erschossen.
Die seit dem 10. Februar verschärfte Abriegelung aller palästinensischen Städte und Dörfer des Westjordanlands soll mindestens bis zum 14. Februar gtelten; dann geht das moslemische Opferfest Id al-Adha zu Ende. Die Armee begründet die Verschärfung mit angeblich drohenden Terroranschlägen.

Am 13. Februar dementierte die israelische Botschaft in Berlin Berichte vom Vortag, die deutschen Patriot-Raketen seien zu alt für einen Einsatz. Vielmehr hätten Experten die von Deutschland gelieferten Raketen überprüft und ihnen einen hervorragenden Zustand attestiert.

Am 14. Februar kündigte Palästinenserpräsident Arafat an, er werde in Kürze einen Ministerpräsidenten ernennen. Dieser Ankündigung war ein Treffen mit dem Nahost-Quartett vorausgegangen (USA, UNO, EU, Russland). Der frühere Premier Schimon Peres begrüßte die Ankündigung Arafats als "Schritt in die richtige Richtung". Die Regierung sagte, dass Arafat seinen Worten nun auch Taten folgen lassen müsse.

Bei Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern sind am Wochenende (15./16.02.) insgesamt neun Menschen ums Leben gekommen. In Nablus im Westjordanland wurden zwei Palästinenser getötet. Bei einer Explosion in Gaza starben mindestens drei Menschen. Bei einem Bombenanschlag auf einen Panzer im Gaza-Streifen wurden am Samstag vier israelische Soldaten getötet. Wenige Stunden später zerstörten die israelischen Streitkräfte drei Häuser mutmaßlicher palästinensischer Extremisten. Die Armee verlängerte außerdem bis auf weiteres die Abriegelung der Autonomiegebiete, die eigentlich bereits am Freitag hätte enden sollen.

17. - 23. Februar 2003

Unterdessen berichteten israelische Medien, dass Israel und die Palästinenser in London über eine Friedenslösung in Nahost und die Reformen innerhalb der Autonomiebehörde sprechen wollen. Delegationen beider Seiten sollen am 17. Februar nach Großbritannien reisen und mit Repräsentanten des so genannten Nahostquartetts (USA, Russland, EU und UN) zusammentreffen.

In der Nacht zum 17. Februar sind in Gaza-Stadt zwei Palästinenser bei Gefechten mit israelischen Soldaten getötet worden. Zuvor waren 35 israelische Panzer unterstützt von Kampfhubschraubern in die Stadt eingedrungen und hatten dort das Wohnhaus eines mutmaßlichen palästinensischen Bombenbauers gesprengt, der Mitglied der Hamas gewesen sein soll. Regierungssprecher Raanan Gissin sagte, für mutmaßliche Terroristen der Hamas und die Verantwortlichen des Anschlags auf den Panzer am Wochenende gebe es keine Immunität. Die israelische Tageszeitung Haaretz meldete, die Armee plane eine militärische Großoffensive im Gaza-Streifen.
Elitesoldaten der israelischen Armee haben am 17. Februar im Gaza-Streifen den Führer des militärischen Flügels der palästinensischen Terrororganisation Hamas, Rijad Abu Said, erschossen. Der Chef der Hamas-Miliz "Issedin el Kassam", Said, war im vergangenen Jahr zum Nachfolger von Sala Schahade ernannt worden, der zusammen mit 14 Zivilisten bei einem Luftangriff der israelischen Armee in Gaza-Stadt getötet worden war. Rundfunkangaben zufolge eröffneten die als Palästinenser getarnten Elitesoldaten in der Nähe von Gaza-Stadt von einem Gemüselastwagen aus das Feuer auf den Wagen Saids, der dabei schwer verletzt wurde. Said sei kurz danach in einem israelischen Krankenhaus gestorben. Bei dem Angriff seien außerdem zwei Beifahrer Saids verletzt worden. Ein Armeesprecher erklärte, es sei nicht die Absicht gewesen, Said zu töten. Vielmehr habe dieser vor Gericht gestellt werden sollen. Ein Sprecher der Hamas-Organisation erklärte, die Tötung Saids werde "blutig" gerächt.

Der stellvertretende Bürgermeister Jerusalems, Uri Lupuljanski, übernahm am 17. Februar vorläufig das Amt von Bürgermeister Ehud Olmert, der Sonntagabend zurückgetreten war. Regierungschef Ariel Scharon hatte Olmert Medienberichten zufolge ein hohes Regierungsamt zugesagt. Durch Lupuljanskis Amtsübernahme wird Jerusalem erstmals von einem Ultra-Orthodoxen regiert. Der Vater von zwölf Kindern gehört der "Tora-Judentums-Partei" an. Die Ernennung Lupuljaniskis wurde in Israel von säkularen Parteien als Zeichen steigenden Einflusses der Ultra-Orthodoxen auf das Leben der Stadt kritisiert.

Am 18. Februar hat Israel die vor einer Woche verhängte totale Blockade der besetzten Palästinensergebiete wieder aufgehoben.
In Jatta bei Hebron wurde am 18. Februar ein mutmaßlicher Hamas-Extremist von israelischen Soldaten erschossen. In anderen Teilen des Landes wurden mindestens 27 Palästinenser festrgenommen.
Gleichzeitig gab die Armee Pläne bekannt, das Land dutzender palästinensischer Familien im Stadtgebiet von Bethlehem zu konfiszieren. Dort will die israelische Regierung eine Mauer errichten, um das Grabmal der biblischen Figur Rachel vor Angriffen militanter Palästinenser zu schützen. Die Mauer würde das Stadtgebiet von Bethlehem teilen.

Bei einem massiven Panzervorstoß der isrtaelischen Armee nach Gaza-Stadt sind am 19. Februar elf Palästinenser getötet worden, darunter ein Selbstmordattentäter sowie einige Zivilisten. Mehr als 25 Menschen wurden verletzt. Die Truppen waren mit 40 Panzern, unterstützt von Kampfhubschraubern, in die Stadt eingerollt, um, wie es offiziell hieß, "eine präventive, gezielte Operation gegen die Hamas" zu unternehmen. Dabei wurden auch Häuser gesprengt. Dabei wurden mindestens drei Zivilpersonen von den Trümmern begraben. Auch soll ein palästinensischer Sanitäter erschossen worden sein. Drei palästinensische Polizisten wurden von einer aus einem Kampfhubschrauber abgefeuerten Rakete getötet.
Eine israelische "Säuberungsaktion" in Nablus (Westjordanland) forderte zwei Todesopfer und palästinensischen Zivilisten.
Im Westjordanland töteten israelische Soldaten zwei Palästinenser, darunter einen 17-jährigen Jugendlichen in Nablus.

Die Regierung Scharon will offenbar den Friedensplan des Nahost-Quartetts komplett umnschreiben. Das berichtete die israelische Zeitung Haaretz am 20. Februar. Israel wolle mehr als 100 Änderungen vorschlagen, hieß es. Vor allem wolle Israel weder eine zeitliche Vorgabe für die Gründung eines palästinensischen Staates noch dessen volle Souveränität akzeptieren.

Die Palästinenserführung will den Aufstand gegen israelische Truppen in den Autonomiegebieten ein Jahr lang "entmilitarisieren". Das kündigte am Freitag ein enger Mitarbeiter von Palästinenserchef Jassir Arafat an, der allerdings keine näheren Einzelheiten nannte. Israels Regierungschef Ariel Scharon solle keinen Vorwand für weitere Militäraktionen gegen die Palästinenser haben, sagte Machmud Abbas nach einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Igor Iwanow in Moskau.

Die israelische Armee hat am 23. Februar bei einem Vorstoß in der Stadt Beit Hanun im Gaza-Streifen nach palästinensischen Angaben sechs Palästinenser getötet. Ein weiterer Palästinenser wurde nach israelischen Armeeangaben bei dem Versuch erschossen, in die jüdische Siedlung Netsarim im Gaza-Streifen einzudringen. Der Mann sei mit Handgranaten und einem AK-47-Maschinengewehr bewaffnet gewesen, teilte die Armee mit. Innerhalb einer Woche wurden damit bei neuer Gewalt im Gaza-Streifen und im Westjordanland 41 Palästinenser ums Leben. - Mit Panzerfahrzeugen und Hubschraubern drang die Armee am frühen Sonntagmorgen in Beit Hanun ein. Wie Augenzeugen berichteten, kam es zu heftigen Gefechten zwischen den Soldaten und bewaffneten Palästinensern. Dabei wurden nach Angaben aus palästinensischen Kreisen vier bewaffnete Mitglieder der palästinensischen Sicherheitskräfte sowie zwei weitere Palästinenser getötet. Nach Angaben der Armee wurden bei Hausdurchsuchungen mehrere mutmaßliche militante Palästinenser festgenommen. Anwohner berichteten, die Armee habe die Häuser von sechs Mitgliedern radikal-islamischer Gruppen in die Luft gesprengt.

Knapp vier Wochen nach der Parlamentswahl zeichnet sich in Israel eine neue Regierungskoalition ab. Nach Berichten vom 23. Februar wird die neue, von rechten Parteien dominierte Koalition zunächst nur aus der Likud-Partei (40 Abgeordnete), der rechts-religiösen, siedlernahen Nationalreligiösen Partei (NRP/6 Mandate) sowie der bürgerlichen Schinui-Partei (15 Mandate) bestehen. Die NRP wird die einflussreichen Ministerien für Wohnungsbau und Arbeit erhalten. Mit 61 der 120 Knesset-Mandate würde Scharons Koalition zunächst nur über die knappste mögliche Mehrheit verfügen.

24. bis 28. Februar 2003

Am 25. Februar kündigte Verteidigungsminister Schaul Mofas an, die israelische Armee sei bereit, Teile des autonomen Gaza-Streifens wieder zu besetzen, um Raketenangriffe auf Israel zu verhindern. Vorausgegangen war eine Serie von Raketenangriffen auf die israelische Stadt Sderot.
In einem Krankenhaus in Nablus starb am 25. Februar ein 23-jähriger Palästinenser an den schweren Schussverletzungen, die ihm israelische Soldaten vor zehn Tagen bei der Belagerung eines Hauses zugefügt hatten.
Am Morgen des 25. Februar schlug eine israelische Panzergranate auf einem Markt in der Nähe von Chan Junis im südlichen Gazastreifen ein. Vier Frauen erlitten lebensgefährliche Verletzungen. Israels Armee bestätigte den Vorfall nicht. - In Rafah an der Grenze zu Ägypten zerstörte die israelische Armee sieben Häuser, zwei davon, so hieß es später, seien versehentlich "beschädigt" worden.

Die "am meisten rechtsgerichtete Regierung in der Geschichte Israels" nannte der Fraktionschef der Arbeitspartei, Ofir Pines-Pas, am 26. Februar die künftige Koalition in Jerusalem. Mit Einzug der Nationalen Union unter Vorsitz des rechtsextremen Avigdor Lieberman hat die neue Regierung 68 der 120 Knessetsitze. 15 Abgeordnete gehören der liberalen Schinui an, der Rest dem Likud, der National-Religiösen Partei (NRP) und der Nationalen Union.
In Israel hat der Politiker Benjamin Netanjahu nach Auskunft aus politischen Kreisen am 27. Februar das Angebot von Ministerpräsident Ariel Scharon angenommen, in dessen neuem Kabinett Finanzminister zu werden. Der einstige Ministerpräsident Netanjahu war im letzten Kabinett unter Scharon Außenminister gewesen. Er gilt als stärkster innerparteilicher Rivale von Scharon in der konservativen Likud-Partei. Am Vortag hatte Netanjahu den ihm von Scharon zugedachten Posten noch zurück gewiesen. Später hatte Netanjahu erklärt, er erwarte zusätzliche Vollmachten in diesem Amt. Aus politischen Kreisen verlautete, Netanjahu habe der neuen Funktion zugestimmt, nachdem ihm zusätzliche Vollmachten bei der Privatisierung von Firmen und im Blick auf Maßnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft eingeräumt worden seien. Nachfolger Netanjahus im Außenministerium wird überraschend der bisherige Finanzminister Silvan Schalom. Schalom verfügt über keine internationale Erfahrung, ist über die Landesgrenzen Israels hinaus kaum bekannt und hat mehrfach die Ausweisung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat gefordert.

Die israelische Journalistin Amira Hass erhält in diesem Jahr den Demokratiepreis der Zeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik". Die Auszeichnung wird ihr am 20. März auf der Leipziger Buchmesse überreicht, die Laudatio wird der Molekularbiologe Jens Reich halten, wie der Verlag der Zeitschrift am 27. Februar in Bonn mitteilte. Hass, die seit 1991 für die Zeitung "Haaretz" arbeitet, ist die einzige Korrespondentin des Landes, die in den besetzten Gebieten lebt.

Die israelische Armee ist am 27. Februar erneut kurzfristig in die palästinensisch-autonome Stadt Rafiach im Süden des Gaza-Streifens vorgedrungen und hat dort nach Rundfunkangaben drei Häuser mutmaßlicher palästinensischer Terroristen zerstört. Im Westjordanland zerstörten israelische Soldaten palästinensischen Angaben zufolge ebenfalls drei Häuser. Bei der Aktion im Flüchtlingslager Balata nahe Nablus sollte ursprünglich nur das Haus eines palästinensischen Terroristen gesprengt werden. Die Detonation habe jedoch zwei angrenzende Häuser ebenfalls zum Einsturz gebracht, hieß es im Radio.

Das israelische Parlament hat in der Nacht zum 28. Februar die Regierung von Ministerpräsident Ariel Scharon bestätigt. Nach israelischen Medienangaben stimmten 66 der 120 Abgeordneten der Knesset dafür und 48 dagegen. Nach der Abstimmung wurde Scharon vereidigt. - Außenminister Joschka Fischer hat Schalom zur Amtsübernahme gratuliert. "Die Bundesregierung wird Israel auch künftig nach Kräften auf dem Weg zu einem Frieden in Sicherheit unterstützen", heißt es in dem Glückwunschschreiben Fischers.
Bei einem Feuergefecht zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern im südlichen Gazastreifen wurden am 28. Februar nach Berichten des israelischen Armeesenders drei palästinensische Kinder verletzt.

Palästinenserpräsident Jassir Arafat will nach UN-Angaben bereits Ende kommender Woche einen Ministerpräsidenten ernennen. Im Laufe der Woche sei zunächst ein Treffen des Zentralrats der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vorgesehen, sagte der UN-Nahostbeauftragte Terje Roed-Larsen am 28. Februar nach einem Gespräch mit Arafat in Ramallah. Auf einer Sitzung des Palästinenserparlaments am 1. März wolle Arafat dann den Namen des neuen Ministerpräsidenten verkünden. Beide Institutionen müssen der Reform noch zustimmen. Ein Vertreter der Palästinenserführung nannte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP dagegen den 11. März als Termin für die Sitzung des Parlaments.


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