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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab April 2003

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. - 6. April 2003

Israelische Soldaten haben am 1. April das Haus eines Selbstmordattentäters zerstört. Er hatte vor zwei Tagen in Netanja 38 Israelis zum Teil schwer verletzt. Nach palästinensischen Angaben drangen die Soldaten in das Heimatdorf des 19- Jährigen ein. Die radikale palästinensische Gruppe Islamischer Dschihad hatte sich zu dem Anschlag bekannt und ihn als "Geschenk an das irakische Volk" bezeichnet.
Am 2. April haben israelische Streitkräfte in Tulkarem im Westjordanland das Haus eines mutmaßlichen palästinensischen Extremisten zerstört. Sie nahmen mehrere hundert Männer vorübergehend in Gewahrsam. Bis auf sieben wurden alle nach wenigen Stunden wieder freigelassen.
In Kalkilja im Westjordanland erschossen israelische Soldaten am späten Abend des 2. April auf der Suche nach militanten Palästinensern einen 14-Jährigen. Er öffnete nach Augenzeugenberichten seine Haustür, um die Soldaten zu beobachten. Nach Militärangaben wollte der Jugendliche vor den Soldaten wegrennen und missachtete Aufforderungen, stehen zu bleiben.
Zum ersten Mal seit Monaten haben sich offenbar palästinensische und israelische Sicherheitskräfte zu Gesprächen über die Lage in den Autonomiegebieten getroffen. Wie ein palästinensischer Polizeikommandeur am 2. April mitteilte, fanden in der vergangenen Woche zwei Treffen statt. Das israelische Verteidigungsministerium lehnte eine Stellungnahme ab.
Bei einer Offensive in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen haben die israelischen Streitkräfte am 3. April mindestens vier Palästinenser getötet. Wie Ärzte und Bewohner mitteilten, rückten die Soldaten am späten Abend des 2. April mit etwa 25 Panzern und mehreren Planierraupen in das Lager nahe der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten ein. Bewaffnete Palästinenser eröffneten den Angaben zufolge in dem Flüchtlingslager das Feuer, woraufhin israelische Soldaten aus einem Kampfhubschrauber zurückschossen und dabei einen Mann töteten. Drei weitere Palästinenser seien in einem anschließenden Feuergefecht getötet worden, teilten Ärzte mit. Sieben Menschen seien dabei verletzt worden. Nach Angaben der israelischen Armee diente die Offensive der Suche nach Tunneln an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten, die zum Waffenschmuggel genutzt würden. Es seien keine Tunnel entdeckt worden, vier Häuser seien zerstört worden. Vier israelische Soldaten wurden verletzt, als unter einem Panzer eine Bombe explodierte.
Bei einer Razzia in Nablus im Westjordanland erschossen israelische Soldaten am 3. April einen Führer der militanten palästinensischen Hamas-Bewegung. Wie ein Militärsprecher mitteilte, hielt sich der 28-jährige Chaled Rajjan mit seiner Frau und seinem Kind in einem Haus von Verwandten versteckt. Seine Frau Salam Rajjan sagte, die Soldaten hätten die Tür eingetreten. Ihr Mann habe versucht, die Soldaten mit einer Pistole anzugreifen. Dabei sei er erschossen worden.

Die israelische Armee ist am 4. April in Palästinensergebiete im Westjordanland und im Gazastreifen einmarschiert. Eine Kolonne von Panzern und Jeeps mit etwa 25 Fahrzeugen sei in die Palästinenserortschaft Dschenin und das benachbarte Flüchtlingslager eingerückt, berichteten palästinensische Sicherheitskräfte. Bewaffnete palästinensische Kämpfer lieferten sich Schusswechsel mit den Soldaten. Die israelische Armee verhängte eine Ausgangssperre. Eine Panzereinheit begleitet von Bulldozern drang in das Flüchtlingslager Nusseirat im Gazastreifen ein. Vier Palästinenser und ein israelischer Soldat seien verwundet worden.

Nach einem Schusswaffen-Überfall auf eine jüdische Siedlung bei Hebron im Westjordanland ist am 5. April ein Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften erschossen worden. Nach Angaben der Armee ereignete sich der Vorfall vor der Siedlung Kirjat Arba.

Nach Angaben palästinensischer Zeugen wurde am 5. April ein amerikanisches Mitglied der Solidaritätsbewegung von einem Panzerschuss bei Dschenin, ebenfalls im Westjordanland, getroffen und lebensgefährlich verletzt - das berichtete Reuters am 6. April. Der Amerikaner gehört zu einer Gruppe, die sich als "lebende Schutzschilde" bei den Palästinensern aufhalten. Der Mann sei trotz des von der Armee verhängten Ausgehverbots auf der Straße gewesen, hieß es. Nach palästinensischen Angaben eröffneten Soldaten das Feuer auf den 24-Jährigen, als er während einer Ausgangssperre gemeinsam mit einem anderen Aktivisten unterwegs war, um Lebensmittel zu verteilen. Ein Armeesprecher teilte dagegen mit, es habe Schusswechsel zwischen bewaffneten Palästinensern und Soldaten gegeben. Noch sei unklar, von welcher Seite der Amerikaner getroffen worden sei. - Zuvor war auch ein dänischer Aktivist am Bein verletzt worden, als er palästinensische Demonstranten mit seinem Körper vor israelischen Soldaten schützen wollte. - Erst kürzlich war eine Amerikanerin, ebenfalls Mitglied der Solidaritätsbewegung, von einer israelischen Planierraupe überrollt und getötet worden.

Israel will den angekündigten Friedensplan für den Nahen Osten nicht ohne Änderungen akzeptieren. Der Generaldirektor im Büro des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, Dov Weisglass, erklärte am 5. April, seine Regierung werde keine Kompromisse in Sicherheitsfragen eingehen. Israel werde den USA 15 Vorbehalte gegen den Plan vorlegen. Das so genannte Nahost-Quartett aus den USA, den Vereinten Nationen, der EU und Russland hat beiden Seiten bereits mehrere Entwürfe präsentiert. Weisglass erklärte, Israel verlange einen Stopp der Terroranschläge und eine neue palästinensische Sicherheitsbehörde "unberührt vom Terrorismus". "Darüber wird es keinen Kompromiss geben, auch wenn, was Gott verhüten möge, der Preis dafür ist, höflich vom Tisch aufzustehen und nach Hause zu gehen", sagte Weisglass. Die USA hätten zugesagt, die israelischen Bedenken zu prüfen.

Mit tumultartigen Szenen hat am 6. April in Tel Aviv im Prozess gegen den palästinensischen Politiker Marwan Barguti (43) die Beweisaufnahme begonnen. Drei palästinensische Zeugen der Anklage verweigerten die Aussage gegen Barguti, der wegen mehrfachen Mordes an Israelis angeklagt ist. Barguti, der als einer der Anführer des Palästinenseraufstandes gegen Israel gilt, war vor einem Jahr von israelische Soldaten in Ramallah festgenommen worden. "Dies ist kein Gericht", rief Bargutis Assistent Nasser Abu Humeid. Er werde nur ein internationales Gericht anerkennen. Zwei weitere Zeugen verweigerten ebenfalls die Aussage. Einer von ihnen hielt sich die Ohren zu, um die Fragen der Anklage nicht zu hören. In den nächsten Tagen sollen noch mehrere Zeugen gehört werden. Barguti sprach von einem "lügnerischen Schauprozess" gegen ihn. Das Gericht wies Bargutis Forderung zurück, seine staatlich ernannten Verteidiger zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft wirft Barguti vor, als Organisator des bewaffneten Aufstandes im Westjordanland für die Ermordung von 26 Israelis und einem griechischen Mönch verantwortlich zu sein.

Israelische Truppen haben am Morgen des 6. April ein Dorf im Gazastreifen gestürmt. Nach palästinensischen Angaben drangen die Soldaten mit etwa 30 gepanzerten Fahrzeugen nach Al Mugasi südlich von Gaza ein. Sie seien dabei von Hubschraubern unterstützt worden. Einwohner berichten, die Truppen hätten das gesamte Dorf besetzt und seien mit Panzern durch die Straßen gefahren. Zwei Palästinenser, darunter ein Kind, wurden getötet und zehn weitere verletzt. Alle Männer zwischen 15 und 50 Jahren mussten sich den Berichten zufolge auf einem Schulhof versammeln.

7. - 13. April

Israelische Soldaten haben nach Armeeangaben vom 7. April einen Palästinenser erschossen, der sich im Gazastreifen dem Zaun der jüdischen Siedlung Netzarim näherte. Die Soldaten hätten in der Nacht zwei Verdächtige bemerkt und das Feuer eröffnet. Am frühen Morgen sei die Leiche eines Palästinensers 70 Meter von Netzarim entfernt entdeckt worden. Der Mann sei mit einem Messer bewaffnet gewesen.
In einem palästinensischen Viertel Jerusalems zerstörten israelische Soldaten unterdessen vier Häuser, die ohne Genehmigung errichtet worden waren. Dabei wurden in Issawija 20 Menschen obdachlos. Es kam zu Zusammenstößen mit Palästinensern, die Steine auf die Soldaten schleuderten. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Blendgranaten.
In Tulkarem im Westjordanland nahmen Soldaten ein Mitglied der Al-Aksa-Märtyrer-Brigade fest. Maslama Thabet wird vorgeworfen, zwei Israelis in Tulkarem getötet zu haben. Thabet hat die Tat in einem Interview im April 2001 eingeräumt und erklärt, dabei habe es sich um eine Reaktion auf den gewaltsamen Tod seines Onkels gehandelt, der im Dezember 2000 von israelischen Truppen getötet worden sei.

Außenminister Joschka Fischer ist am 7. April zu Gesprächen über den Irak-Krieg und den Nahost-Friedensprozess in Israel eingetroffen. Fischer will in Jerusalem zunächst den neuen israelischen Außenminister Silwan Schalom und im Anschluss Ministerpräsident Ariel Scharon treffen. Während seines dreitägigen Besuches sind auch Gespräche mit der neuen palästinensischen Führung geplant. Fischer besucht als erster EU-Außenminister seit Beginn des Irak-Krieges Israel.
Am 8. April hat sich Fischer bei einem Essen mit Israels Außenminister Silwan Schalom vorsichtig optimistisch geäußert, dass nach dem Ende des Irak-Krieges Schwung in den Nahost-Friedensprozess komme. "Vielleicht wird sich ein Fenster nach dem Irak-Krieg öffnen", sagte Fischer.

Bei einem israelischen Luftangriff sind am 8. April in Gaza-Stadt sieben Palästinenser getötet worden, darunter zwei führende Hamas-Mitglieder. Mindestens 47 Menschen seien verletzt worden, teilten Krankenhausvertreter mit. Zwei der Opfer waren Kinder von 13 und 15 Jahren. Die radikale Palästinenser-Gruppe Hamas kündigte Vergeltung für den Tod des führenden Kommandeurs ihrer militanten Kassam-Brigaden, Saad el Arabid, und seines Stellvertreters Aschraf el Halabi an. Ein israelischer Kampfjet des Typs F-16 habe zwei Raketen auf ein Auto gefeuert und die beiden Insassen getötet, berichteten Augenzeugen. Ein Passant sei bei der Explosion einer dritten Rakete des Kampfflugzeugs getötet worden, die das Auto verfehlt habe. Augenzeugen und Sanitäter berichteten, wenige Minuten später habe ein Hubschrauber zwei Raketen in die Nähe hunderter Menschen abgeschossen, die sich am Ort des Geschehens versammelt hätten. Dabei seien zwei weitere Palästinenser getötet worden. Die Verletzten seien ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Hamas-Bewegung kündigte rasche Vergeltung an. Arafat verurteilte den Angriff nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Joschka Fischer (am 9. April) in Ramallah als "unentschuldbares Verbrechen".

Mit bis zu 20 Panzern drangen Soldaten am Morgen des 9. April in die Ortschaften Beit Chanun und Beit Lahia ein. Bewaffnete Palästinenser stellten sich den Truppen entgegen. Bei Feuergefechten wurden ein 19-jähriger Aktivist der radikal-islamischen Hamas-Bewegung, ein Polizist und ein 17-Jähriger getötet. 15 weitere Palästinenser erlitten Verletzungen. Nach israelischen Angaben erfolgte der Vorstoß als Reaktion auf den Abschuss von "Kassam"-Raketen auf israelische Ziele. Militante Palästinenser hatten damit auf den tödlichen Raketenangriff vom Vorabend reagiert, bei dem sieben Palästinenser getötet und Dutzende verletzt worden waren.
Bei einer Bombenexplosion in einer palästinensischen Schule im Westjordanland, zu der sich eine jüdische Gruppe bekannte, wurden bis zu 20 Schüler verletzt.

Nach Berichten über einen heftigen Machtkampf innerhalb der Palästinenserführung gewährte Präsident Jassir Arafat dem von ihm ernannten Ministerpräsidenten Mahmud Abbas unterdessen am 9. April weitere zwei Wochen zur Regierungsbildung.
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat von den Palästinensern und ihrem Präsidenten Jassir Arafat entschiedene Reformen gefordert, um einen Neuanfang im Nahost-Friedensprozess zu ermöglichen. Es werde ein wirklicher Durchbruch gebraucht, sagte Fischer am 9. April bei einem Treffen mit Arafat in Ramallah. Fischer traf auch den von Arafat ernannten Regierungschef Mahmud Abbas und weitere führende Politiker der Palästinensischen Autonomie-Behörde. Die israelische Regierung hatte das Treffen kritisiert. Fischer drang auf eine schnellere Regierungsbildung, um die Reform der palästinensischen Institutionen zu beschleunigen. "Alles hängt von der neuen palästinensischen Regierung ab", sagte Fischer vor Journalisten in Ramallah. Fischer sicherte Abbas und seinem Kabinett die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu. Jeder warte nun auf die "endgültige Entscheidung", sagte Fischer mit Blick auf den stockenden Prozess der Kabinettsbildung. Arafat selbst bezeichnete sein erstes Treffen mit einem europäischen Außenminister seit mehr als sechs Monaten als "äußerst wichtig". Deutschland spiele wegen seiner Position in der Europäischen Union bei den Friedensbemühungen in Nahost eine wichtige Rolle. Arafat sagte, er habe mit Fischer insbesondere über den Friedensplan des Nahost-Quartetts (USA, Russland, EU und UN) gesprochen. Der deutsche Minister habe ihm versichert, dass der Plan "innerhalb von Tagen übermittelt" werden solle. Der palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo sagte, Fischers Besuch habe "eine sehr starke Botschaft gesendet, dass eine Lösung dieser Krise notwendig ist". Die Autonomiebehörde wolle den Reformprozess auf allen Gebieten fortsetzen. Fischer meinte, der einzige Weg aus der Gewaltspirale sei ein Durchbruch zu neuen Verhandlungen: "Ein wichtiger Schritt dorthin sind substanzielle Reformen der Palästinenserverwaltung." Beide Seiten, auch die Israelis müssten aber zu einem Erfolg für neue Verhandlungen beitragen. Terror und Gewalt auf beiden Seiten müssten beendet werden. "Es gibt jetzt eine gute Gelegenheit", sagte Fischer mit Blick auf die Kabinettsbildung und die geplante Veröffentlichung des Friedensplans.

Bei neuen, gewalttätigen Zwischenfällen im Westjordanland und im Gazastreifen sind am 10. April wieder sechs Menschen getötet worden. Erneut griff die israelische Luftwaffe dabei im Gazastreifen ein mit einem mutmaßlichen Extremisten besetztes Auto an und zerstörte es mit Raketen. Der blutigste Zwischenfall ereignete sich im Morgengrauen im Jordantal, wo zwei Palästinenser ein Lager der Armee angriffen und zwei Soldaten erschossen. Bei dem rund 20-minütigen Schusswechsel wurden neun weitere Soldaten verletzt. Die Angreifer seien auf der Flucht erschossen worden, berichtete ein Armeesprecher. Zu der Tat bekannte sich die radikale "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP).
Stunden später feuerten vier israelische Kampfhubschrauber am Spätnachmittag im Zentrum von Gaza erneut Raketen auf ein palästinensisches Auto und töteten einen von Israel wegen zahlreicher Angriffe im Gazastreifen gesuchten Palästinenser. Vier Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.
In Zentrum der Stadt Tulkarem im Westjordanland griff ein israelisches Kommando am 10. April einen von Israel gesuchten Palästinenser an und töteten ihn. Nach Augenzeugenberichten feuerten die Soldaten mehrere Schüsse auf das Auto, in dem vier Aktivisten des militanten Arms der Fatah-Bewegung "Al-Aksa-Brigaden" saßen. Dabei wurde der Gesuchte getötet.

Am 11. April haben israelische Soldaten in Rafah im Gazastreifen einen britischen Friedensaktivisten der Organisation Internationale Solidarity Movement (ISM) erschossen. Ein Augenzeuge berichtete, der 24-Jährige haben zwischen den israelischen Truppen und einer Gruppe von palästinensischen Kindern gestanden, als die Soldaten das Feuer eröffneten. Der Brite war gerade damit beschäftigt, mit anderen Mitgliedern seiner Gruppe ein Zelt an einer Straße aufzubauen. Er wurde von einer Kugel in den Kopf getroffen.
In Khan Yunis im Gazastreifen feuerten israelische Streitkräfte am 11.April aus Kampfhubschraubern Raketen auf eine n Friedhof ab.

Israel hat am 13. April die seit dem Beginn des Irakkriegs ausgerufene erhöhte Alarmbereitschaft aufgehoben. Die Bürger brauchen jetzt keine Gasmasken bei sich tragen. Auch zahlreiche Reservisten, die für den Zivilschutz eingezogen worden waren, dürfen wieder nach Hause.

Premierminister Scharon hat in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz angekündigt, Israel werde im Rahmen des Friedensprozesses jüdische Siedlungen räumen. Er machte aber keine Angaben, um welche Siedlungen es sich handeln könnte und darüber, wann dies erfolgen solle. Scharon räumte außerdem ein, dass es am Ende des Prozesses einen Palästinenserstaat geben werde. Verhandlungen könne es aber erst geben, wenn die Gewalt der Palästinenser gegen Israel eingestellt sei und wenn die Forderung nach einem generellen Rückkehrrecht der Palästinenser aufgegeben wäre. Scharons Äußerungen über die Räumung von Siedlungen rief Protest innerhalb seiner Regierungskoalition hervor, v.a. bei der National-religiösen Partei und bei der Nationalen Union.

14. bis 20. April 2003

Am 14. April verlautete aus Kreisen Arafats, dass dieser sich gegen die Umbesetzung des Innenministeriums (Maohammed Dachlan statt Chani el Hassan) sperrt. Der bisherige Innenminister Hassan gilt als enger Vertrauter Arafats, Dachlan als dessen Gegner. Der Ministerpräsident Machmud Abbas soll vorgeschlagen haben, das Innenressort selbst zu übernehmen. Aber auch dagegen soll Arafat Einspruch erhoben haben.

Drei Palästinenser, ein israelischer Soldat und zwei israelische Arbeiter sind am 15. April gewaltsam ums Leben gekommen. Der Soldat wurde in der Nähe von Nablus von einem Palästinenser erschossen, bevor dieser selbst getötet wurde. Der Zwischenfall geschah, nachdem eine israelische Einheit ein Haus umsetllt hatte, in dem sie "Extremisten" vermutete. Ein Mann sei aus dem belagerten Haus gestürzt und habe auf die Soldaten geschossen. - Im Gazastreifen am Grenzübergang Karnai erschoss nach israelischen Angaben ein Palästinenser zwei israelische Arbeiter und wurde danach von Soldaten getötet. Mehrere Israelis wurden verletzt. - In der Nacht zum 15. April war im Flüchtlingslager Rafah ein Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen worden.

Die UN-Menschenrechtskommission hat Israel wegen "Massakern" an den Palästinensern verurteilt. In einer am 15. April in Genf verabschiedeten Resolution prangern die Mitgliedstaaten "die Praxis der 'Liquidierung' oder 'außergerichtlicher Hinrichtungen'" an, welche Israel gegenüber den Palästinensern anwende. Die Entschließung wurde mit den Stimmen 33 arabischer Staaten sowie Chinas und Kubas angenommen, 15 Staaten enthielten sich. Deutschland, die USA, Kanada, Australien und Peru stimmten dagegen.

Israelische Soldaten haben am 16. April in der Nähe von Hebron ein Mitglied von Hamas erschossen. Der Mann habe sich seiner Festnahme widersetzt und das Feuer eröffnet, sagte eine israelische Armeesprecherin. Nach palästinensischen Angaben handelt es sich bei dem Getöteten um den 35-jährigen Hassan Manasra.

Israel will nach der Vereidigung der neuen palästinensischen Regierung Friedensgespräche aufnehmen, erklärte Scharon am 16. April in einem Interview mit der Zeitung Jediot Ahronot. Er selbst wolle Machmud Abbas persönlich treffen. Zugleich bekräftigte er sein Angebot, auf mehrere jüdische Siedlungen zu verzichten. Der Frage, ob er - entsprechend der ersten Forderung des internationalen "Fahrplans" - alle "illegalen" Siedlungen räumen werde, antwortete Scharon ausweichend. Außerdem sagte er, die Chancen auf einen Frieden würden gemindert, sollte Arafat weiter die palästinensische Politik bestimmen.

Im Westjordanland erschossen israelische Soldaten am 17. April laut Augenzeugenberichten einen 16-Jährigen. Der Junge habe in Tulkarem Steine auf die Streitkräfte geworfen, die ihm daraufhin in den Rücken schossen. Israels Armee teilte dagegen mit, bei dem Toten handle es sich um einen 21-jährigen militanten Palästinenser. Der Mann habe Brandsätze auf eine Militärstreife geworfen.
In der Ortschaft Berka im Gazastreifen wurden ebenfalls am 17. April drei Palästinenser von israelischen Soldaten mit Schüssen verletzt.

Die israelische Armee hält die vollständige Abriegelung der palästinensischen Gebiete auch nach dem Ende des jüdischen Passah-Festes aufrecht, das berichtete der israelische Rundfunk am 18. April. Als Grund gaben die Sicherheitsbehörden bis zu 50 aktuelle Hinweise auf mögliche Terroranschläge in Israel an.

Israel will einer neuen palästinensischen Regierung unter Ministerpräsident Mahmud Abbas offenbar entgegenkommen und bereitet für deren Amtsantritt einen Truppenrückzug aus besetzten Gebieten vor. Scharons Spreacher Raanan Gissin erklärte am 18. April außerdem, Israel plane die Freilassung palästinensischer Gefangener. Tausende Palästinenser sollen die Erlaubnis zur Arbeit in Israel erhalten. Auch Steuergelder könnten bald freigegeben werden, so Gissin.

Der Streit um die Zusammenstellung des neuen palästinensischen Kabinetts verschärft sich. Der designierte Ministerpräsident Mahmud Abbas verließ am 19. April ein Treffen mit Präsident Jassir Arafat nach einem Streit über Personalfragen, wie ein Teilnehmer der Sitzung mitteilte. Abbas habe mit seinem Rücktritt gedroht, falls Arafat die von ihm vorgelegte Kabinettsliste nicht akzeptiere. Im Mittelpunkt des Streits steht dem Vernehmen nach der ehemalige Sicherheitschef im Gazastreifen, Mohammed Dahlan. Abbas nominierte ihn als Staatsminister für Innere Angelegenheiten. Er wäre damit auch für Sicherheitsfragen zuständig. Führende Mitglieder von Arafats Fatah-Bewegung sollen erklärt haben, Dahlan könne jedes Amt in der Regierung übernehmen, wenn es nur nichts mit Sicherheitsfragen zu tun habe.

Im Westjordanland ist am 19. April ein Kameramann der Fernsehnachrichtenagentur APTN erschossen worden, als er Gefechte zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern in Nablus filmte. Er habe eine leuchtend gelbe, ärmellose Weste mit der Aufschrift "Presse" getragen. Augenzeugen sagten, der 43-jährige Naseh Darwaseh sei von einer israelischen Kugel getroffen worden. Nach Angaben von Ärzten erlitt Darwaseh einen tödlichen Kopfschuss. Eine israelische Militärsprecherin sagte am Tag darauf, die Armee bedauere den Tod eines Unschuldigen. Doch brächten sich Pressevertreter selbst in Gefahr, wenn sie sich in die Schusslinie begäben.

In einer der größten Militäraktionen der letzten 30 Monate sind israelische Truppen in der Nacht zum 20. April mit Panzern und Kampfhubschraubern in das Zentrum des Flüchtlingslagers Rafah im Gazastreifen eingerückt. Bei den Gefechten wurden fünf Palästinenser und ein israelischer Soldat getötet, mindestens 40 Palästinenser wurden verletzt. Die israelischen Streitkräfte erklärten, Soldaten hätten zwei Tunnel zerstört, durch die Waffen über die ägyptische Grenze geschmuggelt worden seien. Die Truppen hätten sich vor Tagesanbruch aus Rafah zurückgezogen. Palästinensische Ärzte erklärten, unter den Toten seien ein 15-jähriger Junge, drei junge Männer und ein Polizist. Augenzeugen in dem Flüchtlingslager berichteten, 35 Panzer und gepanzerten Fahrzeuge seien von drei Richtungen in Rafah eingerückt. Fünf Hubschrauber seien über dem Lager gekreist, in dem rund 60.000 Menschen leben.
Als Reaktion auf die Militäraktion feuerten Palästinenser drei Kassam-Raketen auf die israelische Ortschaft Sderot ab. Dabei wurde nach Angaben des Bürgermeisters mindestens eine Frau verletzt, ein Wohnhaus geriet in Brand.
Bei einem weiteren Zwischenfall nahe Kalkilja im Westjordanland erschossen israelische Soldaten einen palästinensischen Jugendlichen. Der 15-Jährige war laut Augenzeugen Teil einer Gruppe, die Steine und Benzinbomben auf Soldaten schleuderten.
Israelische Soldaten haben nach Armeeangaben im Westjordanland einen Palästinenser erschossen, der Molotow-Cocktails auf israelische Zivilfahrzeuge geschleudert hatte. Eine Armeestreife haben den Mann am Sonntagmorgen (20. April) in der Nähe der Stadt Nablus getötet, teilte das israelische Militär mit.

In Israel sind am 20. April vier Grenzpolizisten festgenommen worden, weil sie Palästinenser misshandelt haben sollen. Insgesamt verdoppelte sich damit die Zahl der seit 18. April aus denselben Gründen festgenommenen Grenzpolizisten, wie der israelische Rundfunk am Sonntag berichtete. Nach Angaben des zuständigen Polizeidezernats werden die acht Polizisten auch verdächtigt, die Häuser von Palästinensern in Hebron angegriffen zu haben. In der Stadt im Westjordanland sollen die vier am 18. April Festgenommenen am 30. Dezember 2002 eine 18-jährige Palästinenserin zu Tode geprügelt haben.

21. bis 30. April 2003

Der designierte palästinensische Regierungschef Mahmud Abbas hat die Gespräche über eine Kabinettsbildung für gescheitert erklärt. Abbas werde mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat keine Grundsatz-Verhandlungen mehr über ein neues Kabinett führen, verlautete aus Verhandlungskreisen am 22. April. Sein Verhältnis zu Arafat sei nun zerstört, wurde Abbas zitiert: "Ich werde nicht zurückkehren." In den vergangenen Tagen hatte sich der Streit zwischen Arafat und Abbas um das neue Kabinett zugespitzt. Streitpunkt war vor allem die geplante Berufung des Ex-Geheimdienstchefs Mohammed Dahlan zum Innenminister, die Arafat entschieden ablehnt. Abbas hatte zur Bildung seiner Regierung nur noch bis Mittwoch, den 23. April, Zeit. Die Einsetzung der neuen Regierung ist eine Voraussetzung für die Veröffentlichung des so genannten Fahrplans des Nahost-Quartetts, der die Bildung eines Palästinenserstaates in drei Schritten bis 2005 vorsieht.

Wenige Stunden vor Ablauf einer selbst gesetzten Frist hat sich die palästinensische Führung am 23. April auf eine Regierung geeinigt, deren Zustandekommen als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Friedenslösung im Nahen Osten gilt. Palästinenser-Präsident Jassir Arafat und der designierte Ministerpräsident Mahmud Abbas hätten sich auf die Besetzung der Ministerposten geeinigt, sagte ein Berater Arafats. Nach den USA, der Europäischen Union (EU) und Russland hatte zuvor auch Ägypten Druck auf Arafat ausgeübt, in dem Streit einzulenken. Abbas genießt das Vertrauen der Staaten und soll ein Gegengewicht zu Arafat sein (vgl. zum Hintergrund die politische Analyse von Uri Avnery: "Abu gegen Abu"). Abbas werde das Innenministerium übernehmen, der von Arafat strikt abgelehnte Mohammed Dahlan werde Sicherheitschef, sagte der Berater weiter. Arafat wollte Dahlan nicht im Kabinett haben und wehrte sich seit Tagen dagegen, dass er die Kontrolle über die palästinensischen Sicherheitskräfte verliert. Nach dem von einem so genannten Quartett aus den USA, Europa, Russland und den Vereinten Nationen (UNO) entwickelten Friedensplan sollen Innenministerium und Sicherheitskräfte vor allem die militanten Gruppen unter Kontrolle bringen, die in den vergangenen Jahren zahlreiche Anschläge auf Israelis verübt haben. Nach der Einigung besuchte Abbas Arafat in dessen Büro in Ramallah und die beiden besiegelten das Ergebnis mit einem Händedruck. Die Kabinettsliste muss nun noch vom palästinensischen Parlament bestätigt werden.

Radikale Palästinensergruppen haben am 24. April einen Selbstmordanschlag auf den Bahnhof der zentralisraelischen Stadt Kfar Saba verübt. Außer dem Attentäter wurde ein israelischer Wachmann getötet, 13 weitere Menschen sind zum Teil sehr schwer verletzt. Zu dem Anschlag bekannten sich die El-Aksa-Brigade, ein Ableger der Fatah-Organisation von Palästinenser-Präsident Jassir Arafat, und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Die Palästinenser-Regierung verurteilte den Anschlag. "Wir verurteilen jeden Angriff auf Zivilisten, unabhängig davon, ob sie Palästinenser oder Israelis sind", sagte ihr Friedensunterhändler Saeb Erekat. Ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon sagte, "(der Anschlag) ist ein weiteres Beispiel für die schiere Brutalität des palästinensischen Terrorismus."
Nach dem jüngsten Selbstmordanschlag in Israel mit zwei Toten ist die Polizei im Lande in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Der israelische Armeesender meldete am 25. April, angesichts zahlreicher Geheimdienstwarnungen vor weiteren Anschlägen sei die Präsenz der Einsatzkräfte vor allem im Grenzbereich zwischen Westjordanland und Israel verstärkt worden. Von 14 Verletzten des Anschlags vom Vortag befanden sich am Freitag noch fünf im Krankenhaus. Israel hatte in der Nacht zum 25. April beschlossen, keine Vergeltung für den Anschlag in Kfar Saba zu üben, um dem neuen palästinensischen Ministerpräsident Mahmud Abbas nicht zu schaden.
Nach dem Durchbruch bei der Bildung der palästinensischen Regierung will US-Präsident George W. Bush den designierten Ministerpräsidenten Mahmud Abbas in Kürze ins Weiße Haus einladen. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Abbas, sagte Bush am Abend des 24. April (Ortszeit) im US-Fernsehsender NBC. Er deutete zugleich an, dass er den palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat nicht einladen werde.
Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat nach der Einigung auf eine neue palästinensische Regierung die unverzügliche Veröffentlichung des internationalen Fahrplans zur Bildung eines Palästinenserstaats gefordert. Nun gebe es keinen Grund mehr für einen weiteren Aufschub, sagte Arafat in einem am 25. April veröffentlichten Interview mit der spanischen Tageszeitung "ABC". Der von der EU, UNO, den USA und Russland ausgearbeitete Friedensplan müsse "sofort umgesetzt" werden. US-Präsident George W. Bush hatte die offizielle Vorlage zuletzt von der Einsetzung des neuen palästinensischen Ministerpräsident Mahmud Abbas abhängig gemacht.

Im Westjordanland nahmen israelische Soldaten in der Nacht zum 25. April sechs Palästinenser fest. Mehrere von ihnen werden verdächtigt, Mitglieder radikaler Gruppen zu sein.
Im Westjordanland wurde am 25. April bei einem Schusswechsel mit Palästinensern ein israelischer Soldat leicht verletzt. Wie die israelischen Streitkräfte mitteilten, eröffneten bewaffnete Palästinenser in der Stadt Dschenin das Feuer auf eine Gruppe von Soldaten, als diese gerade aus gepanzerten Fahrzeugen ausstiegen. Israelische Kampfhubschrauber erwiderten laut Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen das Feuer. Die israelischen Soldaten waren im Morgengrauen in Dschenin eingerückt, um dort nach mutmaßlichen Extremisten zu suchen.

Der designierte palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas will so lange auf Reisen ins Ausland verzichten, bis Israel das Reiseverbot gegen Präsident Jassir Arafat aufhebt. Dies sagte Abbas, der in der vergangenen Woche hart mit Arafat um die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts gerungen hatte, am Sonntag, den 27. April, der Nachrichtenagentur AP. Er werde das Land nicht verlassen, bis Arafat sich ohne Einschränkungen wieder frei bewegen könne und es auch keine Hindernisse für eine Rückkehr gebe, erklärte Abbas. Seine Äußerung war auch eine Geste an Arafat, mit dem er heftig über das Kabinett gestritten hatte. Israel scheint in der Frage des seit mehr als einem Jahr geltenden Reiseverbots für Arafat derzeit aber nicht zu Kompromissen bereit zu sein. In israelischen Medien hieß es am Sonntag, Ministerpräsident Ariel Scharon wolle alle Treffen mit ausländischen Ministern boykottieren, die auch Arafat treffen wollten.

Ein 24-jähriger Palästinenser erlag unterdessen am Samstag in einem Krankenhaus seinen Schussverletzungen, die er eine Woche zuvor beim Einmarsch israelischer Soldaten in die Stadt Rafah im Gazastreifen erlitten hatte. Das teilten Mitarbeiter des Krankenhauses mit. Der Palästinenser erlitt bei dem Zwischenfall am 19. April einen Kopfschuss. Zuvor hatte er selbst auf die israelischen Soldaten geschossen.

In der Frage der besetzten Palästinenser-Städte im Westjordanland zeigte sich die israelische Regierung weiter unnachgiebig. Vor einem Rückzug aus den im vergangenen Juni besetzten Ortschaften müsse die palästinensische Führung einen detaillierten Plan für den "Kampf gegen den Terrorismus" vorlegen, sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums am 27. April im israelischen Radio. Vize-Verteidigungsminister Seew Boim sagte im Armeerundfunk, derzeit gebe es noch keinen Anlass, die bisherige Politik zu ändern. Es werde noch lange dauern, bis die palästinensische Regierung in der Lage sei, der Gewalt Einhalt zu gebieten.
Kurz vor dem Amtsantritt der neuen palästinensischen Regierung hat Israel die Räumung von zwei illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland angekündigt. Die beiden nicht dauerhaft bewohnten Posten nahe Hebron sollten im Laufe der Woche abgerissen werden, berichtete der israelische Rundfunk am 27. April. Mit der Räumung der wilden Siedlungen käme Israel Forderungen der Palästinenser entgegen, hieß es. Allein im Westjordanland gibt es rund 70 solcher Vorposten jüdischer Siedler. Hinzu kommen die mit offizieller Genehmigung errichteten Siedlungen. Insgesamt haben sich rund 220.000 Israelis auf palästinensischem Gebiet im Westjordanland und im Gazastreifen niedergelassen.

Die Fatah-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat will die Regierung des designierten Ministerpräsidenten Mahmud Abbas unterstützen. Mit der Entscheidung des Fatah-Zentralkomitees vom 28. April ist die Chance auf die Bestätigung des Kabinetts erheblich gestiegen - und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die USA in Kürze den internationalen Friedensplan für den Nahen Osten vorlegen. Nach Angaben von Nabil Schaath, Fatah-Mitglied und selbst designierter Außenminister, wird das Zentralkomitee die Abgeordneten auffordern, für das Kabinett von Abbas zu stimmen. Die Bewegung verfügt im Parlament über 62 von 85 Sitzen. Gleichwohl war zunächst nicht klar, ob alle Fatah-Parlamentarier der Aufforderung Folge leisten würden. Arafat deutete unterdessen in einem Interview der israelischen Zeitung "Maariv" an, er wolle auch künftig eine führende Rolle spielen. "Ich bin der gewählte Präsident des palästinensischen Volkes", sagte er. Und die ganze Welt wisse dies. Er wolle in den kommenden Wochen viele führende Politiker in seinem Hauptquartier in Ramallah empfangen, sagte Arafat.

Israelische Soldaten nahmen am 28. April in Nablus zwei ranghohe militante Palästinenser fest, die für einen Selbstmordanschlag in der vergangenen Woche verantwortlich gemacht werden. Nach Angaben von Anwohnern handelte es sich um Amir Thokan und Allam Kabi. Thokan sei der örtliche Führer einer Splittergruppe der Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, die der Fatah-Bewegung nahe steht. Kabi führe den örtlichen militärischen Flügel der Volksfront für die Befreiung Palästinas. Beide Gruppen hatten sich gemeinsam zu dem Anschlag auf einen Bahnhof in Israel bekannt, bei dem vergangene Woche ein Wachmann ums Leben gekommen war.
Am 28. April erschossen Soldaten bei einer Razzia im Flüchtlingslager Dschenin einen 17 Jahre alten Jugendlichen, der laut Augenzeugenberichten mit einem Gewehr vor seinem Haus stand.

Das palästinensische Parlament hat den Reformpolitiker Mahmud Abbas zum neuen Regierungschef gewählt und damit den Weg für eine Wiederaufnahme des Nahost-Friedensprozesses frei gemacht. Bei ihrer Sitzung in Ramallah billigten die Abgeordneten auch das neue Kabinett. Von den anwesenden Palästinenser-Abgeordneten stimmten 51 für Abbas', 18 gegen ihn. Drei enthielten sich der Stimme. Die Wahl der neuen palästinensischen Regierung mit dem als gemäßigt geltenden Abbas an ihrer Spitze hatte als sicher gegolten, zumal die Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Jassir Arafat ihre Abgeordneten zur Zustimmung aufgerufen hatte. Abbas bekräftigte in seiner Rede vor den Abgeordneten seinen Willen zu raschen Reformen und zur Beendigung der Gewalt im Konflikt mit Israel. Alle Formen des "Terrorismus" seien zu verurteilen. Künftig dürften ausschließlich die Sicherheitskräfte Waffen tragen, um Zivilisten zu schützen. Die radikalen Palästinensergruppen rief er zum Dialog auf. Die radikalislamische Hamas-Bewegung wies Abbas' Aufruf zurück. Auch der Islamische Dschihad betonte die Notwendigkeit einer Fortsetzung des Kampfes. An die Adresse der Israelis sagte Abbas, es werde nur Frieden ohne jüdische Siedlungen geben. Den Palästinensern versprach Abbas, gegen die weit verbreitete Korruption vorzugehen sowie das Justizsystem zu stärken. - US-Präsident George W. Bush freue sich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Palästinenserregierung und dem palästinensischen Volk, sagte Präsidentensprecher Ari Fleischer. Das Weiße Haus werde in Kürze den Nahost-Friedensplan veröffentlichen.

Die israelische Armee setzte ihre gezielten Tötungsaktionen gegen radikale Palästinenser fort. Im Gazastreifen trafen zwei Raketen das Auto eines Mitgliedes der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Der Mann und ein Beifahrer starben. Im Westjordanland töteten israelische Soldaten den Chef der radikalen El-Aksa-Brigaden für die Region Bethlehem und seinen Stellvertreter.

Eine schwere Explosion hat in der Nacht zum 30 April ein Restaurant in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv erschüttert. Die Polizei ging von einem Selbstmordanschlag aus. Drei Israelis und der Attentäter wurden getötet. Nach Angaben von Rettungskräften wurden etwa 50 Menschen verletzt. Die Detonation ereignete sich den Angaben zufolge an der Strandpromenade der Stadt, unweit der US-Botschaft. Die Fassade des Restaurants wurde in die Luft gesprengt und die Einrichtung teilweise zerstört. Polizeichef Jossi Sedbon sagte dem israelischen Armeerundfunk, offenbar sei ein Selbstmordattentäter für die Explosion verantwortlich. Ein Augenzeuge berichtete, ein Türsteher habe dem mutmaßlichen Täter den Zutritt zu dem Restaurant verwehrt. Zu dem zweiten Terroranschlag in Israel innerhalb einer Woche bekannten sich die radikale Hamas-Organisation und die "Al- Aksa-Brigaden". - Später wurde berichtet, dass es sich bei dem Selbstmordattentäter nach Angaben der israelischen Polizei um einen britischen Staatsbürger handle. Ein zweiter mutmaßlicher Täter, ebenfalls Brite, sei geflohen, nachdem sein Sprengsatz nicht detoniert sei, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Die beiden Männer seien mehrere Tage vor dem Anschlag vom Gazastreifen aus nach Israel gelangt.
Auch in den Palästinensergebieten kam es am 30. April wieder zu tödlichen Zwischenfällen. Jüdische Siedler erschossen in der Nacht zwei bewaffnete Palästinenser, die nach ihren Aussagen in ihre illegal errichtete Kleinsiedlung eindringen wollten. Im Gazastreifen töteten Soldaten eine 65-jährige palästinensische Schäferin durch Schüsse in Kopf, Brust und Schulter. In der Nacht hatten Soldaten nahe der ägyptischen Grenze einen Palästinenser erschossen, der sich angeblich ihrem Wachposten genähert hatte. Später stellte sich heraus, dass der angebliche Attentäter unbewaffnet war.

Die USA und die übrigen Vertreter des so genannten Nahost-Quartetts haben am 30. April Israel und den Palästinensern ihren gemeinsamen Friedensplan ("Roadmap") präsentiert. Nach den Vorschlägen soll der Konflikt innerhalb von drei Jahren beigelegt werden. Wenige Stunden zuvor hatten die Palästinenser mit der Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas und seiner 25 Minister den Weg für die seit Wochen angekündigte Übergabe frei gemacht. Das von den USA als "roadmap" (Fahrplan) bezeichnete Friedenskonzept sieht die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaats bis Ende 2005 in mehreren Stufen vor. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Beendigung der Gewalt, die in den vergangenen 31 Monaten in der Region über 2.300 Palästinensern und mehr als 700 Israelis das Leben gekostet hat. Der "Fahrplan", dessen offizieller Wortlaut bisher noch nicht veröffentlicht worden ist, wurde Israels Ministerpräsident Ariel Scharon von US-Botschafter Dan Kurzer überbracht. Die Gesandten der EU, Russlands und der UN übernahmen wiederum die "Botendienste" für die Palästinenser und übergaben den Plan an Mahmud Abbas.
US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hatte den "Fahrplan" in einer Rede vor der Lobbygruppe American Israel Public Affairs Committee (AIPIC) als nicht verhandelbar bezeichnet. Die Betonung des Plans liegt auf der Gleichzeitigkeit von Schritten. Das konservative Lager in den USA dringt jedoch darauf, dass die Palästinenser als Erste Zugeständnisse machen. Auch im Kongress gibt es dafür eine Mehrheit: 87 der 100 US-Senatoren und 297 der 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses haben entsprechende Schreiben unterzeichnet.


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