Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Januar 2006

Chronologie der Ereignisse

Sonntag, 1. Januar, bis Sonntag, 8. Januar
  • Bewaffnete und maskierte Palästinenser haben in der Nacht zum 1. Jan. einen Club für Angestellte der UNO in Gaza überfallen und das Gebäude anschließend in die Luft gesprengt. Die Aktivisten hatten zuvor den Wachmann des Clubs gefesselt, geschlagen und dann verjagt, wie aus palästinensischen Sicherheitskreisen verlautete. Zum UNO-Club in Gaza, einem Restaurant mit Bar und Tischtennis-Saal an der Mittelmeerküste, haben nur Ausländer Zutritt. Der Club liegt nur wenige Meter vom Büro von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Gaza entfernt. Zunächst bekannte sich keine bewaffnete Palästinensergruppe zu dem Überfall.
  • Nach dem Ablauf einer Waffenruhe um Mitternacht haben sich am 1. Jan. drei Palästinenserorganisationen vom Gazastreifen aus Raketen auf den Süden Israels geschossen. Die El-Aksa-Brigaden und der bewaffnete Arm des Islamischen Dschihad teilten in einer gemeinsamen Erklärung mit, sie hätten wenige Stunden nach Mitternacht Raketen auf die israelische Stadt Sderot abgefeuer. Dabei sei niemand verletzt worden. In einer getrennten Erklärung teilte auch die Palästinenserorganisation Komitee des Volkswiderstands mit, es habe Raketen auf israelische Militärposten und einen Kibbuz abgeschossen.
  • Einen Tag nach der Freilassung von drei britischen Geiseln haben bewaffnete Palästinenser am 1. Jan. im Gazastreifen einen italienischen Friedensaktivisten entführt. Wie Sicherheitskräfte und Zeugen berichteten, wurde der Mann kurz nach seiner Ankunft in der Stadt Chan Junis in einen Wagen gezerrt und verschleppt. Nach Angaben des palästinensischen Innenministeriums nahmen Sicherheitskräfte die Verfolgung des Wagens auf. An mehreren Stellen in und außerhalb der Stadt wurden Straßensperren errichtet.
  • Die Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die Teilnahme der Palästinenser in Ost-Jerusalem an den Parlamentswahlen zur Vorbedingung für das Abhalten des im Januar geplanten Urnengangs gemacht. Das Zentralkomitee der Fatah schloss sich nach Angaben aus Teilnehmerkreisen am Abend des 1. Jan. nach einer Dringlichkeitssitzung offiziell der Position von Abbas an. Dieser hatte zuvor bei einem Besuch in Abu Dhabi erklärt, die Wahlen seien eine "heilige und nationale Angelegenheit" für die Palästinenser. Es sei nicht akzeptabel, wenn die in Jerusalem lebenden Palästinenser von den Wahlen ausgeschlossen blieben. Israel habe in dieser Frage bislang noch nicht klar Stellung bezogen, kritisierte Abbas.
  • Die israelische Luftwaffe hat am frühen Morgen des 2. Jan. eine Rakete auf ein Gebäude der Palästinenserbewegung Fatah in Chan Junis im südlichen Gazastreifen abgefeuert. Dabei wurde nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen niemand verletzt. Nach Angaben der israelischen Armee richtete sich der Raketenangriff gegen ein "terroristisches" Zentrum in Chan Junis. Radikale Palästinensergruppierungen hatten sich am Wochenende zu mehreren Raketenangriffen auf das israelische Territorium bekannt.
  • Bewaffnete Palästinenser haben am 2. Jan. im Gazastreifen mehrere Regierungsgebäude und Parlamentsbüros umstellt. Etwa sechzehn Männer, bei denen es sich laut Augenzeugen mehrheitlich um Polizisten handelte, bezogen in Rafah im Süden vor einem Gebäude Stellung, in dem religiöse und Justizeinrichtungen sowie Büros des Innenministeriums und des Parlaments untergebracht sind. Die Männer in Rafah forderten die Festnahme des mutmaßlichen Mörders eines ihrer Kollegen, der am 29. Dez. in Gaza erschossen wurde. Bereits am 30. Dez. hatten Polizisten aus demselben Grund den Grenzübergang Rafah an der Grenze zu Ägypten blockiert. Im Gazastreifen herrschen seit Wochen konfuse Zustände.
  • Bei einem israelischen Luftangriff sind am Abend des 2. Jan. im Gazastreifen drei Mitglieder der radikalen Palästinenserbewegung Islamischer Dschihad getötet worden. Eine Rakete habe das Auto mit den drei Männern im Flüchtlingslager Dschabalija getroffen, teilten palästinensische Sicherheitskreise mit. Unter den Toten sei auch der lokale Führer des militärischen Arms des Islamischen Dschihad, der El-Kods-Brigaden, gewesen. Die Rakete wurde den Angaben zufolge von einer ferngesteuerten Drohne aus abgefeuert. Ein israelischer Armeesprecher bestätigte den Angriff. Er habe sich gegen einen Führer des Islamischen Dschihad gerichtet, der Raketenangriffe auf Israel zu verantworten hatte. Die palästinenische Regierung verurteilte die Aktion: Sie trage nicht zu den Bemühungen der Autonomiebehörde bei, einen neuen Waffenstillstand mit den radikalen Gruppen zu erzielen, sagte ein Sprecher des palästinensischen Innenministeriums. Die israelische Regierung werde die Konsequenzen des Attentats zu tragen haben, drohte ein Führer des Islamischen Dschihads, Chaled el Batsch.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat erneut mit einer Absage der für den 25. Januar geplanten Wahl gedroht, falls Israel Palästinensern in Ost-Jerusalem die Teilnahme daran verbieten sollte. Das sagte Abbas dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira am Abend des 2. Jan. in Katar.
  • Bei einem Schusswechsel zwischen der palästinensischen Polizei und bewaffneten Anhängern der Fatah-Bewegung ist im Gazastreifen ein Polizist verletzt worden. Die Fatah-Mitglieder demonstrierten am 3. Jan. in der Nähe des Grenzübergangs Rafah an der ägyptischen Grenze, wie Sicherheitskräfte mitteilten. Bei der Kundgebung äußerten sie ihren Unmut über den gewaltsamen Tod eines palästinsischen Polizisten, der am 29. Dez. bei Zusammenstößen mit einer einflussreichen Palästinenserfamilie getötet wurde.
  • Die israelische Polizei hat am 3. Jan. eine Wahlkampfveranstaltung der palästinensischen Abgeordneten Hanan Aschrawi in Ostjerusalem gestoppt. Die Beamten zwangen die Politikerin, ein Banner wieder einzurollen, nachdem sie sich nur wenige Minuten zuvor am Haupteingang zum arabischen Teil der Stadt niedergelassen hatte, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Kurz zuvor hatte Aschrawi gesagt, sie habe beschlossen, ihren Wahlkampf in Jerusalem zu starten, "weil dies die Hauptstadt der Palästinenser ist und es eine besetzte Stadt ist".
  • Drohungen der Palästinenserführung mit einer Absage der Ende Januar geplanten Parlamentswahl haben den Auftakt des Wahlkampfes überschattet. Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kureia schloss sich Warnungen von Präsident Mahmud Abbas an und sagte am 3. Jan., es werde keine Wahlen geben, sollte Israel die Stimmabgabe im Osten Jerusalem verhindern. Ein Führer der radikalislamischen Hamas warnte die regierende Fatah-Organisation, den Streit um Jerusalem für eine Absage der Wahl zu missbrauchen.
  • Israelische Kampfflugzeuge sind am 3. Jan. in libanesischen Luftraum eingedrungen. Die vier Maschinen seien nahe der Stadt Tripoli aufgetaucht und hätten bei Dinnije weiter im Norden des Landes die Schallmauer durchbrochen, teilte die libanesische Armee am 3. Jan. mit. Anschließend seien sie weiter in Richtung Südlibanon geflogen. Insgesamt hätten sich die Flugzeuge drei Stunden über libanesischem Territorium aufgehalten. Trotz Protesten der UNO verletzt die israelische Luftwaffe regelmäßig den libanesischen Luftraum.
  • Militante Mitglieder der palästinensischen Fatah-Bewegung haben am 4. Jan. damit begonnen, mit Hilfe eines Bulldozers ein Stück der Betonmauer zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zu zerstören. Das berichteten Augenzeugen. Zuvor hatten bewaffnete Mitglieder der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Rafah bereits den Grenzübergang nach Ägypten und ein Büro der palästinensischen Wahlkommission besetzt.
  • Die israelische Regierung ist unter Bedingungen zu Verhandlungen mit der radikalislamischen Hamas bereit, falls diese aus der palästinensischen Parlamentswahl als Siegerin hervorgeht. Voraussetzung sei, dass die Bewegung ihrer Entwaffnung zustimme, zitierte das israelische Militärradio am 4. Jan. den israelischen Verteidigungsminister Schaul Mofas.
  • Der israelische Regierungschef Ariel Scharon hat am 4. Jan. nach Krankenhausangaben einen schweren Schlaganfall erlitten. Der Schlaganfall müsse jedoch nicht notwendigerweise "dauerhafte Auswirkungen" haben, sagte der Leiter des Jerusalemer Hadassah-Hospitals, Schlomo Morjussef, in das Scharon am Abend eingeliefert worden war.
    Nach dem schweren Schlaganfall des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Schon hat sein Stellvertreter Ehud Olmert die Regierungsgeschäfte übernommen. Das teilte der Kabinettssekretär der Regierung, Israel Maimon, am Abend des 4. Jan. mit.
  • Trotz der schweren Erkrankung von Ministerpräsident Ariel Scharon sollen die Parlamentswahlen in Israel wie geplant am 28. März stattfinden. Das bestätigte Generalstaatsanwalt Menahem Masus am 5. Jan. bei einer Kabinettssitzung, wie das Justizministerium mitteilte. Verkehrsminister Meir Scheetrit sagte, eine Verschiebung des Urnengangs könne zu Instabilität im Land führen. Dies sei "nicht wünschenswert". In dieser schwierigen Situation müsse die Regierung funktionieren, fügte Scheetrit im israelischen Rundfunk hinzu. Alle Ministerien hätten deshalb Interims-Ministerpräsident Ehud Olmert ihre Unterstützung zugesagt, in der Hoffnung auf eine baldige Genesung Scharons.
  • Der amtierende israelische Regierungschef Ehud Olmert hat Medienberichten vom 5. Jan. zufolge mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas telefoniert. Das Gespräch war der erste hochrangige Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern seit dem schweren Schlaganfall von Ministerpräsident Ariel Scharon am Abend des 4. Jan. Über den Inhalt des Telefonats wurde zunächst nichts bekannt.
  • Jüdische Siedler haben am 5. Jan. auf zwei junge Palästinener geschossen und sie verletzt. Die beiden 18 und 19 Jahre alten Männer seien jeweils am Bein getroffen worden, als die Siedler südlich von Nablus im Westjordanland aus einem Auto heraus das Feuer auf sie eröffnet hätten, berichteten Sanitäter und Augenzeugen. Die Angreifer seien geflohen.
  • Die USA haben die Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad über den schwer kranken israelischen Regierungschef Ariel Scharon scharf verurteilt. Der Wunsch Ahmadinedschads, dass Scharon seinen zweiten Schlaganfall nicht überleben werde, sei "abscheulich und ekelhaft", sagte US-Außenamtssprecher Sean McCormack am 5. Jan. in Washington. Die Äußerung zeige einmal mehr die "wahre Natur dieser besonderen iranischen Regierung". Ahmadinedschad hatte erklärt, er hoffe, dass Scharon nun "bei seinen Vorfahren ist".
  • Der im Koma liegende israelische Ministerpräsident Ariel Scharon wird nach Einschätzung von Mitarbeitern und Parteifreunden vermutlich nicht in die Politik zurückkehren können. Ein Vertrauter des Regierungschefs sagte, der Schlaganfall habe "beträchtliche Hirnschäden" hinterlassen. Ähnlich äußerte sich auch ein Mitarbeiter des Hadassah-Krankenhauses in Jerusalem, in dem der 77-Jährige behandelt wird. Der zuständige Arzt, Schlomo Mor Jussef, sagte, er könne keine Prognose über die möglichen "kognitiven oder motorischen Folgen" des Schlaganfalls abgeben. Scharons Zustand sei stabil, sagte Mor Jussef weiter. Alle Daten entsprächen den "erwarteten Normen". Der Patient werde noch 48 bis 72 Stunden im Koma gehalten, bevor die Ärzte ihn "schrittweise und kontrolliert" wieder wecken könnten. Erst anschließend sei abzusehen, wie stark sich die Hirnblutungen bei Scharon ausgewirkt hätten. Betroffen sei die rechte Hirnhälfte. Der argentinische Arzt Felix Umansky, der das Operationsteam geleitet hatte, sagte einem spanischen Rundfunksender, es könne bis zu einer Woche dauern, bevor die Schäden abzuschätzen seien. (AFP, 6. Jan.)
  • In Dschenin im nördlichen Westjordanland sind am 7. Jan. bewaffnete Palästinenser mit der israelischen Armee aneinandergeraten. Den kurzen Zusammenstößen sei ein Militäreinsatz vorausgegangen, verlautete von palastinensischen Sicherheitskräften. Die Armee habe mit knapp zwanzig Panzern und einer Planierraupe ein fünfstöckiges Gebäude in Dschenin umstellt und die Bewohner aufgefordert, sofort aus dem Haus zu kommen. Die Soldaten hätten bewaffnete Anhänger der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad gesucht. Ein Armeesprecher sagte, niemand sei festgenommen worden.
  • Bei bewaffneten Auseinandersetzungen im Gazastreifen sind am 7. Jan. ein Palästinenser getötet und 13 Menschen verletzt worden. Wie aus dem Informationsministerium verlautete, versuchten Bewaffnete am frühen Abend, in ein Gebäude der palästinensischen Autonomiebehörde in Gaza einzudringen. Dabei sei es zu einem Schusswechsel mit der Polizei gekommen, bei dem ein Mensch starb und drei weitere verletzt wurden. Nähere Angaben zu den Opfern lagen zunächst nicht vor.
  • Friedensnobelpreisträger Schimon Peres geht davon aus, dass Israels Übergangsministerpräsident Ehud Olmert die Kadima-Partei in die Parlamentswahlen führen wird. Olmert werde die Liste der von dem schwer erkrankten Ministerpräsidenten Ariel Scharon gegründeten Partei anführen, er selbst werde möglicherweise auch für die Kadima antreten, sagte der 82-Jährige am 8. Jan. Er wolle sich aber nicht um das Amt des Ministerpräsidenten bewerben, sondern sich weiter ausschließlich um den Friedensprozess mit den Palästinensern kümmern. Der Ex-Ministerpräsident und frühere Vorsitzende der Arbeitspartei hatte Ende vergangenen Jahres die Parteigründung Scharons unterstützt.
  • Die palästinensische Autonomiebehörde steht nach den Worten von Chefunterhändler Sajeb Erekat unmittelbar vor dem Bankrott. Die Steuereinnahmen reichten kaum mehr aus, um die Gehälter der Mitarbeiter zu bezahlen, sagte Erekat dem US- Nachrichtensender CNN am 8. Jan. Erekat forderte die Geberländer auf, ihre Zusagen einzuhalten. Nach bisherigen Schätzungen würden die Palästinenser 2006 mit einem Minus von 600 Millionen Dollar abschließen.
  • Israel richtet sich auf die Zeit ohne einen Regierungschef Ariel Scharon ein. Übergangs-Ministerpräsident Ehud Olmert leitete am 8. Jan. erstmals die wöchentliche Kabinettssitzung. Die Minister berieten über die Lage nach dem Schlaganfall Scharons. Israels Demokratie sei stark, ihre Einrichtungen funktionierten einwandfrei, versicherte Olmert.
Montag, 9. Januar, bis Sonntag, 15. Januar
  • Kandidaten für die bevorstehende Parlamentswahl in den palästinensischen Gebieten dürfen auch in Ostjerusalem Wahlkampf führen. Die israelische Genehmigung gilt aber nicht für die Hamas, die die Auslöschung des Staates Israel propagiert, wie der Minister für innere Sicherheit, Gideon Esra, am 9. Jan. mitteilte. Eine Entscheidung, ob sich die palästinensischen Bewohner Ostjerusalems an der Abstimmung am 25. Januar auch beteiligen dürfen, stand vorerst noch aus. Hier setzten führende Palästinenser auf eine Einflussnahme der USA. Informationsminister Nabil Schaath erklärte, US-Beamte hätten der Autonomiebehörde zugesichert, dass eine Wahlbeteiligung in Ostjerusalem wie schon 1996 möglich sein werde. Damals konnten die palästinensischen Einwohner per Post wählen oder Wahllokale im nahen Westjordanland aufsuchen. Letzteres allerdings dürfte mit der Errichtung des umstrittenen Grenzwalls schwieriger geworden sein.
  • Die radikale palästinensische Hamas-Bewegung hat am 9. Jan. erste Tests für einen eigenen Fernsehsender im Gazastreifen ausgestrahlt. Die Sende-Tests für El-Aksa-TV hätten begonnen, sagte ein Hamas-Sprecher. Die Bewegung will den Sender nutzen, um die Palästinenser über ihr Programm für die Parlamentswahl am 25. Januar zu informieren. Für die ersten Wochen seien "Nachrichtensendungen sowie politische und soziale Programme" geplant, sagte der Sprecher. In der Testphase soll das Programm täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr laufen. Es ist das erste Mal, dass eine Palästinenserbewegung einen eigenen Fernsehsender für den Gazastreifen startet. Die Hamas will sich an der Parlamentswahl erstmals beteiligen.
  • Die Ärzte des Jerusalemer Hadassah-Krankenhauses haben am 9. Jan. erfolgreich damit begonnen, den erkrankten israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon aus dem Koma zu erwecken. Scharon bewegte sich leicht und atmete wieder selbstständig, wie die Mediziner mitteilten. Der leitende Neurochirurg Felix Umanski sprach von einem "sehr wichtigen Zeichen". Scharons Zustand sei aber nach wie vor kritisch.
  • Die israelische Regierung will am 15. Jan. abschließend über das Wahlrecht für Palästinenser in Ost-Jerusalem bei dem Urnengang Ende Januar entscheiden. Dies teilte Interims-Ministerpräsident Ehud Olmert laut einer Erklärung seines Büros am 10. Jan. US-Außenministerin Condoleezza Rice in einem Telefonat mit. Olmert werde den Vorschlag, die Palästinenser im Ostteil der Stadt wie schon bei den palästinensischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 1996 und 2005 in Postämtern ihre Stimmen abgeben zu lassen, am 15. Jan. den Kabinettsmitgliedern zu Abstimmung vorlegen. Mitglieder von "terroristischen Organisationen" in Ost-Jerusalem sollten jedoch von den Wahlen ausgeschlossen bleiben, hieß es in der Erklärung.
  • Weil er zwei Selbstmordattentate mit dutzenden Toten planen und vorbereiten half ist ein ehemaliger Aktivist der radikalen Palästinenserorganisation Hamas zu einer 35-fachen lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Abbas el Sajad, der ehemalige Anführer des bewaffneten Hamas-Arms in Tulkarem, wurde am 10. Jan. von einem Gericht in Tel Aviv für schuldig befunden, zwei Anschläge auf ein Einkaufszentrum und ein Hotel in der Stadt Netanja geplant und vorbereitet zu haben, bei denen in den Jahren 2001 und 2002 insgesamt 35 Menschen ums Leben kamen. Der Palästinenser wurde zudem wegen versuchten Mordes und der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation zu weiteren 50 Jahren Gefängnis verurteilt.
  • Ex-Außenminister Joschka Fischer hat eine kritische Bilanz der Amtszeit des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gezogen. "Er war weder als Politiker noch gar als Militär ein Mann des Friedens", schrieb Fischer in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit" (vorab gemeldet am 11. Jan.). Einerseits sei es Scharons bleibendes Verdienst, mit dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen zum ersten Mal besetztes palästinensisches Gebiet ohne Gegenleistung aufgegeben zu haben. Hinter diese strategische Wende Israels werde kaum ein Weg zurückführen, egal, wie die bevorstehenden Wahlen auf beiden Seiten ausgehen würden. Andererseits sei Scharon jedoch "der politische Ziehvater der territorialen Expansion und damit der israelischen Siedlungsbewegung", schrieb Fischer weiter.
  • Israelische Soldaten und Polizisten haben am 11. Jan. begonnen, eine erst kürzlich illegal errichtete jüdische Siedlung im Westjordanland abzureißen. Es müssten einige Betonbauten und ein Wohnwagen entfernt werden, sagte ein Polizeisprecher. Fünf Menschen seien festgenommen worden. Mehrere dutzend militante Siedler protestierten gegen den Abriss; es kam zu Handgreiflichkeiten mit den Polizisten.
  • Die vier Minister der israelischen Likud-Partei sollen am 12. Jan. ihr Amt niederlegen. Das ordnete Parteichef Benjamin Netanjahu am 11. Jan. an, wie sein Büro am Abend erklärte. "Der Likud kann sich nicht als Alternative zur Macht präsentieren, solange er der Regierung angehört und deren Politik umsetzt", hieß es in der Erklärung. Netanjahu hatte diesen Schritt bereits Anfang des Monats für den 8. Januar angekündigt, wegen der schweren Erkrankung von Ministerpräsident Ariel Scharon aber vorerst aufgeschoben.
    Die vier Likud-Minister im israelischen Kabinett haben am 12. Jan. dem Druck von Parteichef Benjamin Netanjahu nachgegeben und ihren Rücktritt eingereicht. Das Quartett hatte sich zunächst der Anordnung Netanjahus widersetzt und seinen Rücktritt erst für den 15. Jan. angekündigt. Kurz darauf teilten Landwirtschaftsminister Israel Katz und Gesundheitsminister Danny Naveh jedoch mit, ihre Rücktrittsschreiben lägen Netanjahu bereits vor. Bildungsministerin Limor Livnat und Außenminister Silvan Schalom sollten im Laufe des Tages folgen.
  • Bei einer israelischen Razzia im Westjordanland sind am 12. Jan. drei Palästinenser ums Leben gekommen. Die Soldaten suchten in der Stadt Dschenin nach Mitgliedern der Organisation Islamischer Dschihad. Dabei sprengte sich nach israelischer Darstellung ein Palästinenser in einem von den Truppen umstellten Haus in die Luft. Zwei weitere Männer wurden nach Angaben palästinensischer Polizisten in einer Schießerei mit den Soldaten getötet.
  • Bewaffnete Männer haben am Abend des 12. Jan. das Haus des palästinensichen Innenministers Nasr Jussef in der Nähe von Ramallah im Westjordanland beschossen. Dabei wurden nach Angaben von Sicherheitskräften fünf Menschen verletzt, es handelte sich um zwei als Wachleute abgestellte Polizisten und drei Passanten. Jussef befand sich zum Zeit des Angriffs nicht zu Hause. Die Täter entkamen mit ihrem Auto unerkannt.
    Bei der Schießerei vor dem Haus des palästinensischen Innenministers Nasr Jussef sind neuesten Angaben zufolge vier Menschen verletzt worden. Die Insassen eines Autos hätten vor Jussefs Haus in der Nähe von Ramallah im Westjordanland "willkürlich" herumgeschossen und dabei zwei Fußgänger verletzt, teilte sein Sprecher am Abend des 12. Jan. mit. Daraufhin hätten die Wachleute des Ministers zurückgeschossen und zwei Insassen des Wagens getroffen. Einer der beiden sei schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Ein ranghoher Sicherheitsbeamter hatte zuvor gesagt, die Polizei habe auf ein verdächtiges Auto geschossen und dabei drei Menschen verletzt. Unmittelbar nach der Schießerei war von fünf Verletzten die Rede gewesen.
  • Bei den internen Vorwahlen für die israelischen Parlamentswahlen im März haben sich in der Likud-Partei die Hardliner durchgesetzt. Auf der am 12. Jan. veröffentlichten Wahlliste sind mehr als die Hälfte der ersten 15 Plätze von Politikern besetzt, die den von Regierungschef Ariel Scharon durchgesetzten Abzug aus dem Gazastreifen abgelehnt hatten. Laut aktuellen Umfragen kann der Likud bei der Wahl Ende März mit 15 Mandaten rechnen. Vor dem Austritt von Scharon hatte die rechtsnationale Partei noch 40 Sitze. Der frühere Parteichef Scharon hatte sich von der Partei wegen des andauernden Widerstandes gegen den Abzug aus dem Gazastreifen getrennt und seine eigene Formation Kadima gegründet, die nun als Wahlfavorit gilt.
  • Der Gesundheitszustand des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon ist nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "sehr beunruhigend". Der Zustand des 77-Jährigen sei sogar "erschreckend", berichtete der Sender am 13. Jan. unter Berufung auf Angaben von Medizinern.
  • Als letztes Likud-Mitglied in der israelischen Regierung hat Außenminister Silvan Schalom am 13. Jan. seinen Rücktritt eingereicht. Damit folgte Schalom einer Aufforderung von Parteichef Benjamin Netanjahu, der am 11. Jan. alle vier Likud-Minister zum Ausscheiden aus der Regierung des kommissarisch regierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert aufgefordert hatte.
  • Zwei Wochen vor der palästinensischen Präsidentschaftswahl büßt die bislang dominierende Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Umfragen weiter an Zustimmung ein. Einer am 14. Jan. veröffentlichten Umfrage zufolge käme die Fatah derzeit auf 35 Prozent der Stimmen, gegenüber 45 Prozent im vergangenen Oktober. Die erstmals zur Wahl zugelassene radikalislamische Hamas-Organisation käme demnach auf 30 Prozent, sieben Prozentpunkte mehr als im Oktober. 83 Prozent der Befragten gaben an, sich an der Wahl beteiligen zu wollen.
  • Hunderte jüdische Siedler in Hebron haben Häuser von Palästinensern mit Steinen beworfen. Außerdem versuchten sie, auf den Markt der Stadt im Westjordanland vorzudringen, wurden daran jedoch von israelischen Truppen gehindert, wie Armee und Polizei am 14. Jan. mitteilten. Ein Soldat wurde nach Militärangaben leicht am Auge verletzt, von palästinensischer Seite wurden keine Opfer gemeldet. Einem Fernsehbericht zufolge waren einige der Siedler vermummt und warfen auch mit Eiern und Farbbeuteln um sich. Die Behörden bestätigten dies zunächst nicht. Die Lage in Hebron war gespannter denn je, weil die israelische Regierung acht Siedlerfamilien zum Verlassen eines palästinensischen Marktviertels aufgefordert hat, das sie seit vier Jahren besetzt halten. Sie haben bis zum 15. Jan. Zeit, das Gebiet freiwillig zu verlassen. In Hebron leben rund 500 Siedler in streng bewachten Enklaven unter mehr als 160.000 Palästinensern. Dadurch kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen.
  • Die israelische Polizei hat Wahlhelfer der radikalislamischen Palästinenserbewegung Hamas in Ostjerusalem festgenommen. Drei Männer wurden am 14. Jan. beim Kleben von Plakaten auf einer Hauptstraße der Altstadt in Polizeigewahrsam genommen, wie der öffentlich-rechtliche israelische Rundfunk berichtete. Israel hatte den palästinensischen Kandidaten am vergangenen Sonntag (8. Jan.) für die Parlamentswahlen am 25. Januar gestattet, im mehrheitlich arabischen Ostjerusalem Wahlwerbung zu machen. Davon ausgenommen ist die von Israel als "terroristische Organisation" eingestufte Hamas.
  • Israelische Soldaten haben eine Palästinenserin und ihren Sohn erschossen. Der Vorfall ereignete sich am Morgen des 15. Jan. in einem Dorf in der Region von Nablus im Norden des Westjordanlandes, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Auf die Soldaten sei geschossen worden, daraufhin hätten sie das Feuer erwidert und die 50-Jährige und ihren 20-jährigen Sohn getötet. Augenzeugen zufolge hatte ein Familienmitglied in dem Glauben, bei den Soldaten handele es sich um Diebe, zuerst geschossen.
  • Die israelische Regierung hat endgültig der palästinensischen Parlamentswahl in Ostjerusalem zugestimmt. Das Kabinett verabschiedete am 15. Jan. den Vorschlag von Intermims-Ministerpräsident Ehud Olmert, die Palästinenser im Ostteil der Stadt wie schon bei den palästinensischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 1996 und 2005 in Postämtern ihre Stimmen abgeben zu lassen. Mitglieder von "terroristischen Organisationen", zu denen Israel auch die an der Wahl teilnehmende radikalislamische Hamas zählt, sollen jedoch ausgeschlossen bleiben.
  • Wenige Tage vor den palästinensischen Parlamentswahlen haben israelische Sicherheitskräfte am 15. Jan. drei Kandidaten der radikalislamischen Hamas-Bewegung festgenommen. Unter ihnen sei auch die Nummer Zwei auf der Wahlliste der Partei, Scheich Mohammed Abu Tir, teilte die Polizei mit. Auch drei militante Anhänger der Bewegung seien festgenommen worden. Die sechs Männer machten zum Zeitpunkt ihrer Festnahme Wahlkampf im Ostteil Jerusalems.
  • Der schwer kranke israelische Regierungschef Ariel Scharon hat einen Luftröhrenschnit am 15. Jan. erfolgreich überstanden. Die Operation sei gut verlaufen, Scharon sei unmittelbar danach wieder in die neurochirurgische Abteilung gebracht worden, sagte ein Sprecher der Hadassah-Klinik am Abend in Jerusalem. Eine Computertomografie des Gehirns habe gezeigt, dass es keine Veränderungen gebe. Zuvor hatte ein anderer Sprecher der Klinik erklärt, der Zustand des 77-Jährigen sei unverändert ernst, aber stabil. Der Luftröhrenschnitt werde ihm helfen, wieder selbstständig zu atmen.
Montag, 16. Januar, bis Sonntag, 22. Januar
  • Israels Übergangsministerpräsident Ehud Olmert ist zum Interims-Chef der bislang vom schwer kranken Regierungschef Ariel Scharon geführten Kadima-Partei ernannt worden. Olmert solle das Amt behalten, bis Scharons Gesundheitszustand dessen Rückkehr erlaube, sagte eine Sprecherin der Partei am 16. Jan.. Olmert wird am 18. Jan. voraussichtlich vier Kadima-Politiker zu Ministern in der israelischen Regierung machen.
  • Unterstützt von mehreren hundert Jugendlichen haben radikale Siedler in Hebron den vierten Tag in Folge gewaltsam gegen die Umsiedlung von acht Familien protestiert. Die Polizei erklärte die Stadt im Westjordanland am Abend des 16. Jan. zum militärischen Sperrgebiet und nahm drei Teenager fest. Die Siedlerfamilien weigerten sich, ein palästinensisches Marktviertel zu verlassen, das sie vor vier Jahren besetzt hatten. Der amtierende Ministerpräsident Ehud Olmert solle seine Pläne aufgeben, den Außenposten in Hebron und weitere ungenehmigte Siedlungen im Westjordanland räumen zu lassen, forderten Siedler und Rabbiner. Olmert kündigte indes ein hartes Vorgehen an, sollten sie sich den Anordnungen widersetzen.
  • Die Europäische Union hat kurz vor der Parlamentswahl in den Palästinensergebieten weitere Finanzhilfen angekündigt. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner unterzeichnete am 16. Jan. in Ramallah ein entsprechendes Abkommen. Es sieht eine Aufstockung der Finanzhilfe für die Wahlen um 1,4 Millionen auf 18,5 Millionen Euro vor. Ferrero-Waldner kündigte außerdem Hilfe in Höhe von drei Millionen Euro für den Ausbau des Grenzübergangs Rafah vom Gaza-Streifen nach Ägypten an.
  • Israelische Soldaten haben in Tulkarem im Westjordanland einen bewaffneten Palästinenser erschossen. Der 26-Jährige sei bei einem Schusswechsel mit der Armee am Morgen des 17. Jan. ums Leben gekommen, teilten palästinensische Sicherheitskräfte mit. Er sei der Anführer der El-Aksa-Brigaden in Tulkarem gewesen, einem bewaffneten Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Aus der israelischen Armee verlautete, dass in der Nacht im Westjordanland zudem acht Palästinenser festgenommen worden seien, nach denen das Militär gefahndet hatte.
    Seit Beginn des zweiten Palästinenseraufstandes im Herbst 2000 wurden fast 5.000 Menschen getötet, mehr als drei Viertel von ihnen waren Palästinenser.
  • Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sieht Möglichkeiten für ein Friedensabkommen mit den Palästinensern. Er hoffe, dass er nach der palästinensischen Parlamentswahl in der kommenden Woche und nach der israelischen Parlamentswahl im März mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas entsprechende Verhandlungen aufnehmen werde, sagte er am 17. Jan. Es solle "um ein Endstatus-Abkommen zwischen uns und den Palästinensern" gehen. Zur Bedingung für Verhandlungen machte Olmert, dass Abbas die militanten palästinensischen Gruppen entwaffnet. Dieselbe Forderung hatte auch Ministerpräsident Ariel Scharon stets gestellt.
  • Fünf Tage nach dem Rücktritt des israelischen Außenministers Silvan Schalom ist Justizministerin Zippi Livni offiziell zu dessen Nachfolgerin nominiert worden. Die Nominierung Livnis wurde am 18. Jan. während einer Kabinettssitzung in Jerusalem bekannt gegeben. Livni ist die zweite Frau auf diesem Posten in der Geschichte Israels. Schalom hatte am Freitag als letzter Likud-Minister nach der Spaltung der israelischen Rechten vor zwei Monaten seinen Rücktritt eingereicht. Er folgte damit der Aufforderung des neuen Likud-Parteichefs Benjamin Netanjahu. Livni ist Mitglied der Partei Kadima (Vorwärts), die sich im November unter Führung des inzwischen schwer erkrankten Ministerpräsident Ariel Scharon vom Likud abgespalten hatte.
  • Wegen der Krise um das iranische Atomprogramm ist am 18. Jan. eine ranghohe israelische Delegation zu Gesprächen in Moskau eingetroffen. Die Delegation wolle zuerst mit Vertretern des russischen Sicherheitsrates und am Nachmittag mit Vertretern des Außenministeriums zusammenkommen, teilte die israelische Botschaft in Moskau mit. Zu der Delegation gehören nach Angaben aus Jerusalem der nationale Sicherheitsberater Giroa Eiland und der Leiter der Atomenergiekommission, Gideon Frank. Israel will offenbar erreichen, dass Russland seine Haltung gegenüber dem Iran verschärft.
  • Israels amtierender Regierungschef Ehud Olmert hat am 18. Jan. die sofortige Räumung eines von jüdischen Siedlern besetzten Marktes in der Stadt Hebron im Westjordanland angeordnet. Die Entscheidung sei nach einem Treffen Olmerts mit Sicherheitsexperten sowie Justiz- und Außenministerin Zippi Livni gefallen, berichtete der israelische Militärrundfunk. Die Siedler in Hebron hatten sich in den vergangenen Tagen heftige Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee geliefert.
  • Der frühere US-Präsident Jimmy Carter und mehrere europäische Ex-Regierungschefs werden als Beobachter zur Wahl in den Palästinensergebieten am kommenden Mittwoch (25. Jan.) reisen. Carter werde eine 80-köpfige Delegation von Wahlbeobachtern gemeinsam mit Schwedens Ex-Ministerpräsident Carl Bildt, dem früheren albanischen Präsidenten Rexhep Meidani und der früheren spanischen Außenministerin Ana Palacio führen, teilte das Carter-Center am 18. Jan. mit. Zu dem Team gehörten neben Politikern auch Menschenrechts- und Wahlrechtsexperten sowie Nahost-Experten. Ziel sei es, die internationale Unterstützung für die palästinensischen Bemühungen um einen demokratischen Wahlprozess zu demonstrieren sowie den Verlauf des Urnengangs unparteiisch und exakt zu dokumentieren.
  • Bei einem Selbstmordanschlag am ehemaligen zentralen Busbahnhof in Tel Aviv sind am 19. Jan. mindestens 15 Menschen verletzt und der Attentäter getötet worden. Nach Polizeiangaben sprengte sich der Palästinenser in einem Imbiss in die Luft. Zu dem Anschlag bekannte sich der bewaffnete Arm der radikalislamischen Gruppe Islamischer Dschihad. Die Palästinenserführung verurteilte die Tat. Sie ziele darauf ab, die Parlamentswahl in den Autonomiegebieten am 25. Januar zu sabotieren, sagte Palästinensersprecher Nabil Abu Rudeina. Das Attentat war der erste Selbstmordanschlag in Israel, seit Ehud Olmert interimsweise die Amtsgeschäfte des israelischen Regierungschefs übernommen hat. Der Sprengsatz war nach Angaben der Polizei relativ klein; eines der Opfer habe schwere Verletzungen erlitten.
    Der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas hat dem Iran und Syrien eine Beteiligung am jüngsten palästinensischen Selbstmordanschlag in Tel Aviv vorgeworfen. "Das Attentat wurde von Teheran finanziert, von Syrien geplant und von den Palästinensern ausgeführt", zitierte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am 20. Jan. Mofas.
  • Einen Tag nach dem Anschlag in Tel Aviv hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 20. Jan. die Vertreter von radikalen Palästinenserorganisationen getroffen. Nach Angaben eines Gesprächsteilnehmers sprach Ahmadinedschad auch mit dem Chef der Gruppe Islamischer Dschihad, Abdallah Ramadan Schalah, dessen Organisation sich zu dem Anschlag am Vortag in Tel Aviv bekannt hatte. (AFP)
  • Der israelische Präsident Mosche Katzav hält Gespräche seines Landes mit der radikalislamischen Palästinensergruppe Hamas unter bestimmten Bedingungen für denkbar. Sollte die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen und den Osloer Friedensverträgen sowie dem internationalen Friedensfahrplan (Road map) zustimmen, "dann könnten wir verhandeln", sagte Katzav der portugiesischen Wochenzeitung "Expresso". (AFP 20. Jan.)
  • Im Vorfeld der Parlamentswahlen in Israel ist erstmals eine der großen Parteien vom Anspruch auf den annektierten Ostteil Jerusalems abgerückt. Die Arbeitspartei veröffentlichte am 20. Jan. einen Wahlaufruf, in dem es hieß, sie sei bereit, die 1967 eroberten "moslemischen Viertel" Jerusalems zurückzugeben. Die heiligen jüdischen Stätten sollen demnach unter Israels Kontrolle bleiben. Im Ostteil Jerusalems leben 200.000 Palästinenser. Seit der Eroberung wurden in jüdischen Siedlungen im Osten der Stadt 200.000 Israelis untergebracht. Die Palästinenser wollen den Ostteil Jerusalems zur Hauptstadt des angestrebten Palästinenserstaates machen.
  • Palästinensische Polizisten haben vier Tage vor der Parlamentswahl mit der Stimmabgabe begonnen. Im Gazastreifen und im Westjordanland öffneten am Morgen des 21. Jan. Wahllokale für die mehr als 58.000 Sicherheitskräfte. Die Entscheidung für eine frühere Stimmabgabe sei getroffen worden, damit die Polizisten am Wahltag voll einsatzfähig seien, hatte der palästinensische Innenminister Nasser Jussef erklärt. Die palästinensischen Wähler bestimmen am 25. Jan. ihre Vertreter für das Parlament.
  • Israel will unter allen Umständen verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt. Verteidigungsminister Schaul Mofas erklärte am 21. Jan., Israel bereite sich auch auf die Möglichkeit vor, dass die Diplomatie scheitere. Mofas sprach zwar nicht direkt von einem möglichen Angriff Israels auf den Iran, erklärte aber: "Israel wird unter keinen Umständen eine Atomwaffenfähigkeit Irans akzeptieren, darauf bereiten wir uns vor."
    Der israelische Verteidigungsminsiter Schaul Mofas hat eine "atomare Option" für den Iran mit Nachdruck abgelehnt. Selbst wenn die israelische Regierung "im gegenwärtigen Stadium" der Diplomatie den Vorrang gebe, bereite sie sich auf eine Verteidigungsstrategie für den Fall vor, dass Teheran Atomwaffen entwickle, sagte Mofas am 21. Jan. in Herzlija bei Tel Aviv. Er warf den Regierungen Irans und Syriens vor, dass sie "den Terrorismus unterstützen".
  • Die israelische Armee hat am 21. Jan. in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen einen jungen Palästinenser erschossen und zwei weitere verletzt. Dies teilten Mediziner am Abend mit. Bei den Opfern handelte es sich nach Angaben der palästinensischen Innenbehörde nicht um Mitglieder einer bewaffneten Gruppe. Eine Sprecherin der israelischen Armee teilte mit, es sei auf drei Palästinenser geschossen worden, die sich in Richtung der Sperranlage bewegt hätten. Die Männer hätten auf Warnschüsse nicht reagiert.
  • Israel hat dem im Gefängnis sitzenden Spitzenkandidaten der palästinensischen Fatah-Bewegung, Marwan Barghuti, erstmals gestattet, ein TV-Interview zu geben. Das Verteidigungsministerium erteilte Barghuti eine Ausnahmegenehmigung für ein Interview, das von den arabischen Fernsehsendern El Arabija und El Dschasira ausgestrahlt werden sollte, wie ein Sprecher der Gefängnisverwaltung am 22. Jan. mitteilte. Barghuti war in Israel wegen der Beteiligung an terroristischen Anschlägen zu einer mehrfach lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Er gilt als Symbolfigur des Palästinenseraufstands.
Montag, 23. Januar, bis Sonntag, 29. Januar
  • Die israelische Arbeitspartei ist entgegen früheren Ankündigungen doch nicht zum Verzicht auf den Ostteil Jerusalems bereit. Jerusalem solle als Gesamtstadt "mit jüdischer Mehrheit" erhalten werden, sagte Parteichef Amir Perez am 23. Jan. vor Parteimitgliedern, die ihm dafür tosenden Applaus spendeten. Im Vorfeld des Treffens in Jerusalem hatten mehrere Parteivertreter angekündigt, die Arbeitspartei wolle als erste große Partei vom Anspruch auf den Ostteil Jerusalems abrücken.
  • Zum Abschluss des Wahlkampfs in den Palästinensergebieten hat die Fatah noch einmal vor den Folgen eines Erfolgs der radikalislamischen Hamas für den Friedensprozess gewarnt. Nabil Schaath, Vize-Ministerpräsident und Chef der Fatah-Wahlkampagne, sagte der Nachrichtenagentur Wafa am 23. Jan., durch einen Wahlerfolg der Hamas würde die Lage "sehr schwierig". In der jüngsten Umfrage der El-Nadschah-Universität in Nablus lag die Fatah mit 42,8 Prozent in Führung vor der Hamas mit 34,2 Prozent. Vor der Wahl am Mittwoch fanden in den Palästinensergebieten die letzten Kundgebungen statt.
  • Die radikalislamische Palästinenserorganisation schließt indirekte Gespräche mit Israel nicht mehr aus. Zwei Tage vor der palästinensischen Parlamentswahl sagte ihr Führer, Mahmud al-Sahar, Verhandlungen mit Israel über eine dritte Partei seien kein Tabu. Erst vor zwei Wochen hatte die Hamas jegliche Gespräche mit Israel ausgeschlossen. Die Hamas steuert bei der Parlamentswahl nach letzten Meinungsumfragen auf einen politischen Erfolg zu. (dpa, 23. Jan.)
  • Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat die palästinensische Autonomiebehörde am 23. Jan. eindringlich zur Entwaffnung von Extremisten aufgerufen. Die Regierung von Präsident Mahmud Abbas müsse "alle möglichen Bemühungen" unternehmen und auch "eine direkte militärische Konfrontation" riskieren, um Terroristen zu kontrollieren, sagte Carter auf einer Konferenz in einem Vorort von Tel Aviv. Von Israel forderte Carter die Aufgabe weiterer Siedlungen im Westjordanland. Es könne keinen friedlichen palästinensischen Staat mit zahlreichen jüdischen Siedlungen im Westjordanland geben, erklärte der Expräsident. Eine einseitige Grenzziehung Israels sei möglicherweise hinnehmbar, wenn kein Friedensvertrag mit den Palästinensern zu Stande komme, sagte Carter später in einem Interview des Fernsehsenders Kanal Zwei. Voraussetzung sei dabei aber, dass die Grenzen nicht zu weit ins Westjordanland hineinreichten.
  • Vor der palästinensischen Parlamentswahl am 25. Jan. haben die regierende Fatah-Partei und die Hamas-Bewegung ihre Bereitschaft zur Bildung einer Koalition signalisiert. Zugleich kündigten militante Gruppen an, der Abstimmung zum Erfolg verhelfen zu wollen. Sie solle die "Grundlage für eine politische Partnerschaft legen", sagte Hamas-Sprecher Abu Obeida am 24. Jan. in Gaza.
  • In der Nacht zum 24. Jan. erschossen Bewaffnete in Nablus den Fatah-Funktionär Abu Ahmed Hassuna, der sie nach Angaben seiner Familie aufgefordert hatte, nicht auf Wahlplakate an seinem Haus zu schießen. Es war der zweite politisch motivierte Todesfall während der Wahlkampagne. Rund 1.000 Anhänger des 44-Jährigen und andere Aktivisten demonstrierten in Nablus gegen die Gewalttat. Sie riefen Parolen wie "Genug mit dem Sicherheitschaos, wir wollen in Freiheit leben" oder "Genug. Wir wollen, dass uns die Polizei beschützt" und übergaben dem örtlichen Polizeichef einen Brief, in dem ein Ende der Rechtlosigkeit in den palästinensischen Gebieten gefordert wird. Vor allem im Gazastreifen war es in den letzten Wochen immer wieder zu Übergriffen gekommen.
  • Israel muss auf weitere Gebiete verzichten, wenn es in der Bevölkerung eine jüdische Mehrheit wahren will. Das sagte der amtierende Premier Ehud Olmert am 24. Jan. bei der Sicherheitskonferenz in Herzlija. Nun sei der wichtigste bevorstehende Schritt "die Festlegung dauerhafter Grenzen des Staates Israel, um eine jüdische Mehrheit zu sichern". Dies könne nicht gewährleistet werden "mit der fortgesetzten Kontrolle über die palästinensische Bevölkerung in Judäa, Samaria und dem Gazastreifen". Jeder Hügel in Samaria und jedes Tal in Judäa sei "Teil unseres historischen Heimatlandes. Doch die Entscheidung zwischen dem Wunsch, es jedem Juden zu erlauben, überall im Land Israel zu leben und der Existenz des Staates Israel als jüdisches Land verpflichtet dazu, Teile des Landes Israel aufzugeben". Olmert fügte hinzu: "Die Existenz zweier Nationen, einer jüdischen und einer palästinensischen, ist die vollständige Lösung für alle nationalen Bestrebungen und Probleme von jedem der Völker, einschließlich der Angelegenheit der Flüchtlinge, die ausschließlich in einem palästinensischen Staat aufgenommen werden. Wir werden nicht zulassen, dass palästinensische Flüchtlinge in den Staat Israel kommen." Und es könne keinen jüdischen Staat geben, der nicht die Hauptstadt Jerusalem in seinem Zentrum habe.
  • Die Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden haben eine neue Rakete entwickelt, die eine Reichweite von 27 Kilometern hat, teilte das "Israelnetz" am 25. Jan. mit. Es gebe jetzt "eine neue Generation von Aksa-Raketen", so die Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, die der Fatah-Bewegung nahe stehen, in einer Mitteilung vom 24. Jan. Das neue Modell heiße "Aksa 207". Es könne weit nach Israel hineinreichen. Al-Aksa warnte Israel vor "jeglichem Abenteuer gegen Palästinenser", berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur "Ma´an". "Nach dieser Rakete kann die Pufferzone zur Hölle gehen", heißt es weiter in der Mitteilung.
  • Laut Wählernachfragen vom 25. Jan. hat die Fatah-Bewegung die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat (PLC) gewonnen. Die radikal-islamische Hamas belegte den zweiten Platz. Demnach erhielt die Fatah rund 40 Prozent der Wählerstimmen. Die Hamas bekam 30 Prozent.
    Bis auf kleinere Zwischenfälle verliefen die Wahlen gewaltfrei. Das meldet die unabhängige palästinensische Nachrichtenagentur "Ma´an" am 25. Jan.
  • Die palästinensischen Kabinettsmitglieder haben am 26. Jan. ihre Ämter niedergelegt. Anlass waren inoffizielle Wahlergebnisse, nach denen die radikal-islamische Hamas stärkste politische Kraft geworden sein soll. Der palästinensische Premierminister Ahmed Qrea teilte mit, durch den Rücktritt solle die Hamas befähigt werden, eine neue Regierung zu bilden. Das meldet der israelische Rundfunk. Nach den Parlamentswahlen war der Rücktritt der Minister eine Formsache. Doch der frühe Zeitpunkt - Stunden vor der erwarteten Bekanntgabe offizieller Wahlergebnisse - war überraschend.
    Nach dem palästinensischen Gesetz muss der Vorsitzende der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, die Partei mit den meisten Stimmen beauftragen, ein neues Kabinett zu bilden.
    Unterdessen wiederholte die Hamas ihren Willen, den Kampf gegen Israel fortzusetzen: "Einerseits werden wir die Agenda des Widerstands beibehalten", sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri. "Andererseits wollen wir Wandel und Reform in der palästinensischen Arena bewirken."
  • US-Präsident George W. Bush hat die radikal- islamische Palästinenserorganisation Hamas am 26. Jan. erneut aufgefordert, dem Ziel einer Zerstörung Israels abzuschwören. Niemand könne sich an einem Friedensprozess beteiligen, der seinen Partner zerstören wolle, sagte Bush in Washington.
  • Am 26. Jan. haben in Ramallah Hamas-Anhänger versucht, ihre Fahne über dem Parlament zu hissen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit Fatah-Gefolgsleuten.
  • Trotz der Niederlage seiner Fatah-Partei bleibt Mahmud Abbas Vorsitzender der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Er wolle das politische Programm fortführen, an dem er gearbeitet habe, sagte Abbas am 26. Jan. vor Journalisten. Die Diskussionen über die neue Regierung wolle er beenden und sich mit der Zukunft befassen. Er habe vor, die politischen Gespräche mit Israel fortzusetzen, die er begonnen habe. Dadurch wolle er sein Programm einer friedlichen Lösung für die Situation mit den Israelis ausführen. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur "Ma´an" forderte der PA-Vorsitzende die neue Regierung auf, sich den Herausforderungen zu stellen. Dazu gehörten die Sperranlage, die Angelegenheit der Häftlinge in israelischen Gefängnissen und die Flüchtlingsfrage.
  • Israelische Soldaten haben am 26. Jan. im Gazastreifen ein palästinensisches Mädchen erschossen. Armeeangaben zufolge hatte die Neunjährige eine verdächtige Tasche in Richtung Grenzzaun getragen. Die Soldaten sahen die Palästinenserin von weitem und vermuteten, dass die Tasche Sprengsätze enthalte. Sie forderten sie zum Anhalten auf und gaben Warnschüsse in die Luft ab. Als sie darauf nicht reagierte, erschossen die Israelis das Mädchen, hieß es in einer Armeemitteilung.
    Laut der Tageszeitung "Ha´aretz" fand eine palästinensische Ambulanz die Leiche des Mädchens Stunden nach dem Vorfall. Sie wurde in ein Krankenhaus in Chan Junis gebracht. Das Mädchen wurde als Aja-Al Astal identifiziert. Nach Angaben palästinensischer Polizisten war sie am Genick getroffen worden.
  • Die radikal-islamische Hamas hat bei den palästinensischen Parlamentswahlen die absolute Mehrheit erreicht. Sie erhält nun 76 der 132 Sitze im Palästinensischen Legislativrat (PLC). Die bisher regierende Fatah-Bewegung kommt nur noch auf 43 Mandate. Die marxistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) kann drei Abgeordnete stellen. Das teilte der Zentrale Wahlausschuss am Abend des 26. Jan. mit.
  • Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, hat die Hamas aufgefordert, den Staat Israel anzuerkennen. Damit schloss er sich ranghohen Politikern aus westlichen Ländern an. Die Hamas müsse trotz ihrer bisher vertretenen Standpunkte die Initiative von Beirut akzeptieren, sagte Mussa am 27. Jan. beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Initiative hatte zu einer vollständigen arabischen Anerkennung Israels aufgerufen. Der diplomatische Prozess müsse den Richtlinien von Beirut folgen, fügte Mussa hinzu. Die Initiative war 2002 von der Arabischen Liga verabschiedet worden. Sie sieht unter anderem einen vollständigen israelischen Abzug aus den Palästinensergebieten vor. Israels Premier Ariel Scharon hatte die Initiative abgelehnt.
  • In Gaza steckten bewaffnete Demonstranten am Wochenende (28./29. Jan.) mehrere Fahrzeuge an, die palästinensischen Abgeordneten gehörten. Sie schossen in die Luft und rissen Plakate ab, die den früheren Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin zeigten. Die Palästinenser marschierten durch die Straßen und forderten die "alte Garde" der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zum Rücktritt auf. Viele unterstützen den Vorsitzenden der Präventiven Sicherheit, Mohammed Dahlan. Der frühere Minister schloss sich dem Aufruf an. Er forderte eine Dringlichkeitssitzung der Fatah-Generalversammlung, um eine neue Führung für die Bewegung zu bestimmen.
    Bei verschiedenen Auseinandersetzungen am Wochenende wurden mindestens zwölf Palästinenser verletzt, darunter acht Polizisten. In Chan Junis im Gazastreifen gab es in der Nacht zum 28. Jan. Zusammenstöße zwischen Anhängern der Fatah und der Hamas. Zu gewaltsamen Vorfällen kam es zudem in Bethlehem, Nablus, Hebron und Dschenin.
  • Der Zentrale Wahlausschuss (CEC) hat am 29. Jan. das amtliche Endergebnis der palästinensischen Parlamentswahlen bekannt gegeben. Demnach erhält die radikal-islamische Hamas 74 Sitze im Palästinensischen Legislativrat (PLC), die Fatah-Bewegung kann 45 Abgeordnete stellen. Im Vergleich zu den ersten Endergebnissen, die am 26. Jan. veröffentlicht wurden, gibt es eine leichte Veränderung: die Hamas hat zwei Sitze weniger, die Fatah zwei Mandate mehr. Der CEC begründet dies damit, dass am Donnerstag erst 95 Prozent der Stimmen ausgezählt waren. Laut Endergebnis hat die Fatah zusätzlich einen Sitz über die Wahllisten und einen im Bezirk Chan Junis gewonnen.
    Die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) kann drei Mandate für sich verbuchen. Die "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP), die sich mit weiteren Fraktionen zur Liste "Die Alternative" zusammengeschlossen hat, erhält zwei Sitze. Ebenfalls zwei Abgeordnete stellt die Liste "Unabhängiges Palästina" von Mustafa Barghuti. Auch der frühere Finanzminister Salam Fajjad und die ehemalige Ministerin Hanan Aschrawi gewinnen mit ihrer Liste "Der dritte Weg" zwei Mandate. Die restlichen vier Sitze gehen an unabhängige Kandidaten.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am 29. Jan. zu ihrem ersten Besuch in Israel eingetroffen. Sie ist das erste Regierungsoberhaupt, das nach dem Wahlsieg der Hamas ins Land kommt - ein Treffen mit Vertretern der radikal-islamischen Gruppe lehnt sie strikt ab. Ihr 24-Stunden-Besuch ist zudem der erste Staatsbesuch in Israel, seit Premier Ariel Scharon einen Schlaganfall erlitt. Nach einem Treffen mit dem regierenden Premier Ehud Olmert antwortete Merkel auf die Frage, ob es die Chance zu einem Dialog mit der Hamas gebe, mit einem klaren "Nein". Sie fügte hinzu: "Die Hamas ist bei der EU als Terror-Organisation gelistet".
  • Israels Verteidigungsminister Schaul Mofas zeigte sich am 29. Jan. zuversichtlich, dass die radikal-islamische Hamas nach ihrem Wahlsieg vom Terror Abstand nehmen wird. Die Hamas verhalte sich seit ihrem Wahlsieg am 25. Jan. relativ verantwortungsbewusst, sagte Mofas bei der wöchentlichen Kabinettssitzung am Sonntag (29. Jan.). Er gehe davon aus, dass die Gruppe von Terror-Anschlägen Abstand nehmen werde. Die israelische Regierung müsse gegenüber der Hamas jedoch eine klare Linie verfolgen: Die Hamas "muss ihre Charta aufheben und sich entwaffnen, und dann werden sie klarer in die Zukunft sehen können", sagte Mofas.
    Israels regierender Premier Ehud Olmert hatte erklärt, dass Israel die Zahlungen an die PA eingefroren habe. "Es muss ganz klar sein, dass wir keine Transferzahlungen leisten, mit denen Terror-Anschläge gegen unsere Zivilisten finanziert werden können", sagte Olmert gegenüber dem israelischen Rundfunk. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es sei "undenkbar", dass deutsches Geld an eine Autonomiebehörde flösse, die Terror unterstütze.
Montag, 30. Januar, bis Dienstag, 31. Januar
  • Ein Hamas-Führer in Gaza, Ismail Hania, bat bei einer Pressekonferenz am 30. Jan. die internationale Gemeinschaft darum, die PA trotz des Wahlausganges weiter finanziell zu unterstützen. "Wir rufen Sie auf, alle Hilfe an das palästinensische Finanzministerium zu transferieren", sagte Hania. Die Hamas werde das Geld nicht für den bewaffneten Kampf gegen Israel benutzen, sondern "für Gehälter, das tägliche Leben und die Infrastruktur". Ohne Hilfe aus dem Ausland stehe die Autonomiebehörde vor dem Bankrott, warnte Hania.
  • Der ranghöchste Hamas-Führer im Gazastreifen, Mahmud a-Sahar, hat mehrere Bedingungen genannt, die Israel erfüllen muss, damit es einen "Waffenstillstand" geben könne. Seine Haltung gegenüber Israel habe sich seit dem Wahlsieg der Hamas wenig geändert, sagte A-Sahar in einem Interview in der Sendung "Late Edition" mit Wolf Blitzer vom amerikanischen Nachrichtensender CNN am 30. Jan. Ein "Waffenstillstand" ("Hudna") sei möglich, jedoch an Bedingungen geknüpft: "Wenn Israel bereit ist, unserem Anspruch auf die Gebiete von 1967 nachzukommen und sich aus den besetzen Gebieten zurückzieht; wenn es unsere Gefangenen freilässt; die Aggression beendet; einen geographischen Zusammenhang zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland herstellt, dann werden wir einen unabhängigen Staat gründen und in ein, zwei, zehn oder 15 Jahren werden wir sehen, was Israels wahre Absichten sind." Insgesamt gelte jedoch: "Verhandlung ist nicht unser Ziel. Verhandlung ist eine Methode." Die Hamas sei eine "Befreiungsorganisation", betonte der Hamas-Führer.
  • Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte, dass ein Politikwechsel der Hamas nötig sei. "Der Schlüssel liegt in den palästinensischen Gebieten selbst", sagte Steinmeier am Rande der Beratungen der EU-Außenminister am 30. Jan. in Brüssel zur Frage, ob die Europäische Union auch weiterhin die Palästinenserbehörde finanzieren werde. "Dort muss entschieden werden, ob man den politischen Weg geht - und das heißt Verzicht auf Gewalt, Niederlegung der Waffen und Anerkennung des Existenzrechtes Israels." Der Außenminister fügte hinzu: "Wenn das der Fall ist, dann werden sich Optionen öffnen. Wenn nicht, dann wird die Entscheidung dort anders getroffen."
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will seine Politik einer friedlichen Lösung des Nahost-Konflikts auch nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas fortsetzen. Das bekräftigte er bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 29. Jan. Es gebe nichts, was ihn darin hindere, seine Amtszeit fortzusetzen. Merkel betonte, dass die finanzielle Unterstützung für die Palästinenser an einen Kurswechsel der Hamas gebunden sei. Sie nannte eine Anerkennung des Existenzrechts Israels sowie den Verzicht auf Gewalt als Bedingungen.
  • In Brüssel sagte die amtierende EU-Ratsvorsitzende und österreichische Außenministerin Ursula Plassnik nach einer Sitzung mit ihren EU-Kollegen am 30. Jan., die Hamas müsse auf Gewalt verzichten und das Existenzrecht Israels anerkennen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) riet dabei von politischen Ultimaten ab. "Wir rechnen damit, dass der Prozess der Regierungsbildung einige Wochen, wenn nicht einige Monate dauert." Die EU hat seit 2003 jährlich Finanzhilfen in Höhe von rund 500 Millionen Euro in die Palästinensergebiete geschickt.
  • Die Hamas ist Befürchtungen entgegentreten, sie wolle ausländische Finanzhilfen für den bewaffneten Kampf gegen Israel einsetzen. Ein ranghoher Führer der radikal-islamischen Bewegung bat in Gaza die internationale Gemeinschaft, die Palästinenser weiter zu unterstützen. "Wir rufen Sie auf, alle Hilfe an das palästinensische Finanzministerium zu transferieren", sagte der Hamas-Führer Ismail Hanijeh am 30. Jan. Das gesamte Geld werde "für Gehälter, das tägliche Leben und die Infrastruktur verwendet", versicherte er. Ohne Hilfe aus dem Ausland stünde die Autonomiebehörde vor der Zahlungsunfähigkeit. Vor diesem Hintergrund forderte Hanijeh das so genannte Nahost-Quartett zu "direkten und offenen Gesprächen" mit seiner Bewegung auf.
  • Das Nahost-Quartett aus UNO, EU, den USA und Russland hat die Hamas am Abend des 30. Jan. in London zum Gewaltverzicht und zur Anerkennung des Existenzrechts Israels aufgerufen. Finanzhilfen würden künftig daran geknüpft, ob die palästinensische Regierung diese Prinzipien erfülle, hieß es in einer Erklärung.
    Die radikalislamische Hamas will sich durch die internationalen Geldgeber der Palästinenser nicht unter Druck setzen lassen und am bewaffneten Kampf festhalten. Eine Koppelung der Finanzhilfen an einen Gewaltverzicht und die Anerkennung des Existenzrechts Israels bezeichnete der im Exil lebende Hamas-Führer Chaled Meschaal als "Epressung". Die Drohungen der USA und der EU, die Hilfen zu kürzen, seien "vergebens". Es gebe andere Geldgeber, sagte der Hamas-Führer am 31. Jan.



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