Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Juni 2006

Chronologie der Ereignisse

Donnerstag, 1. Juni, bis Sonntag, 4. Juni
  • Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, hat den westlichen Regierungen und Israel eine ungerechtfertigte Isolierung der Palästinenser vorgeworfen. Die Bedingungen für Verhandlungen mit der von der Hamas geführten Regierung - das Abschwören der Gewalt und die Anerkennung Israels - seien unangemessen. "Die palästinensische Frage ist eine Frage der militärischen Besetzung. Es ist keine terroristische Angelegenheit, und der Konflikt sollte über Verhandlungen gelöst werden", sagte Mussa am 1. Juni bei einer arabisch-chinesischen Konferenz in Peking. "Die Palästinenser können nicht gezwungen werden, die so genannten Bedingungen zu akzeptieren." Weil sich die Hamas bislang weigert, das Existenzrecht des Staates Israel anzuerkennen, haben die USA und die EU die Unterstützung der Autonomiebehörde ausgesetzt.
  • Palästinensische Polizisten haben am 1. Juni aus Protest gegen monatelang ausstehende Gehaltszahlungen das Parlamentsgelände in Gaza gestürmt. Augenzeugen berichteten, es seien Schüsse abgefeuert und Scheiben eingeworfen worden. Etwa 6.000 Menschen hatten sich versammelt, um gegen die Politik der regierenden radikal-islamischen Hamas-Organisation zu protestieren. In Sprechchören kritisierten sie die Hamas-Regierung, die sie für die Zahlungssperre westlicher Geberländer verantwortlich machten. Seit März haben etwa 160.000 Beschäftigte in Behörden und Ministerien keine Gehälter bekommen.
  • Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert kündigte ein erstes Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zum Monatsende an. Olmert sagte in einem am 1. Juni veröffentlichten Gespräch mit der israelischen Zeitung "Jediot Achronot", er wolle Abbas "gegen Ende Juni treffen". Zuvor plane er Gespräche mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, dem jordanischen König Abdullah und europäischen Staats- und Regierungschefs. Olmert bekräftigte gleichzeitig, er wolle an Bedingungen für Verhandlungen mit den Palästinensern festhalten. Dabei bezog er sich auf den internationalen Friedensplan für Nahost (Road Map). "Ich werde Abu Masen (Abbas) treffen, um zu sehen, ob die Möglichkeit besteht, dass diese Bedingungen erfüllt werden", sagte Olmert. "Wenn dies zutrifft, wird es Verhandlungen geben. Wenn nicht, dann werden wir unabhängig handeln." Er fordert unter anderem eine Entwaffnung der militanten Palästinensergruppen. Olmert hatte in der Vergangenheit betont, Israel werde selbst seine Grenzen festlegen, sollte klar werden, dass es auf der palästinensischen Seite "keinen Partner gibt".
  • Bei einem Zwischenfall an der ägyptisch-israelischen Grenze sind am 2. Juni zwei ägyptische Sicherheitsbeamte erschossen worden. Nach Angaben eines ägyptischen Polizeisprechers drang ein drei Mann starker Trupp etliche Meter auf israelisches Gebiet vor und eröffnete das Feuer. Israelische Soldaten hätten zurückgeschossen und zwei Ägypter tödlich getroffen. Warum die Ägypter in israelisches Gebiet eindrangen und um sich schossen, sei unbekannt. Die israelischen Streitkräfte bestätigten den Grenzzwischenfall, sprachen aber von bewaffneten Eindringlingen, nicht von ägyptischen Sicherheitskräften.
  • Dutzende israelische Soldaten drangen in der Nacht zum 2. Juni in ein palästinensisches Krankenhaus ein und verhafteten einen schwer verletzten Palästinenser, wie der Direktor des Krankenhauses in Nablus mitteilte. Der Patient Dschawad Kaabi sei am 30. Mai bei einem Schusswechsel mit israelischen Soldaten in den Bauch getroffen worden, sagte Madel Kawa. "Das verletzt alle ethischen Prinzipien", sagte er zur Verhaftung, zu der die israelischen Soldaten in Begleitung eines Arztes anrückten. "Sie hätten ihn sich von seinen Verletzungen erholen lassen sollen." Die israelischen Streitkräfte äußerten sich nicht zu der Aktion. Aus Militärkreisen verlautete, der Verletzte sei in eine medizinisch Einrichtung in Israel gebracht worden.
  • Vor dem Treffen des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak drohen diplomatische Verstimmungen wegen eines tödlichen Grenzzwischenfalls. Zwei Soldaten seien auf ägyptischem Territorium erschossen worden, zitierte die staatliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena am 3. Juni einen ägyptischen Sicherheitsbeamten. Die Toten seien anschließend auf die israelische Seite der Grenzen gebracht worden. Damit hätte die israelische Armee glauben machen wollen, dass die Soldaten wegen des illegalen Überquerens der Grenze erschossen worden seien.
  • Israel hat im besetzten Westjordanland mit dem Bau einer neuen jüdischen Siedlung begonnen. In Jordantal sollen Familien aus dem im vergangenen Jahr von Israel geräumten Gazastreifen einziehen, berichteten israelische Medien am 3. Juni. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Ehud Olmert will das Jordantal auch bei einem angekündigten Rückzug aus einem Teil des Westjordanlandes als Sicherheitszone beanspruchen. International wird ein Stopp des Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten gefordert.
  • Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat sich bei Ägyptens Präsident Husni Mubarak für den Tod von zwei ägyptischen Grenzsoldaten entschuldigt. "Im Namen des Staates Israel drücke ich mein tiefes Bedauern für den Grenzzwischenfall aus", sagte Olmert am 4. Juni nach einem Treffen mit Mubarak im Badeort Scharm el Scheich. Laut der ägyptischen Nachrichtenagentur Mena wurden die beiden Soldaten auf der ägyptischen Seite der Grenze erschossen. Die israelische Armee hatte zuvor gesagt, die Ägypter seien rund zweihundert Meter auf israelisches Territorium vorgedrungen.
Montag, 5. Juni, bis Sonntag, 11. Juni
  • Bei internen Kämpfen zwischen Anhängern der radikal- islamischen Hamas und der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sind nach einem dpa-Bericht vom 5. Juni mindestens vier Menschen getötet worden. Die Konfrontationen zählen zu den folgenschwersten Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Reihen seit dem Wahlsieg der Hamas im Januar. In einem Flüchtlingslager westlich von Gaza wurden nach Augenzeugenberichten zwei Fatah-Mitglieder getötet und einer schwer verletzt. Zudem sei eine Schwangere im südlichen Gazastreifen getötet worden. Ihr Schwager wurde getötet und ihr Ehemann sowie ihre Tochter schwer verletzt. Die Männer sind Anhänger der Hamas. Ihr Auto sei von Kugeln durchsiebt worden, berichteten palästinensische Augenzeugen.
  • Bei einem gezielten israelischen Raketenangriff im Gaza-Streifen sind am 5. Juni nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwei militante Palästinenser getötet worden. Die Raketen waren von einer Drohne aus auf ein Fahrzeug abgefeuert worden, in dem ein lokaler Kommandant einer militanten Organisation fuhr. Er wurde für mehrere Attacken auf israelische Posten verantwortlich gemacht. Israel bestätigte, dass ihm der Angriff gegolten habe.
  • Nach Ablauf des Ultimatums von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für eine politische Einigung hat die radikal-islamische Hamas in der Nacht zum 6. Juni mehr Zeit zum Dialog gefordert. Abbas hatte zum Ende der Frist um Mitternacht erklärt, er habe nun keine andere andere Wahl als eine Volksbefragung über eine Zwei-Staaten-Lösung einzuleiten. Die Verhandlungen seien ohne jede Annäherung zu Ende gegangen, teilten Delegationsmitglieder mit. Abbas wolle bereits heute ein Datum für die Abhaltung der Volksabstimmung festsetzen, hieß es. Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri forderte Abbas in Gaza auf, seinen Schritt nochmals zu überdenken. Ein Referendum sei nicht nötig. Suhri erklärte zugleich, die Hamas fürchte den Ausgang einer solchen Abstimmung nicht. Es sei jedoch besser, miteinander zu reden. Und dazu sei die Hamas bereit, unterstrich Suhri. Hauptstreitpunkt neben der Anerkennung Israels ist die zwischen der Fatah von Abbas und der Hamas von Ministerpräsident Ismail Hanija umstrittene Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Abbas hatte ein Referendum bis Juli angekündigt, sollten sich die rivalisierenden Gruppierungen, vor allem Hamas und Fatah, nicht auf einen politischen Kurs auf dem Weg zu einem Palästinenserstaat einigen können. Die Frist von zehn Tagen war um Mitternacht ausgelaufen.
  • Das von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplante Referendum in den Autonomiegebieten wird von den USA unterstützt. Abbas zeige damit einmal mehr, dass er auf eine Beilegung des Konflikts mit Israel hinarbeiten wolle, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow, am 6. Juni am Rande eines Besuchs von US-Präsident George W. Bush in Artesia im US-Bundesstaat New Mexico. Snow unterstrich zugleich den Konsens zwischen der US-Regierung und Abbas darüber, dass die Lösung des Konflikts in der Koexistenz des israelischen mit einem künftigen palästinensischen Staat bestehen müsse.
  • Aus einem israelischen Kampfhubschrauber sind in der Nacht zum 7. Juni zwei Geschosse auf ein Gebäude in der Stadt Gaza abgefeuert worden. Den Streitkräften zufolge war das Angriffsziel ein Lagerhaus, in dem palästinensische Kämpfer Raketen für Attacken auf Israel hergestellt und deponiert hätten. Nach palästinensischen Angaben diente das Gebäude den Volkswiderstandskomitees als Schulungsstätte. Verletzt wurde bei dem Luftangriff offenbar niemand. Kurze Zeit später feuerte die israelische Luftwaffe ein weiteres Geschoss ab, das Augenzeugen zufolge eine Straße im Norden von Gaza traf. Auch hier wurde niemand verletzt. Der Angriff galt offensichtlich einer Abschussrampe für Raketen.
  • An der Grenze des Gazastreifens droht die Gewalt zwischen Israel und militanten Palästinensern zu eskalieren. Israel warf der in den Palästinensergebieten regierenden radikal- islamischen Hamas-Organisation eine Beteiligung an den Raketenangriffen auf israelische Grenzorte vor. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Militärkreise, in jüngster Zeit seien Hamas-Aktivisten als Angreifer identifiziert worden, die Ziele in der westlichen Negev-Wüste mit mit Kassam- Kleinraketen beschossen hätten. Die Armee werde ohne Rücksicht auf die Mitgliedschaft in bestimmten Organisationen gegen die Täter vorgehen, hieß es. (dpa, 7. Juni)
  • Westdeutsche Geheimdienstler haben schon seit 1952 gewusst, unter welchem Tarnnamen sich der NS-Kriegsverbrecher und Organisator der Judenvernichtung, Adolf Eichmann, in Argentinien versteckte. Wie aus von der CIA freigegebenen Dokumenten hervorgeht, deckten westdeutsche und US-Geheimdienste den von Israel gesuchten SS-Obersturmbannführer, weil sie unter anderem befürchteten, er könne über die Nazi-Vergangenheit von Hans Globke, dem Staatssekretär des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, auspacken. Globke war Verfasser eines Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen im Dritten Reich und half den USA nach dem Zweiten Weltkrieg bei ihren antikommunistischen Aktivitäten in Westdeutschland.
    Timothy Naftali, Historiker an der Universität von Virginia, sagte der AFP am 7. Juni, die Westdeutschen seien damals für Eichmanns Verhaftung oder zumindest die Weiterleitung der ihnen bekannten Informationen zuständig gewesen. Da sie dies nicht getan hätten, treffe sie die Hauptschuld. Naftalis Angaben zufolge war die CIA seit 1958 über Eichmanns Tarnnamen "Clemens" informiert. Der US-Geheimdienst habe sich jedoch aus "Staatsräson" nicht an der Jagd auf Eichmann beteiligt.
    1960 entführte der israelische Geheimdienst Eichmann in Argentinien und brachte ihn nach Israel. Dort wurde der Protokollführer der Wannseekonferenz, auf der 1942 die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen wurde, zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet.
    Aus dem jetzt veröffentlichten CIA-Material wird auch deutlich, dass die USA während des Kalten Krieges ein weitverzweigtes Spionagenetz aus ehemaligen Nazis unterhielten. (AFP, 7. Juni)
  • Deutschland und Israel haben am 7. Juni in Tel Aviv einen gemeinsamen Wirtschaftsrat gegründet, der die ökonomischen Beziehungen zwischen beiden Ländern verbessern soll. Der Ko-Vorsitzende Anton F. Börner, zugleich Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA), sprach von einem "neuen Kapitel in den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen". Er hob hervor, dass Israel gerade in den Zukunftsbranchen wie Medizin- und Biotechnologie weltweit führend und damit einer der wichtigsten Partner für Deutschland in diesem Bereich sei. An der Gründungssitzung des Wirtschaftsrats nahm auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) teil.
  • Israel hat der radikal-islamischen Hamas nach Raketenangriffen einen Bruch der seit einem Jahr weitgehend eingehaltenen Waffenruhe vorgeworfen. Ein Militärvertreter sagte am 7. Juni in Tel Aviv, man wisse, dass an zwei Angriffen in den letzten Tagen Hamas-Mitglieder beteiligt waren. Die Armee werde gegen die Angreifer vorgehen. Israel hatte in den vergangenen Monaten keine gezielten Attacken mehr auf Mitglieder der Hamas unternommen, die in den Palästinensergebieten inzwischen die Regierung stellt.
  • Bei zwei Gefechten an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen sind am 7. Juni drei Palästinenser getötet und fünf weitere verletzt worden, wie aus palästinensischen Sicherheitskreisen und Krankenhäusern verlautete. Bei den Verwundeten handelte es sich um drei Polizisten und zwei Kinder. Die israelischen Streitkräfte erklärten, verdächtige Personen hätten sich dem Zaun genähert, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten.
  • Der jordanische König Abdullah II. hat Israel aufgefordert, den Nahost-Friedensplan, die so genannte Roadmap, wiederzubeleben. Die Zwei-Staaten-Lösung sei die einzig machbare und müsse durch bilaterale israelisch-palästinensische Verhandlungen erreicht werden, sagte Abdullah am 8. Juni nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in Amman. Zugleich erneuerte er sein Vermittlungsangebot an Israelis und Palästinenser.
  • Ungeachtet des Widerstands der Hamas-Regierung hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Termin für das Referendum über den umstrittenen Plan zur nationalen Einigung verkündet. Der Volksentscheid in den Autonomiegebieten werde am 31. Juli stattfinden, teilte Abbas' Sprecher Nabil Abu Rudeina am 8. Juni mit. Der Palästinenserpräsident wolle am 10. Juni einen entsprechenden Erlass unterzeichnen. Das Referendum werde 50 Tage später stattfinden. Wenige Stunden zuvor waren in Gaza tausende Palästinenser aus Protest gegen die Volksbefragung auf die Straße gegangen.
    Die Hamas lehnt den Plan ab, weil Israel damit implizit anerkannt würde. Zugleich wirft sie Abbas vor, mit der Ausrufung eines Referendums seine Kompetenzen zu überschreiten. Mit einem Volksentscheid werde die gewählte Regierung umgangen. Umfragen zufolge sind 80 Prozent der Palästinenser für den Plan zur nationalen Einheit. Es wäre der erste Volksentscheid in der Geschichte der Palästinenser.
  • Die israelischen Streitkräfte haben am 8. Juni bei einem Luftangriff den Sicherheitschef der palästinensischen Hamas-Regierung getötet. Dschamal Abu Samhadana ist der ranghöchste palästinensische Sicherheitsbeamte seit vier Jahren, der durch einen israelischen Angriff ums Leben kam. An der Trauerfeier für den 43-Jährigen nahmen am 9. Juni im Gazastreifen zehntausende Palästinenser teil, die Hamas kündigte blutige Rache an. Abu Samhadana war Führer des militanten Volkswiderstandskomitees (PRC) und zuletzt auch Sicherheitschef der Hamas-Regierung, was nicht nur in Israel, sondern auch bei der Fatah-Organisation des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas auf Empörung stieß. Nach israelischen Militärangaben wurde Abu Samhadana bei einem Luftangriff auf das Ausbildungslager der PRC am Donnerstagabend tödlich getroffen. Die in dem Lager versammelten "Extremisten" hätten angeblich einen groß angelegten Angriff auf Israel geplant. Bei dem israelischen Luftangriff wurden vier Raketen abgefeuert. Neben Abu Samhadana starben nach Polizeiangaben drei weitere Menschen, zehn wurden verletzt.
  • Der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija hat Israel im Gegenzug für die Errichtung eines Staates im Westjordanland und dem Gazastreifen eine langfristige Waffenruhe angeboten. In einem am 9. Juni veröffentlichten Interview mit der israelischen Tageszeitung "Jediot Achronot" sagte Hanija, seine Hamas-Regierung sei zu einem jahrzehntelangen Gewaltverzicht bereit, wenn Israel in den 1967 besetzten Gebieten einen Palästinenserstaat mit Jerusalem als Hauptstadt und die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge zulasse. "Ich spreche nicht über die Anerkennung Israels. Wenn eine Waffenruhe besteht, wird die Gewalt beendet werden und die Region ruhig sein", sagte Hanija der Zeitung. Auf die Nachfrage, ob die Billigung der Grenzen von 1967 denn nicht einer Anerkennung Israel gleichkomme, sagte Hanija: "Warum erkennt Israel den palästinensischen Staat nicht an?"
  • Die israelischen Streitkräfte haben mit den heftigsten Angriffen seit dem Abzug aus dem Gazastreifen binnen Stunden mindestens 18 Palästinenser getötet. Darunter seien der als Generalinspekteur des Innenministeriums nominierte Milizenführer Dschamal Abu Samhadana, aber auch viele Zivilisten, teilte die palästinensische Polizei am Freitag mit. Mindestens elf Tote - darunter Frauen und Kinder - habe es gegeben, als ein Marineboot das Feuer auf den Strand von Gaza eröffnete. Insgesamt gab mehr als 50 Verletzte. Die israelische Armee teilte in Tel Aviv mit, die Angriffe seien gegen Positionen gerichtet gewesen, von denen aus Kassam- Raketen auf Israel gefeuert worden seien.
    Auftakt der israelischen Angriffsserie war in der Nacht zum 9. Juni ein Schlag gegen ein Ausbildungslager der radikalen Volkswiderstandskomitees (PRC). Dort wurden Samhadana und drei Gefolgsleute getötet.
    Bei zwei folgenden Luftangriffen auf mobile Raketenstellungen wurden am 9. Juni drei weitere PRC-Männer getötet und zwei verletzt. Kurz darauf feuerte die Marine auf das Gebiet am Strand. Unter den Toten dort seien allein sieben Mitglieder einer Familie, teilte das Schiffa-Krankenhaus in Gaza mit. Das palästinensische Fernsehen berichtete über bis zu 15 Tote als Folge des Granatenangriffs.
  • Nach einer Reihe von israelischen Angriffen im Gazastreifen hat der bewaffnete Flügel der radikalislamischen Hamas-Bewegung mit einer Wideraufnahme seiner Anschläge gegen Israel gedroht. "Die Essedin-El-Kassam-Brigarden werden über den geeigneten Zeitpunkt und Ort entscheiden, um mit aller Macht die verbrecherischen Angriffe Israels zu vergelten", hieß es in einer in Gaza veröffentlichten Erklärung. Die radikale Bewegung hält sich seit eineinhalb Jahren an eine Waffenruhe.
    Die israelische Armee hatte zuvor ihre Angriffe auf den Gazastreifen verschärft. Dabei waren auch sieben Zivilisten an einem Strand im Norden des Gazastreifens getötet worden, unter ihnen drei Kinder. Die Armee kündigte kurz darauf an, ihre Angriffe bis zur Aufklärung des Vorfalls auszusetzen. Ein israelischer Militärsprecher sagte am 9. Juni, nach seinem Wissen hätten israelische Kriegsschiffe auf "palästinensische Ziele" auf dem Strand gefeuert.
    Das russische Außenministerium verurteilte die israelischen Angriffe. Der Tod unschuldiger Zivilisten stehe erneut für den "unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt", hieß es in der Erklärung. Russland rief Israel und die Palästinenser darin zu Zurückhaltung auf, um die bereits gespannte Stimmung in den Palästinensergebieten nicht noch weiter anzuheizen. Russland gehört neben den USA, der UNO und der EU zum sogenannten Nahost-Quartett, das sich für einen Frieden im Nahen Osten einsetzt.
  • Nach dem Tod von mindestens zehn Palästinensern bei israelischen Angriffen im Gazastreifen hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eine dreitägige Trauer ausgerufen. Ab 10. Juni sollten in den Palästinensergebieten die Fahnen auf Halbmast gesetzt werden, teilte das Präsidentenbüro am 9. Juni in Ramallah mit. Bei einem der Angriffe der israelischen Armee waren nach palästinensischen Angaben sieben Zivilisten an einem Strand im Norden des Gazastreifens getötet worden, unter ihnen drei Kinder. Israel kündigte an, die Angriffe bis zur Aufklärung des Vorfalls auszusetzen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat eine genaue Untersuchung des Angriffs am Strand von Gaza gefordert. Er verlangte von allen Seiten äußerste Zurückhaltung, um eine weitere Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Mindestens elf Menschen waren ums Leben gekommen, als ein israelisches Marineboot das Feuer auf den Strand von Gaza eröffnete. Die israelische Armee bedauerte den Vorfall. Die Angriffe seien gegen Positionen gerichtet gewesen, von denen aus Kassam-Raketen auf Israel gefeuert worden seien, hieß es am 10. Juni.
  • Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat einem britischen Pressebericht zufolge das vom palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas geplante Referendum zur Schaffung eines Staates an der Seite Israels als bedeutungslos eingestuft. Der Plan, den Abbas zur Abstimmung stellen wolle, könne nicht Grundlage von Verhandlungen sein, sagte Olmert der Zeitung "Independent" laut einem Vorabbericht vom 9. Juni.
  • Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez hat in einem Schreiben an Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Tod von Zivilisten bei einem israelischen Raketenangriff vom 9. Juni bedauert. Perez habe in dem Schreiben "den Tod unschuldiger Opfer bedauert", sagte sein Sprecher Ilan Ostfeld am 10. Juni in Jerusalem. Er habe zugleich das Angebot erneuert, die Opfer in Israel medizinisch zu betreuen. Der Verteidigungsminister habe in dem Brief "die bewaffneten Palästinensergruppen, die von palästinensischen Ortschaften aus Raketen auf Israel feuern", für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht. Perez habe die palästinensische Autonomiebehörde aufgefordert, die Angriffe zu unterbinden.
  • Der bewaffnete Arm der radikalislamischen Hamas-Bewegung hat nach eigenen Angaben erstmals seit Verkündung einer Waffenruhe vor anderthalb Jahren Raketen auf Israel gefeuert. Als Reaktion auf die israelischen Angriffe vom Freitag seien sieben Raketen auf Israel geschossen worden, darunter eine auf die südisraelische Stasdt Aschkelon, erklärten die Essedin-El-Kassam-Brigaden am 10. Juni in Gaza.
  • Der palästinensische Regierungschef Ismail Hanija hat am 10. Juni seine Landsleute zum Boykott der von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplanten Volksabstimmung aufgefordert. Hanija sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", für die Abhaltung eines Referendums gebe es keine gesetzliche Grundlage. Abbas habe "kein Recht, das Volk zu befragen." Abbas will mit dem für 31. Juli angesetzten Referendum die Hamas-geführte Autonomieregierung dazu zwingen, Israel anzuerkennen. Das Volk soll über ein 18-Punkte-Papier abstimmen, das inhaftierte Palästinenserführer verfasst haben.
  • "Das palästinensische Volk in Jerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen" sei dazu aufgerufen, sich im Zuge einer Volksabstimmung am 26. Juli zum Plan der nationalen Einheit zu äußern, erklärte Abbas in einem Erlass, der in Ramallah am 10. Juni vom Generalsekretär der Autonomiebehörde, Tajeb Abdelrahim, verlesen wurde. Der Plan hat zum Ziel, einen unabhängigen palästinensischen Staat in den 1967 von Israel besetzten Gebieten zu gründen. Die regierende Hamas lehnt den Vorschlag ab, weil er einer indirekten Anerkennung des Staates Israels gleichkäme.
  • Militante Palästinenser haben ihre Raketenangriffe auf israelisches Gebiet fortgesetzt. In der südisraelischen Stadt Sderot wurde ein Mensch durch eine im Gazastreifen abgeschossene Rakete leicht verletzt, wie die israelische Armee am 11. Juni mitteilte. Eine Rakete sei im Industriegebiet der Stadt Aschkelon an der Mittelmeerküste gelandet, hieß es. In der 20.000-Einwohner-Stadt Sderot blieben die Schulen aus Angst vor einer Verstärkung der Angriffe geschlossen, wie das israelische Militärradio berichtete.
  • Am 11. Juni wurde ein kurzzeitig im Westjordanland entführter US-Student von palästinensischen Sicherheitskräften an die israelischen Behörden übergeben. Die Tatsache, dass es sich bei dem entführten Studenten um einen US-Bürger handele, erkläre möglicherweise seine schnelle Freilassung, erklärte die israelische Armee. Der Mann sei in der Nähe von Nablus im Norden des Westjordanlandes übergeben worden und sei unverletzt. In dem Fall werde ermittelt. In einem Anruf bei der Nachrichtenagentur AFP hatte zuvor ein Mann, der sich als Mitglied der El-Aksa-Brigaden ausgab, von der Entführung eines israelischen Studenten berichtet. Er forderte die Freilassung aller palästinensischen Gefangener in Israel.
  • Bei israelischen Luftangriffen im nördlichen Gazastreifen sind am 11. Juni mindestens drei Palästinenser getötet worden. Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, ein Angriff habe sich gegen eine palästinensische Gruppe gerichtet, die von Beit Lahija aus Raketen abgefeuert habe. Palästinensischen Sicherheitskräften zufolge wurden bei den israelischen Luftangriffen zwei Palästinenser getötet, unter ihnen ein örtlicher Chef der Essedin-El-Kassam-Brigaden. Dabei handelt es sich um den bewaffneten Arm der in den Palästinensergebieten regierenden radikalislamischen Hamas-Bewegung. Drei Palästinenser seien bei dem Angriff verletzt worden, hieß es. Im Flüchtlingslager Dschabalija im nördlichen Gazastreifen wurde laut Ärzten bei einem israelischen Luftangriff ein Mitglied der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad getötet.
Montag, 12. Juni, bis Sonntag, 18. Juni
  • Radikale Palästinenser haben nach israelischen Militärangaben in der Nacht zum 12. Juni und am Morgen erneut mindestens sieben Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Bei den Angriffen vom Gazastreifen aus seien keine Schäden entstanden, teilte ein Armeesprecher mit. Am Wochenende waren mindestens 24 selbstgebaute Kassam-Raketen auf israelischem Gebiet eingeschlagen, ein Mann wurde dabei schwer verletzt.
  • Am 12. Juni berichtete das israelische Fernsehen, Israel plane gezielte Angriffe auf politisch Verantwortliche der Hamas, falls sie in den Raketenbeschuss von Israel verwickelt seien. Verteidigungsminister Amir Peretz und Generalstabschef Dan Halutz seien bereit, eine entsprechende Entscheidung zu treffen.
  • Bei einem Zugunglück sind am 12. Juni in Israel mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 71 weitere wurden nach Polizeiangaben verletzt, als ein Passagierzug in der Nähe der Küstenstadt Netanja nördlich von Tel Aviv an einem Bahnübergang mit einem Lastwagen kollidierte. Die Lokomotive und drei Waggons sprangen aus den Gleisen; ein Waggon stürzte um.
  • Das von der Hamas dominierte palästinensische Parlament hat im Machtkampf mit Präsident Mahmud Abbas zunächst auf die angedrohte direkte Konfrontation verzichtet. Es verschob am 12. Juni eine Abstimmung gegen das von Abbas anberaumte Referendum zur indirekten Anerkennung Israels. Damit solle den Gesprächen zwischen der Fatah-Bewegung des Präsidenten und der Hamas noch eine Chance gegeben werden, erklärten Abgeordnete. Das Votum wurde auf den 20. Juni verschoben.
  • Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat seinen Willen bekräftigt, mit den Palästinensern über seinen Plan zur Festlegung der israelischen Grenzen zu verhandeln. Er werde dazu "alle notwendigen Anstrengungen" unternehmen, sagte Olmert nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair am 12. Juni in London. Die Palästinenser würden eine "großartige Gelegenheit" verpassen, wenn sie nicht über den Plan verhandelten, der ein "großzügiger Kompromiss" sei. Olmert bestätigte, dass er in "einigen Wochen" Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen werde. Blair ging in der Pressekonferenz nicht auf die Pläne Olmerts ein, wonach Israel seine Staatsgrenzen mit oder ohne palästinensische Beteiligung festlegen soll. Der britische Premierminister ermutigte Israelis und Palästinenser zu Verhandlungen, die der einzige Weg seien, um in der Situation voranzukommen. Die internationale Gemeinschaft müsse sich dafür einsetzen, dass eine Verhandlungslösung zustande komme.
  • Der israelische Regierungschef Ehud Olmert ändert einem Zeitungsbericht zufolge seinen umstrittenen Plan für die jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Olmert wolle Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in die Pläne einbeziehen, indem er ihm einen vorläufigen Palästinenserstaat vorschlage, berichtete am 13. Juni die israelische Tageszeitung "Haaretz". Er wolle Abbas ein Abkommen anbieten, das einen unabhängigen palästinensischen Staat vorsieht; das Gebiet solle sich über den Gazastreifen und etwa neunzig Prozent des Westjordanlands erstrecken. Im Westjordanland solle die vorläufige Grenze entlang der Sperranlage verlaufen, die Israel baut.
  • Die Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah haben ihren Konfrontationskurs fortgesetzt. Die Hamas widersetzte sich der Anordnung von Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Mahmud Abbas, keine ihrer Milizen mehr im Gazastreifen patrouillieren zu lassen. Im Westjordanland setzten am 13. Juni Fatah-Anhänger das Haus eines Hamas-Abgeordneten in Brand. Mit Tourismusminister Dschudeh Murkos trat der erste Minister der Hamas-dominierten Palästinenserregierung zurück. Die Order zum Abzug der Hamas-Milizen aus dem Gazastreifen könne "Streit säen unter dem palästinensischen Volk", sagte der palästinensische Außenminister Mahmud Sahar, der der Hamas angehört, am Rande eines Besuchs in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er sei überrascht gewesen von Abbas' Anordnung. Die Hamas-Milizen zogen sich lediglich von den großen Kreuzungen von Chan Junis und Rafah zurück, patrouillierten aber weiter auf Nebenstraßen, wie aus dem palästinensischen Innenministerium verlautete. Am Vortag war es zu schweren Zusammenstößen gekommen. Dabei war unter anderem das Parlamentsgebäude in Ramallah in Brand gesteckt worden.
  • Bei einem Raketenangriff auf ein Fahrzeug militanter Palästinenser in Gaza tötete die israelische Luftwaffe am 13. Juni elf Menschen. Etwa 25 Menschen wurden nach Krankenhausangaben verletzt, als die Geschosse in das Auto einschlugen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte den Angriff scharf als israelischen "Staatsterror". Bei den im Gazastreifen getöteten Palästinensern handelte es sich um drei militante Palästinenser, drei Sanitäter, drei Passanten und zwei Kinder. Nach palästinensischen Angaben feuerte die Luftwaffe eine weitere Rakete ab, nachdem sich bereits eine Menge um das getroffene Fahrzeug drängte. Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, das mit Raketen beladene Fahrzeug sei unterwegs zu Angriffen auf israelische Grenzorte gewesen. Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez sagte nach dem Vorfall, Israel bedaure den Tod unbeteiligter Zivilisten.
  • Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez hat am 13. Juni die Verantwortung der Armee für eine Explosion am Strand des Gazastreifens zurückgewiesen, bei der am 9. Juni acht Palästinenser getötet wurden. Es gebe "genügend Beweise" für die Unhaltbarkeit der Behauptung, Israel trage Schuld an dem Vorfall, sagte Perez am Dienstagabend während der Präsentation der Ergebnisse einer Armeeuntersuchung des Vorfalls. Bei dem Angriff im Gazastreifen waren acht Zivilisten getötet worden, darunter eine Familie mit drei Kindern. Die palästinensischen Behörden bleiben jedoch bei der Version, dass der Strand von einer israelischen Granate getroffen wurde.
  • Vertreter von Fatah und Hamas beider Seiten wollten am 14. Juni über eine einvernehmliche Lösung der strittigen Fragen beraten, sagte Palästinenserpräsident Abbas nach einem Treffen mit dem zur Hamas gehörenden Ministerpräsidenten Ismail Hanija und Vertretern anderer Gruppen in Gaza. Grundlage der Verhandlungen ist laut Abbas die so genannte Gefangeneninitiative, die die Schaffung eines palästinensischen Staates in Koexistenz mit Israel vorsieht. Am 26. Juli will Abbas die Palästinenser nach bisheriger Planung gegen den Willen der Hamas-geführten Regierung über den Entwurf abstimmen lassen. Abbas deutete an, dass er auf das von der Hamas abgelehnte Referendum über eine Zwei-Staaten-Lösung mit Israel verzichten könnte. Den Auftakt der Verhandlungsrunde soll ein Gespräch unter vier Augen zwischen Abbas und Hanija bilden.
  • Hunderte Menschen haben am 14. Juni in Ramallah das palästinensische Parlamentsgebäude gestürmt. Nach Augenzeugenberichten handelte es sich um Angestellte, die eine Auszahlung ihres Gehalts fordern. Mehrere Dutzend der Demonstranten konnten den Berichten zufolge in den Plenarsaal vordringen und bewarfen dort Abgeordnete mit Wasserflaschen. "Wir haben Hunger" schrien sie und verlangten nach ihren Gehältern. Nach einem Sitzstreik konnten sie davon überzeugt werden, das Gebäude zu verlassen.
  • Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Israel am 14. Juni zu einer unabhängigen Untersuchung der Explosion an einem Strand des Gazastreifens aufgefordert. Die Organisation meldete Zweifel an der Darstellung der israelischen Armee an, die die Verantwortung gestern offiziell zurückgewiesen hatte. Nach palästinensischen Angaben hatte die israelische Armee den Strand am 9. Juni mit Granaten beschossen und dabei sieben Angehörige einer palästinensischen Familie getötet.
  • Im Nahen Osten gibt es nach Tagen der Gewalt erstmals wieder Anzeichen für Entspannung. Die palästinensische Hamas-Regierung erklärte sich am 15. Juni dazu bereit, die Waffenruhe mit Israel wieder einzuhalten. Israel stellte im Gegenzug eine Einstellung seiner Angriffe auf Hamas-Mitglieder in Aussicht. Die Bereitschaft zur neuerlichen Waffenruhe wurde von Hamas-Sprecher Ghasi Hamad im israelischen Rundfunk verkündet. Ministerpräsident Hanija und Hamas-Führer Chaled Maschaal hätten ein Ende der Raketenangriffe angeordnet. Der israelische Außenamtssprecher Mark Regev erklärte, wenn alles ruhig bleibe, werde sich auch Israel ruhig verhalten.
  • Auf Antrag zweier palästinensischer Dörfer hat Israels Oberstes Gericht den Abriss eines rund fünf Kilometer langen Teilstücks der Sperranlage zum Westjordanland angeordnet. Die Richter bemängelten laut Berichten vom 15. Juni, der Staat habe ihnen nicht alle Gründe dafür genannt, warum die Sperranlage in palästinensisches Gebiet hineinragt. Sie gaben der Regierung sechs Monate Zeit, den Verlauf des Sperrwalls zu korrigieren. Im konkreten Fall hatte die Sperranlage die jüdische Siedlung Zofim im Norden des Westjordanlands sowie rund hundert Hektar Land der beiden palästinensischen Dörfer Asun und Nebi Elias israelischem Staatsgebiet zugeschlagen. Die israelische Menschenrechtsbewegung B'Tselem begrüßte das Urteil: Es zeige, dass der Staat "lügt", wenn er behaupte, die Sperranlage "allein aus Sicherheitserwägungen" zu bauen.
  • Israelische Soldaten haben am 15. Juni an der Grenze des Gazastreifens zu Israel nach Angaben palästinensischer Ärzte drei Palästinenser erschossen. Ein israelischer Armeesprecher sagte, die drei Männer hätten im Grenzgebiet einen Sprengsatz platzieren wollen. Augenzeugen zufolge gehörten die drei der Palästienserorganisation Islamischer Dschihad an.
  • In einem offenen Brief haben 18 israelische Intellektuelle die Angriffe der israelischen Armee auf palästinensische Zivilisten scharf kritisiert. "Es ist unmoralisch und politisch kontraproduktiv, die palästinensische Bevölkerung unter Druck zu setzen und Kollektivstrafen zu unterziehen, weil man den Terrorismus bekämpfen will", erklärten die renommierten Autoren in ihrem am 15. Juni veröffentlichten Schreiben an Verteidigungsminister Amir Perez. "Nicht jedes Mittel ist recht, um Israel gegen Raketenangriffe und blutige Selbstmordanschläge zu verteidigen."
  • Anhänger der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas haben ein Nebengebäude des palästinensischen Parlaments in Tulkarem im Westjordanland verwüstet. Mitglieder der El-Aksa-Brigaden hätten am 15. Juni das Gebäude gestürmt, das unter der Kontrolle der rivalisierenden Hamas stehe, sagte ein Sprecher der Sicherheitskräfte.
  • Trotz des Angebots der Hamas-Regierung zur Fortsetzung des Waffenstillstands mit Israel sind am 16. Juni wieder Raketen vom Gazastreifen auf israelisches Territorium abgefeuert worden. Die fünf Geschosse richteten nach israelischen Militärangaben keinen Schaden an. Kabinettsminister Haim Ramon warnte jedoch, dass Israel mit einer erweiterten Offensive reagieren könnte.
  • Die israelischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben am Abend des 16. Juni im Gazastreifen erneut militante Palästinenser in einem Auto aus der Luft angegriffen. Dabei wurden ein Palästinenser getötet und zwei verletzt, wie palästinensische Sanitäter mitteilten.
  • Die EU hat am 18. Juni die Einigung des Nahost-Quartetts auf einen Hilfsfonds für die Palästinenser begrüßt. Das Nahost-Quartett aus USA, EU, UNO und Russland hat eine Einigung über den von der Europäischen Union vorgeschlagenen Hilfsfonds für die notleidenden Palästinenser erzielt. In einer Erklärung der Gruppe heißt es, das Nahoastquartett habe "dem Vorschlag der EU für einen vorübergehenden, in Umfang und Dauer begrenzten internationalen Mechanismus zugestimmt". Der Zahlungsmechanismus soll ermöglichen, Hilfsgelder an der von der radikalislamischen Hamas geführten Regierung vorbei direkt der palästinensischen Bevölkerung zukommen zu lassen. Die EU hatte sich zuvor darauf verständigt, die palästinensische Bevölkerung mit 100 Millionen Euro Direkthilfe zu unterstützen, die in einen Hilfsfonds einfließen sollen.
Montag, 19. Juni, bis Sonntag, 25. Juni
  • Israel will offenbar den gesamten Verlauf des umstrittenen Grenzwalls zum Westjordanland auf den Prüfstand stellen. Verteidigungsminister Amir Perez habe eine Überprüfung angeordnet, gab sein Büro am 19. Juni bekannt. Dabei sollten die Bedenken der Palästinenser stärker berücksichtigt werden. Die Zeitung "Haaretz" berichtete, der gesamte Verlauf solle überprüft werden, einschließlich der bereits gebauten Teile des 760 Kilometer langen Zauns. Arbeitspartei-Politiker Perez wolle die Grenzanlage unter dem Sicherheitsaspekt neu bewerten, sie solle nicht als Mittel zur Erweiterung israelischen Gebietes oder zur Zementierung von Gebietsansprüchen dienen, hieß es weiter. Bei einer Neubewertung ausschließlich unter Gesichtspunkten der Sicherheit erwarten Beobachter Änderungen in mehreren Abschnitten. Vor allem in der Region Jerusalem könnte in diesem Fall der Grenzverlauf geändert werden, sagte Schaul Arieli, Gutachter für den Obersten Gerichtshof, im Armeerundfunk.
  • Die von der Hamas geführte palästinensische Regierung hat am 19. Juni tausenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes einen Teil des seit Monaten ausstehenden Lohns ausbezahlt. Sie erhielten umgerechnet rund 235 Euro, etwas weniger als ein Monatslohn. In den vergangenen Tagen waren immer wieder Minister der international isolierten und deshalb finanziell fast handlungsunfähigen Hamas-Regierung mit Koffern voller Geld aus dem Ausland zurückgekehrt. Wie das Finanzministerium mitteilte, bekamen am Montag 91.000 Beschäftigte Geld, die zwischen 1.500 und 2.500 Schekel im Monat verdienen. Schon zu Monatsbeginn wurde Geld an diejenigen ausgezahlt, die weniger als 1.500 Schekel verdienen.
    Die Schwierigkeiten für die Hamas-Regierung aufgrund des ausländischen Boykotts zeigten sich auch bei der Auszahlung der Gelder. Diese mussten über ein besonderes Postkonto ausgezahlt werden, da sich die örtliche Banken weigerten, weil sie gegen internationale Anti-Terror-Gesetze verstoßen könnten.
  • Die israelische Koalition hat am 19. Juni fünf Misstrauensanträge der Oppositionsparteien abgewiesen. Vier der Eingaben gegen die Regierung von Ministerpräsident Ehud Olmert betrafen die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten. Olmerts Bündnis verfügt über 67 der 120 Sitze in der Knesset.
  • Die Palästinenser stehen mehrheitlich hinter dem Fatah-Dokument, in dem Israel indirekt anerkannt wird. Das geht aus einer am 19. Juni veröffentlichten Umfrage eines unabhängigen palästinensischen Forschungszentrums hervor. Demnach befürworten fast 75 Prozent das von prominenten palästinensischen Gefangenen ausgearbeitete Papier, das einen palästinensischen Staat an der Seite Israels fordert. Für die Erhebung wurden 1.270 Erwachsene befragt. In einem Referendum, wie es Präsident Mahmud Abbas für den 26. Juli angesetzt hat, würden allerdings nur 47 Prozent dafür stimmen, wie das Palästinensische Zentrum für Politik und Umfrageforschung berichtete. "Die Botschaft an Abbas ist, auf das Referendum zu verzichten», sagte der Meinungsforscher Chalil Schikaki. «Und die Botschaft an die Hamas ist, das Dokument anzuerkennen." Die von der Hamas geführte Regierung hat dies bislang abgelehnt. Die radikale Organisation Islamischer Dschihad wies das "Dokument der Gefangenen", wie sie es nannte, am Montag zurück - eben weil es Israel indirekt anerkennen würde. Der Islamische Dschihad werde es nicht unterzeichnen, sagte ein Sprecher in Gaza.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israel haben Extremistengruppen im Gazastreifen eindringlich aufgefordert, die Raketenangriffe auf israelisches Territorium einzustellen. Eine Fortsetzung des Beschusses könnte einen israelischen Angriff auf den Gazastreifen nach sich ziehen, für den die Extremisten "die volle Verantwortung" trügen, hieß es in einer Erklärung von Abbas vom 20. Juni. Alle bewaffneten Palästinensergruppen müssten sich wieder an die im vergangenen Jahr vereinbarte Waffenruhe halten.
  • Bei einem israelischen Raketenangriff im Gazastreifen sind nach Krankenhausangaben zwei Kinder und eine Jugendliche getötet worden. Neun Menschen seien verletzt worden. Die israelischen Streitkräfte erklärten, sie bedauerten, wenn Zivilpersonen getroffen worden seien. Sie hätten bei ihrem Luftangriff am 20. Juni im Flüchtlingslager Dschebalja auf ein Auto gezielt, in dem Mitglieder der Al-Aksa-Märtyrerbrigaden gesessen hätten. Die Insassen des Autos flohen nach Berichten von Augenzeugen noch vor dem Angriff aus dem Fahrzeug. Die getöteten Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren spielten in der Nähe. Hunderte aufgebrachte Palästinenser versammelten sich nach dem Angriff um das zerstörte Auto.
    Israels Armee hat den Tod von drei Kindern bei dem Raketenangriff bedauert. Die Gruppe, der der Angriff im Gazastreifen gegolten habe, sei mit der Planung von Anschlägen auf Israel beschäftigt gewesen, sagte ein Militärsprecher am 20. Juni. Die militanten Palästinensergruppen und die radikalislamische Hamas-Regierung seien letztlich dafür verantwortlich, dass Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen würden.
  • Nach dem jüngsten israelischen Luftangriff auf den Gazastreifen hat UN-Generalsekretär Kofi Annan Israel aufgerufen, internationales Recht einzuhalten. Er bedauere den Tod von drei Kindern und die Verletzungen, die andere Passanten bei dem Versuch der israelischen Armee erlitten hätten, mutmaßliche Extremisten gezielt zu töten, erklärte Annan am 21. Juni. Israel solle alles tun, damit seine Aktionen angemessen blieben und nicht das Leben von Zivilisten in große Gefahr brächten, hieß es in der in Genf verbreiteten Erklärung weiter. Die russische Regierung verurteilte den Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten als "unzulässig".
  • Die USA und die EU haben die von der radikal- islamischen Hamas geführte Palästinenser-Regierung aufgefordert, der Gewalt gegen Israel abzuschwören. Im Entwurf der Abschlusserklärung des EU-USA-Gipfels in Wien heißt es, Hamas müsse die Existenz Israels anerkennen. Die EU und die USA riefen Israel auf, die humanitäre Krise in den Palästinensergebieten lindern zu helfen. (dpa, 21. Juni)
  • Zum zweiten Mal binnen zwei Tagen hat bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen ein Geschoss sein Ziel verfehlt und statt palästinensischer Extremisten unbeteiligte Zivilpersonen in den Tod gerissen. Beim jüngsten Angriff wurde am 21. Juni ein Haus in Chan Junis getroffen. Ein Mann und eine Frau kamen ums Leben, 13 weitere Menschen wurden verletzt, darunter sechs Kinder, wie palästinensische Ärzte mitteilten. Augenzeugen berichteten, der Angriff habe offenbar einem auf der Straße vor dem Haus fahrenden Auto gegolten. Die darin sitzenden militanten Palästinenser seien beim Einschlag der Rakete jedoch aus dem Fahrzeug gesprungen und in ein Feld geflüchtet. Die israelischen Streitkräfte bestätigten, dass die Luftwaffe gegen eine "militante Zelle" vorgegangen sei.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erkennt bei der regierenden radikalislamischen Hamas wachsende Bereitschaft für eine indirekte Anerkennung Israels. Israel wolle, dass die Hamas die Zwei-Staaten-Lösung auf Basis der so genannten Roadmap, des internationalen Friedensplans, akzeptiere, sagte Abbas am 21. Juni in der jordanischen Stadt Petra. Noch sträube sich die Hamas, aber möglicherweise stimme sie dem schon "in den kommenden Tagen" zu. Dafür "gibt es Anzeichen", sagte Abbas in einem Gespräch mit Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel vor einem Auditorium aus anderen Friedensnobelpreisträgern und Journalisten.
  • Die internationale Rot-Kreuz-Bewegung hat die Aufnahme der Partnerorganisationen aus Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten beschlossen. Eine entsprechende Änderung der Statuten wurde in der Nacht zum 22. Juni nach komplizierten Beratungen von rund 1.400 Delegierten bei einer Sitzung in Genf beschlossen. Für die Änderung der Statuten stimmten 237 Delegationen, dagegen 54. Es gab 18 Enthaltungen. Damit wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit übertroffen.
    Neben Rotem Kreuz und Rotem Halbmond wird nun der Rote Kristall als Symbol eingeführt, ein auf der Spitze stehendes rotes Quadrat auf weißem Grund. Die israelische Partnerorganisation des Roten Kreuzes, Magen David Adom (MDA, Roter Schild Davids), bemühte sich seit den 1930er Jahren um den Beitritt zur internationalen Rotkreuz-Bewegung. Mit ihr wird auch die Palästinensische Rote-Halbmond-Gesellschaft aufgenommen. Muslimische Vertreter hatten am 20. Juni die Rechtsbeständigkeit des Treffens in Genf in Frage gestellt und damit unerwartet für Hindernisse gesorgt.
    In Israel sind Krankenwagen und medizinisches Personal mit einem roten Davidstern gekennzeichnet. Weil der jüdische Staat das Rote Kreuz der christlichen Länder ebenso ablehnte wie den Roten Halbmond der islamischen Welt, war dem MDA die Aufnahme in die Rotkreuz-Bewegung bislang verwehrt. Gegen den Davidstern aber gab es massive Vorbehalte der arabischen Mitglieder. Der Rote Kristall als neues Emblem ist frei von jeder religiösen, nationalen oder kulturellen Assoziation.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat den Tod von drei palästinensischen Kindern durch einen israelischen Raketenangriff scharf kritisiert. Annan ermahne Israel erneut, das Völkerrecht zu respektieren und sicherzustellen, dass sein Vorgehen angemessen ist. Das erklärte ein UN-Sprecher am 22. Juni. Dem Angriff des israelischen Militärs im Gazastreifen waren am 20. Juni ein sechsjähriger Junge, ein fünfjähriges Mädchen und ein 15-Jähriger zum Opfer gefallen. Außerdem wurden mindestens zwölf Passanten verletzt.
    Der Leiter der politischen UN-Abteilung, Untergeneralsekretär Ibrahim Gambari, erklärte, im vergangenen Monat seien dem israelisch-palästinensischen Konflikt 49 Palästinenser zum Opfer gefallen, 259 weitere seien verletzt worden. Im selben Zeitraum sei ein Israeli getötet worden, 18 weitere hätten Verletzungen erlitten. Die Vereinten Nationen hätten 176 Raketenangriffe militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen registriert.
  • Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat sich beim palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas für die zivilen Opfer der jüngsten Luftangriffe im Gazastreifen entschuldigt. Bei der Begegnung am Rande einer internationalen Konferenz in der historischen jordanischen Stadt Petra erklärte Olmert am 22. Juni ferner, ein ausführliches Treffen der beiden Politiker sei in einigen Wochen möglich.
    Luftwaffenchef Elieser Schakedi erklärte indessen, die gezielten Angriffe auf Extremisten würden fortgesetzt. Die Attacken aus der Luft seien die beste Alternative zu einer groß angelegten Bodenoffensive und im Großen und Ganzen auch akkurat, sagte Schakedi am 22. Juni im israelischen Armeerundfunk. Zwar müsse alles getan werden, um zivile Opfer zu vermeiden. Aber: «Wir müssen den Terrorismus bekämpfen, und genau das tun wir.»
  • Nach neuerlichem Raketenbeschuss israelischen Territoriums hat ein Knesset-Abgeordneter eine neue Bodenoffensive im Gazastreifen gefordert. Diese müsse mehrere Wochen dauern, um die Infrastruktur der Terroristen ein für alle Mal zu zerschlagen, sagte der Likud-Politiker Juval Steinitz, früherer Vorsitzender des außen- und verteidigungspolitischen Parlamentsausschusses, am 23. Juni dem Rundfunksender Israel Radio. In der Nacht hatten militante Palästinenser abermals drei Raketen auf Israel abgefeuert, die aber offenbar keinen Schaden anrichteten.
  • Die israelische Armee hat nach palästinensischen Angaben zwei Palästinenser im Gazastreifen verschleppt. Die beiden Männer seien bei einem Vorstoß der Armee in der Nacht zum 24. Juni von Soldaten aus ihrem Haus im Ort Um Nasser weggebracht worden, hieß es aus palästinensischen Sicherheitskreisen. Die israelische Armee teilte mit, die Palästinenser seien Mitglieder einer "Hamas-Zelle" und hätten für die kommenden Tagen ein Attentat in Israel geplant. Die beiden Männer seien zur weiteren Vernehmung nach Israel gebracht worden. Es ist die erste derartige Militäraktion im Gazastreifen, seitdem sich Israel im vergangenen Jahr aus dem Gebiet zurückgezogen hatte.
  • Militante Palästinenser sind laut AP am 25. Juni auf israelisches Gebiet vorgedrungen und haben dort einen Grenzposten angegriffen. Bei dem Gefecht wurden nach Angaben von beiden Seiten zwei Israelis und drei Palästinenser getötet. Mindestens fünf israelische Soldaten wurden verwundet. Die militanten Volkswiderstandskomitees (PRC) bekannten sich zu dem Angriff und erklärten, die Leiche eines getöteten Israelis sei entführt worden.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat den tödlichen Angriff militanter Palästinenser auf israelische Soldaten an der Grenze zum Gazastreifen verurteilt. Abbas sagte, die Tat verstoße gegen Vereinbarungen der verschiedenen palästinensischen Fraktionen. Er forderte die militanten Palästinenser dazu auf, einen israelischen Soldaten freizulassen, den sie verschleppt hatten. Israel werde sonst mit sehr harten Schlägen gegen die Palästinenser reagieren.
  • Die israelische Regierung hat schwere Vergeltung für den Fall angekündigt, dass einem entführten israelischen Soldaten etwas angetan wird. Israel werde sich an allen Beteiligten einschließlich der Anführer rächen, sollte der Soldat verletzt werden, sagte Verteidigungsminister Amir Perez am 25. Juni in Jerusalem. Alle Beteiligten müssten wissen, "dass der Preis hoch ist". Der israelischen Armee zufolge wurde der 20-jährige Soldat bei dem Angriff auf einen Militärposten im südlichen Gazastreifen am Morgen des 25. Juni entführt, bei dem zwei israelische Soldaten ums Leben kamen. Unter anderem hatten sich die Essedin-El-Kassam-Brigaden und die radikalislamische Hamas-Regierung zu dem Angriff bekannt.
Montag, 26. Juni, bis Freitag, 30. Juni
  • Nach der Verschleppung eines israelischen Soldaten durch militante Palästinenser im Gazastreifen hat sich die Lage in Nahost dramatisch zugespitzt. Um für eine Bodenoffensive vorbereitet zu sein, ließ die israelische Armee am 26. Juni am Rande des Gazastreifens Truppen aufmarschieren. Israel drohte gleichzeitig Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit dem Abbruch der Beziehungen, sollte der 19-jährige Gilad Schalit nicht freikommen.
  • Israels Regierungschef Ehud Olmert hat die Freilassung palästinensischer Häftlinge ausgeschlossen, um den entführten israelischen Soldaten freizubekommen. Eine Freilassung der Häftlinge stehe "überhaupt nicht auf der Tagesordnung der israelischen Regierung", sagte Olmert am 26. Juni in Jerusalem. Es werde "keine Verhandlungen, keinen Kuhhandel und kein Abkommen" in diesem Fall geben. Zudem bekräftigte der Regierungschef seine militärische Drohung. Der Augenblick eines groß angelegten Militäreinsatzes rücke näher, "wir warten nicht unbegrenzt", sagte er. Israel lasse sich nicht von der radikalislamischen Hamas erpressen.
  • Die israelische Armee hat nach der Entführung eines Soldaten den Gazastreifen komplett abgeriegelt. Eine israelische Militärsprecherin bestätigte am 27. Juni, alle Übergänge in das autonome Palästinensergebiet am Mittelmeer seien vollständig geschlossen. Es gebe auch keine Ausnahmen für humanitäre Fälle und die Einfuhr von Medikamenten. Am Rande des Gazastreifens standen am 26. Juni weiter israelische Truppen für eine mögliche Bodenoffensive bereit.
  • Die palästinensische Hamas-Bewegung hat sich erstmals implizit zur Anerkennung Israels bereit erklärt. Nach zähen Verhandlungen stimmten die rivalisierenden Palästinensergruppen am 27. Juni einem Abkommen zur nationalen Einigung zu, das von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zur Grundlage einer Friedensregelung erklärt wurde.
    "Mit der Beteiligung von Vertretern aller islamischen und nationalen Kräfte, der Zivilgesellschaft und des privaten Sektors haben wir ein Versöhnungsabkommen beschlossen", sagte der Vertreter der Einigungsinitiative, Ibrahim Abu Nadscha, in Gaza. Ohne Einzelheiten zu nennen, sprach er von gewissen Änderungen gegenüber der so genannten Gefangeneninitiative, die von Präsident Abbas verfochten wird.
    Im Kern sieht der Plan, der nur von der Gruppe Islamischer Dschihad nicht anerkannt wurde, die Schaffung eines palästinensischen Staates im Gazastreifen und im Westjordanland vor. Unausgesprochen wird das Existenzrecht Israels anerkannt. Der Text wurde von führenden palästinensischen Politikern ausgearbeitet, die in Israel einsitzen. Abbas hatte gedroht, er werde zu der Initiative ein Referendum ansetzen, wenn sie von der Hamas-Regierung nicht mitgetragen werde.
  • Die US-Regierung nahm die Nachricht vom Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen den Palästinenserfraktionen mit Zurückhaltung auf. Die bisherigen Verlautbarungen über das Abkommen zur nationalen Einigung seien "vage", sagte Präsidentensprecher Tony Snow in Washington. Die USA hielten an ihren Forderungen an die in den Palästinensergebieten regierende Hamas fest: der Anerkennung des Existenzrechts Israels, dem Verzicht auf Gewalt und der Anerkennung bisheriger Friedensvereinbarungen.
    Israel bezeichnete den Sinneswandel der Hamas als "interne Angelegenheit" der Palästinenser. "Wir konzentrieren uns auf eine Sache - das Schicksal des Soldaten Gilad Schalit", sagte ein Regierungssprecher.
  • Zwei Tage nach dessen Entführung zog die israelische Armee am Rande des Gazastreifens 5.000 Soldaten zusammen. Die israelischen Truppen waren in der Nähe des Kibbuz Nahal Os nur wenige hundert Meter von palästinensischem Gebiet stationiert. Dem Militärrundfunk zufolge waren zwei Infanterieregimenter und zwei Panzerbataillone im Einsatz. Aus Sorge um das Leben des entführten Soldaten habe die Armeespitze noch nicht den Grenzübertritt befohlen, hieß es. Israel schließt Verhandlungen mit den palästinensischen Geiselnehmern aus. Die UNO, EU und USA äußerten sich besorgt über die Eskalation der Lage.
  • Auf der Suche nach einem verschleppten Kameraden sind am 28. Juni tausende israelische Soldaten in den Gazastreifen eingedrungen. Die Bodenoffensive wurde von Luftangriffen auf Brücken, ein Kraftwerk und mutmaßliche Ausbildungslager der Hamas begleitet. Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte, zur Befreiung des 19-jährigen Gilad Schalit werde seine Regierung auch vor "extremen Aktionen" nicht zurückschrecken. "Wir haben nicht vor, Gaza wieder zu besetzen. Wir haben ein Ziel, und das ist, Gilad heimzubringen", erklärte Olmert. Der Militäreinsatz ist die erste Bodenoffensive im Gazastreifen, seit nach der Aufgabe der jüdischen Siedlungen in dem Autonomiegebiet am 20. September auch die letzten israelischen Truppen abzogen.
    Angesichts der Militäroperation bot die Hamas-geführte palästinensische Regierung einen Gefangenenaustausch an. Das palästinensische Informationsministerium erklärte in einer Stellungnahme, ein Gefangenenaustausch sei ein logischer Schritt, den die israelische Regierung in der Vergangenheit schon mehrfach mit der Hisbollah und der PLO vollzogen habe. Militärischer Druck werde nicht zur Freilassung des Soldaten führen.
    Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas verurteilte die Angriffe als "Kollektivstrafe und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
  • Wegen des Luftangriffs auf das einzige Elektrizitätswerk im Gazastreifen fiel in weiten Teilen des Autonomiegebiets der Strom aus. Israelische Kampfjets bombardierten auch drei Brücken, die den nördlichen Teil des Gazastreifens mit dem Süden verbinden. Nach israelischen Militärangaben sollte damit verhindert werden, dass die Entführer Schalits ihre Geisel an einen anderen Ort bringen oder nach Ägypten fliehen.
    Die israelischen Soldaten und Panzer bezogen östlich der Stadt Rafah Stellung. Die Bewohner verschanzten sich in Erwartung einer Offensive hinter Mauern und Sandwällen. Viele versorgten sich mit Lebensmitteln, Wasser, Batterien und Kerzen.
  • Angesichts der jüngsten Verschärfung im Nahost-Konflikt haben die USA Israel zur Zurückhaltung aufgerufen. Das Leben unschuldiger Zivilpersonen dürfe nicht gefährdet werden, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow, am 28. Juni in Washington. Auch die "unnötige Zerstörung von Eigentum und Infrastruktur" solle vermieden werden. Zugleich rief Snow die palästinensische Hamas-Regierung auf, die Gewalt zu stoppen.
  • Nach der Entführung eines Soldaten hat die israelische Armee am 29. Juni acht Hamas-Minister und dutzende weitere palästinensische Funktionäre in ihre Gewalt gebracht. Bei Razzien im Westjordanland und in Ost-Jerusalem seien insgesamt mehr als 60 Hamas-Funktionäre festgenommen worden, sagte ein israelischer Offizier. Die israelische Armee weitete ihre Militäroffensive auf den Norden des Gazastreifens aus.
    Neben den Kabinettsmitgliedern nahm die israelische Armee etliche Abgeordnete, Bürgermeister und andere Funktionäre der regierenden Hamas fest. Die radikalislamische Bewegung sei in den Terrorismus verwickelt, auch in die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit, erklärte das israelische Außenministerium.
    Einen Tag nach Beginn der Militäroffensive "Sommerregen" im südlichen Gazastreifen waren in der Nacht zum 29. Juni rund 30 israelische Panzer in den Norden des Gebiets vorgerückt. Die Artillerie setzte ihren Beschuss gegen die nördlichen Teile des Gazastreifens fort. Bei einem gezielten Luftangriff in Gaza auf zwei "Extremisten" des Islamischen Dschihad blieben die beiden Männer unversehrt.
  • Bei einer "Suchaktion" in Ramallah im Westjordanland fand die israelische Armee die Leiche des am Wochenende entführten jüdischen Siedlers Eliahu Ascheri. Die radikalen Komitees für den Volkswiderstand bekannten sich zu der Ermordung des 18-Jährigen. Er sei getötet worden, weil Israel "seine Aggression im Gazastreifen" fortsetze.
  • In Israel kritisierten Oppositionelle und arabische Politiker die Großoffensive. Diese müsse sofort gestoppt werden, forderte etwa Jossi Beilin von der Merez-Partei am 29. Juni. Kritik kam auch aus arabischen Ländern. In Rafah im Gazastreifen gingen laut AFP rund 2.000 Menschen auf die Straße, um ihre Unterstützung für die Hamas zu demonstrieren. In Ramallah nahmen an einer Kundgebung etwa 500 Menschen teil.
  • Das Ausland zeigte sich tief besorgt über die neuerliche Eskalation. Beide Seiten müssten Verantwortung beweisen, um die Ruhe wiederherzustellen, sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice nach einem Treffen der G-8-Außenminister in Moskau. "Die gegenwärtige Krise zeigt, wie notwendig ein Kampf aller Gruppierungen in Palästina gegen den Terrorismus ist. Wir appellieren an die Regierung der palästinensischen Autonomie und an alle Gruppierungen, der israelischen Geisel die Freilassung zu gewähren", sagte Condoleezza Rice. Außerdem hob sie hervor, dass die Außenminister der G8 auf eine unverzügliche Regelung im Nahen Osten auf der Grundlage des Prinzips einer Anerkennung von zwei Staaten - Palästina und Israel - hoffen. "Wir haben die Notwendigkeit einer Lösung bekräftigt, welche auf dem Zwei-Staaten-Prinzip beruht", sagte Condoleezza Rice. "Wir hoffen, dass beide Seiten sich wieder den Grundsätzen der Road Map zuwenden", ergänzte sie. Schließlich äußerte sie die Hoffnung, dass die palästinensische Regierung "Partner im Kampf für Frieden wird, das Existenzrecht Israels anerkennt und dem Terrorismus Einhalt gebietet".
    Das G-8-Außenminister-Treffen in Moskau appellierte in einer Abschlusserklärung an die palästinensische Führung, die "terroristische Gewalt" zu beenden. EU-Kommissar Louis Michel warnte vor einer Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen.
    Von Kritik an der israelischen Offensive berichteten die Agenturen nichts.
  • Die israelische Luftwaffe hat in der Nacht zum 30. Juni weitere Ziele im Gazastreifen bombardiert, darunter das palästinensische Innenministerium in Gaza. Wie Augenzeugen berichteten, wurden zwei Raketen auf das Ministerium abgeschossen. Das Gebäude wurde schwer beschädigt und stand in Flammen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Ein Luftangriff in der Nähe des Flüchtlingslagers Nusseirat habe einem Posten der palästinensischen Sicherheitskräfte gegolten, teilten Sicherheitskräfte und Augenzeugen mit. Verletzt wurde demnach niemand. Ein Armeesprecher sagte, die Luftwaffe habe am Abend des 29. Juni fünf Angriffe geflogen, vier im Inneren des Palästinensergebietes und einen weiteren im Norden. Die Soldaten hätten nur unbewohnte Gebiete bombardiert; mit den Angriffen solle verhindert werden, dass die Entführer des israelischen Soldaten Gilad Schalit "sich bewegen" könnten.
  • Die radikalislamische Palästinenserbewegung Hamas ist dem ägyptischen Staatschef Husni Mubarak zufolge unter Bedingungen bereit, den entführten israelischen Soldaten freizulassen. Ägypten habe etliche Kontakte geknüpft, darunter auch zu ranghohen Mitgliedern der Hamas, die "positive Ergebnisse" erbracht hätten, sagte Mubarak der Zeitung "El Ahram" (30. Juni). Die Hamas-Bewegung sei bereit, "den israelischen Soldaten unter Bedingungen baldmöglichst freizulassen, damit die Lage nicht eskaliert". Israel habe diese Bedingungen aber "bislang nicht angenommen". Er selbst habe mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Israels Regierungschef Ehud Olmert, dem syrischen Präsidenten Baschar el Assad und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac gesprochen. Der Soldat hat auch die französische Staatsbürgerschaft.
  • Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats haben am 30. Juni die israelische Militäroffensive im Gazastreifen als "unverhältnismäßig" kritisiert. Sie sprachen jedoch auf einer Sitzung in New York jeweils nur für ihr eigenes Land. Der Sicherheitsrat selbst bezog nicht Stellung. Der französische UN-Botschafter Jean-Marc de La Sablière rief Israel zu "größter Zurückhaltung" auf. Der britische Botschafter Emyr Jones Parry erinnerte die israelische Regierung daran, dass sie nicht gegen das Völkerrecht verstoßen dürfe.



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