Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

1. bis 16. Juli 2004

Chronologie der Ereignisse

1. bis 4. Juli
  • In Beit Hanun im Gazastreifen haben israelische Soldaten in der Nacht zum 1. Juli ein Mitglied der Hamas erschossen. Zu dem Vorfall in Beit Hanun teilten die Streitkräfte mit, Soldaten hätten mehrere bewaffnete Männer entdeckt und das Feuer eröffnet. Die Hamas erklärte, eines ihrer Mitglieder sei getötet worden.
    Östlich der Stadt rissen israelische Planierraupen am Abend hunderte Olivenbäume nieder, wie Anwohner berichteten. Ein Bauer bestätigte die Darstellung der israelischen Streitkräfte, wonach der Olivenhain von militanten Palästinensern als Versteck für selbst gebaute Raketen genutzt wurde.
    Israelische Soldaten haben einen neunjährigen palästinensischen Jungen im Gazastreifen erschossen. Der Junge sei bei einer israelischen Militäraktion am 1. Juli in Rafah im südlichen Gazastreifen tödlich in den Kopf getroffen worden, teilten Krankenhausmitarbeiter und Augenzeugen mit. An der Militäraktion waren den Angaben nach rund 15 israelische Fahrzeuge beteiligt.
  • Die israelische Armee ist am Morgen des 1. Juli in die autonome Stadt Jericho im Westjordanland eingedrungen. Nach Angaben eines Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP verhängte sie eine Ausgangssperre und riegelte die Stadteingänge ab. In vier Vierteln kam es zu Schießereien. Mindestens ein Palästinenser wurde verletzt. 34 Palästinenser wurden demnach festgenommen. Die Soldaten bezogen später Stellung im Stadtzentrum. Zwei Kampfhubschrauber begleiteten den Einsatz.
    Auch in Nablus im Norden des Westjordanlandes durchsuchten Soldaten den Angaben zufolge in einer groß angelegten Razzia zahlreiche Häuser nach Aktivisten. Die Durchsuchungsaktion sei anschließend im nahen Flüchtlingslager Dschenin fortgesetzt worden.
  • Hamas-Anhänger haben am 1. Juli nach eigenen Angaben in Gaza ein Gebäude mit mehreren israelischen Soldaten umstellt. Kämpfer des bewaffneten Arms der radikalislamischen Palästinenserorganisation hätten ein Wohngebäude des Seitun-Viertels von Gaza eingekreist, teilte die Hamas mit. In dem Gebäude hielten sich Soldaten einer israelischen Spezialeinheit verschanzt. Israelische Kampfhubschrauber hätten das Feuer eröffnet, berichtete AFP.
  • Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben am späten Abend des 1. Juli fünf mutmaßliche palästinensische Extremisten in der Nähe von Gaza-Stadt getötet. Ein Armeesprecher sagte, dadurch sei ein geplanter schwerer Angriff auf der von jüdischen Siedlern und Soldaten benutzten Straße Karni-Netzarim vereitelt worden. Wegen der Dunkelheit habe der Tod der fünf Palästinenser zunächst jedoch noch nicht endgültig bestätigt werden können. Palästinensische Sanitäter konnten die Toten zunächst nicht finden.
  • Nach dem Urteil des Obersten Gerichts in Jerusalem will der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas den gesamten Verlauf des Sperrwalls im Westjordanland überprüfen lassen. Wie am 1. Juli aus Sicherheitskreisen verlautete, wollte Mofas mit Ministerpräsident Ariel Scharon über die Entscheidung der obersten Richter von Mittwoch beraten.
  • Ministerpräsident Sharon hat sich bereit erklärt, den Verlauf der Mauer im Westjordanland zu ändern. Der Zeitung Haaretz sagte er am 2. Juli: "Wir dürfen keine Enklaven schaffen." Er sei bereit, Teile des "Zauns" "ein bisschen näher an die Grüne Linie heranzurücken". Wenn es die Sicherheit aber erfordere, mache er "keine Zugeständnisse". Das Oberste israelische Gericht hatte am 30. Juli den Verlauf des Grenzwalls für rechtswidrig erklärt.
  • Palästinenser haben einen Landsmann wegen angeblicher Kollaboration mit Israel öffentlich hingerichtet. Mohammad Taufik Daraghmeh sei von fünf Anhängern der El-Aksa-Brigaden am 2. Juli ins Zentrum von Kabatija im Norden des Westjordanlandes geführt und dort erschossen worden, berichteten Augenzeugen. In einer Erklärung hätten sie dem 45-Jährigen vorgeworfen, seit 15 Jahren heimlich mit Israel zusammenzuarbeiten. Er habe palästinensische Aktivisten an die israelischen Armee verraten.
  • Aus dem nördlichen Gazastreifen sind am 2. Juli erneut drei selbstgebaute Raketen vom Typ Kassam auf eine südisraelische Ortschaft abgefeuert worden. Die Raketen sei auf Sderot niedergegangen, ohne dass jemand verletzt worden sei, sagte ein Sprecher der israelischen Armee.
  • Israelische Soldaten haben am 3. Juli im nördlichen Gazastreifen ein palästinensisches Kind erschossen. Das neun Jahre alte Kind sei in Beit Hanun bei Zusammenstößen zwischen Steine werfenden Jugendlichen und den israelischen Truppen getötet worden, sagten Krankenhausmitarbeiter. Ein weiterer Jugendlicher sei angeschossen worden.
  • Im Flüchtlingslager Balat bei Nablus erschossen israelische Soldaten am 3. Juli einen 20-jährigen Palästinenser.
  • Am 4. Juli wurde nahe Dschenin ein jüdischer Siedler erschossen. Wenig später griffen Palästinenser einen Bus zwischen den Siedlungen Kadim und Ganim an.
  • In der Nähe von Nablus erschossen israelische Soldaten einen Mann, der Wachleute einer jüdischen Siedlung angegriffen hatte.
    Außerdem wurde am 4. Juli der Fahrer eines Kleinbusses erschossen, der westlich von Jerusalem eine Aufforderung zum Anhalten missachtete.
5. bis 11. Juli
  • In der Nacht zum 5. Juli griffen israelische Kampfhubschrauber Ziele in Gaza Stadt an. Zehn Raketen wurden abgefeuert und mehrere Menschen verletzt.
    Im südlichen Gazastreifen wurde am 5. Juli ein palästinensischer Passant von israelischen Soldaten erschossen.
  • Der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien, Mohamed ElBaradei, reist am 5. Juli zu einem zweitägigen Besuch nach Israel. Er will dort die israelische Regierung zur Offenlegung ihres Atomprogramms auffordern und Inspektionen in den Forschungsanlagen des Landes anmahnen. Wie aus seiner Behörde verlautete, sei es ein Routinebesuch, bei dem die Idee einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten geworben würde.
    Anlässlich des Besuchs des Direktors der IAEO in Israel am 6. und 7. Juli hat Premier Scharon am 6. Juli das Festhalten an der sogenannten atomaren "Zweideutigkeit" unterstrichen, die für die Sicherheit seines Landes "unverzichtbar" sei. Im Militärrundfunkt sagte Scharon: "Ich weiß nicht, was er hier zu suchen hat. Israel muss über alle Komponenten der für seine Verteidigung erforderlichen Mittel verfügen. Unsere Politik der atomaren Zweideutigkeit hat sich bewährt und muss fortgesetzt werden."
  • Bei einer Razzia israelischer Soldaten im Westjordanland sind am 6. Juli ein palästinensischer Hochschullehrer und sein 16-jähriger Sohn erschossen worden. Nach palästinensischen Berichten klopften die Soldaten an der Tür des Professors Khaled Sallah an der An-Najah-Universität von Nablus. Nachdem dieser und sein Sohn die Tür geöffnet hatten, eröffneten die Soldaten das Feuer. Die Armee erklärte, sie seien auf der Suche nach zwei flüchtigen Mitgliedern der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" gewesen. Insgesamt kamen bei dem Militärgroßeinsatz vier Palästinenser und ein israelischer Soldat ums Leben.
  • US-Außenminister Colin Powell hat sich am 7. Juli gegenüber seinem israelischen Kollegen Silvan Shalom "ein wenig enttäuscht" gezeigt über die schleppende Räumung "illegaler Außenposten" von jüdischen Siedlungen. Shalom habe aber zugesichert, dass die israelische Regierung hart an der Räumung arbeite. Außerdem halte sich Israel an den Friedensfahrplan (Roadmap).
  • Israel lehnte am 7. Juli ein Treffen mit Vertretern des sog. Nahost-Quartetts (USA, UN, EU, Russland) in Jerusalem ab. Das Quartett hatte die Roadmap ausgearbeitet. Die israelische Regierung, so hieß es, wolle erst ihre eigene Position klären. Die Zeit für eine Zusammenarbeit mit dem Quartett sei noch nicht gekommen.
  • IAEO-Chef ElBaradei hat am 7. Juli in Tel Aviv die Gespräche über das israelische Nukleararsenal und einen atomwaffenfreien Nahen Osten begonnen. Er traf sich mit Gideon Franck, dem Präsidenten der israelischen Atomenergiekommission.
    Nach den Worten des Chefs des israelischen Militärgeheimdienstes, General Aharon Seevi Farkash verfüge der Iran bis zum Jahr 2007 über die Atombombe. Gelänge es dem Iran, sein Atomprogramm bis 2005 fortzusetzen, werde das Land in den folgenden zwei Jahren die Atombombe besitzen. Dies sei nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt "beunruhigen", sagte Farkash.
  • Gutachten des IGH: Mauer ist illegal
    Am 9. Juli hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag sein Gutachten zur umstrittenen Sperranlage in den von Israel besetzten Gebieten vorgelegt (siehe den Spruch im Wortlaut - englisch - als pdf-Datei: LEGAL CONSEQUENCES OF THE CONSTRUCTION OF A WALL IN THE OCCUPIED PALESTINIAN TERRITORY (verbatim)
    . Das aus 15 Richtern bestehende höchste Gericht der Vereinten Nationen setzte sich mit den recthlichen Konsequenzen des "Schutzwalls" auseinander. Gerichtspräsident Shi Jiuyong (China) machte deutlich, dass die UN-Generalversammlung das Recht habe, zu allen juristischen Fragen ein Gutachten beim IGH einzuholen. Der IGH habe somit auch seine Kompetenzen nicht überschritten. Damit wies der IGH auch die Kritik Israels zurück, wonach es sich bei dem Streit um die Mauer um eine politische Frage handle. Der Gerichtspräsident betonte, im Unterschied zu Israel und UN-Generalsekretär Kofi Annan spreche das Gericht nicht von einem Zaun oder einer "Barriere", sondern von einer Mauer. Jiuyong machte auch deutlich, dass die IV. Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten auf diesen Fall anzuwenden sei. Israel und Jordanien haben vor dem Ausbruch des Krieges 1967 die Konvention anerkannt. Die Mauer im Westjordanland und rund um Jerusalem verstößt nach Ansicht des IGH gegen internationales Recht. Weil die Palästinenser in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt würden, verletze Israel das Völkerrecht. In dem Zusammenhang wurden die Nachteile hervorgehoben, die sich für die Palästinenser bei der Arbeitssuche, bei Bildungsanstrengungen und bei der Gesundheitsversorgung ergäben.
    Israel wird aufgefordert, den Bau der Mauer zu stoppen. Im Westjordanland und rund um Ostjerusalem müsse die Sperranlage abgebrochen werden. Die enteigneten Palästinenser müssten entschädigt werden. Der IGH teilt auch nicht die Meinung der israelischen Regierung, dass die Mauere eine Sicherheitsvorkehrung gegen den plaästinensischen Terrorismus sei. Die Abschnitte, die sisch gemäß den 1967 festgelegten Grenzen auf dem Territorium Israels befinden, wurden vom IGH nicht beurteilt.
    Der Spruch der Richter, die Mauer sei illegal, wurde mit 14 gegen eine Stimme (Richter Thomas Buerghenthal, USA) verabschiedet. Lediglich bei der Aufforderung, sämtliche Staaten sollten sich dem Mauerbau widersetzen, bekam Buerghenthal Unterstützung durch den niederländischen Richter Pieter Kooijmans.
    Der Spruch des IGH hat keine bindende Wirkung. Er ist aber eine politische und moralische Niederlage für den israelischen Premier Ariel Scharon. Auch die EU und die USA, die sich dagegen ausgesprochen hatten, dass der IGH sich mit der Mauer befasst, stehen als Verlierer da. Dies hinderte die EU-Kommission am 9. Juli indessen nicht, sich bestätigt zu fühlen und Israel zum Abbruch der Mauer aufzufordern.
    Israel hat in einer Stellungnahme noch einmal die Zuständigkeit des IGH in dieser Frage abgelehnt. Das Gutachten sei unausgewogen. Justizminister Yosef Lapid erklärte am 9. Juli, dass die israelische Regierung nur Urteile des eigenen Obersten Gerichts anerkenne. Dieses hatte vor zehn Tagen geurteilt, dass der Verlauf der Mauer in einem 35 km langen Abschnitt nördlich von Jerusalem geändert werden müsse. Begründung: der Eingriff sei für die dortigen Palästinenser unzumutbar.
    Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kurei sprach von einem "historischen Tag". Die "Hass-Mauer" solle abgerissen werden. Palästinenser-Präsident Jassir Arafat forderte Sanktionen gegen Israel.
    Der demokratische Präsidentschaftsbewerber der USA, John Kerry, ist enttäuscht über die Empfehlung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu Israels Sperranlage entlang des Westjordanlands. "Israels Zaun ist eine rechtmäßige Antwort auf den Terror", erklärte Kerry am 9. Juli. Die Entscheidung des Gerichts habe ihn deshalb "zutiefst enttäuscht". Die Anlage sei für Israel "ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen den Terrorismus". Darüber zu entscheiden sei "nicht Sache des IGH".
    Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth (Grüne), hat dagegen das Gutachten des Internationalen Gerichtshofüber die Sperranlage in Israel als "wegweisende Entscheidung" bezeichnet. "Der Oberste Gerichtshof hat klar gestellt, dass der Zweck eben doch nicht die Mittel heiligt", sagte die Politikerin der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 10. Juli). "Der Kampf gegen terroristische Übergriffe und Gewalt rechtfertigt nicht den Einsatz von Mitteln, die ihrerseits internationales Recht verletzen", sagte Roth.
    "Wir denken nicht, dass es angemessen ist, dass dieser Fall von dieser Instanz untersucht wird", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, am 10. Juli. Das Problem sollte durch den "in Gang gesetzten Prozess, speziell die Roadmap" gelöst werden, sagte McClellan. US-Außenamtssprecher Richard Boucher warnte davor, dass die IGH-Entscheidung von der "politischen Arbeit" ablenke. Er riet zugleich der palästinensischen Seite eindringlich davon ab, von den Vereinten Nationen eine Durchsetzung der Entscheidung zu verlangen. US-Außenminister Colin Powell wies darauf hin, dass es Israel mit der Anlage gelungen sei, die Zahl der Anschläge zu verringern. Die Sperranlage dürfe aber nicht einer endgültigen Grenzziehung vorgreifen oder in palästinensisches Gebiet dringen.
    Die israelische Regierung warf den Richtern Einseitigkeit vor. Sie hätten in ihrer Entscheidung "vollkommen den palästinensischen Terrorismus ignoriert", der überhaupt erst zum Bau der Anlage geführt habe", erklärte die Regierung. Was von dieser Entscheidung übrig bleiben wird, ist ein Akt antiisraelischer Propaganda", sagte Lapid der Zeitung "Welt am Sonntag" (11. Juli). Der Sperrzaun sei eine politische, keine juristische Frage.
  • Israelische Soldaten haben nach palästinensischen Angaben am 10. Juli im südlichen Gazastreifen eine 16-Jährige getötet. Nach Krankenhausangaben wurde die Jugendliche in einem Haus in Rafah tödlich getroffen, als israelische Panzer ein Wohnviertel beschossen. Aus israelischen Militärkreisen verlautete hingegen, der Zwischenfall sei nicht bekannt.
  • Bei einer Explosion in einem Fahrzeug sind am 10. Juli im Gazastreifen mindestens vier Palästinenser getötet worden. Palästinensische Augenzeugen berichteten, das Auto sei auf der Küstenstraße nahe einer Siedlung gefahren, als es plötzlich "von innen explodierte". Aus Krankenhauskreisen war jedoch die Rede von einem israelischen Granatenangriff aus einem Panzer. Eine Armeesprecherin bestritt hingegen jegliche Verbindung Israels mit dem Vorfall.
  • Bei einem Bombenanschlag in der Nähe des Busbahnhofs in Tel Aviv ist am 11. Juli ein Mensch getötet, mindestens 21 Menschen sind verletzt worden. Das teilte die Polizei mit. Ein Opfer sei schwerverletzt. Die Scheiben eines Busses in der Nähe seien zerborsten. Die Explosion habe sich auf der Straße Har Zion in Nachbarschaft zum früheren Fernbusbahnhof von Tel Aviv ereignet. Der Sprengsatz war laut Polizei in der Nähe des Busbahnhofs platziert. Polizisten durchkämmten mit Suchhunden die Umgebung, um mögliche weitere Bomben rechtzeitig zu finden. Einen Selbstmordanschlag schlossen die Behörden aus.
    "Vor einer Stunde ist eine Israelin von kriminellen palästinensischen Terroristen ermordet worden", sagte Scharon am zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung. "Der Mord von heute morgen ist der erste, der unter der Schirmherrschaft des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag verübt worden ist." Zuvor hatte Scharon gesagt, dass Israel den Beschluss des Gerichts zu der Sperranlage entlang des Westjordanlands als einseitig betrachte und ablehne. Nach einer Beratung mit seinen Ministern hat Scharon angewiesen, die Bauarbeiten fortzusetzen, sagte ein Regierungsvertreter am 11. Juli.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat Israel aufgefordert, sich an internationales Recht zu halten. "Ich denke, die Entscheidung des Gerichts ist klar", sagte Annan am 11. Juli in der thailändischen Hauptstadt Bangkok, wo er sich zur Eröffnung der 15. Welt-Aids-Konferenz aufhielt. Die israelische Regierung trage eine Verantwortung "und in der Tat die Verpflichtung, ihre Bürger zu schützen". Trotzdem müsse ihr Handeln in Einklang mit internationalem Recht stehen und "die Interessen der Palästinenser respektieren".
  • Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat den Bombenanschlag in Tel Aviv verurteilt. "Sie wissen ganz genau, wer hinter solchen Taten steckt", sagte Arafat am 11. Juli an seinem Amtssitz in Ramallah vor Journalisten. "Israel weiß es, die Amerikaner wissen es, und die Europäer wissen es", sagte er ohne weitere Erklärungen. "Wir verurteilen diese Tat, so wie wir derartige Taten immer verurteilt haben." In der Vergangenheit hatte Arafat die israelischen Geheimdienste offen bezichtigt, hinter Attentaten auf Israelis zu stecken.
    Auch der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia hat den Anschlag in Tel Aviv verurteilt. Die Palästinenser sprächen sich gegen jede Tat aus, die die Situation verschlimmere, sagte Kureia am 11. Juli.
12. bis 16. Juli
  • Die israelische Armee hat bei einem Militäreinsatz im Gazastreifen einen behinderten palästinensischen Mann getötet. Der auf einen Rollstuhl angewiesene 75-Jährige sei getötet worden, als die Armee sein Haus im südlichen Gazastreifen zerstört habe, teilten Ärzte in der Stadt Chan Junis am frühen Morgen des 12. Juli mit. Die Leiche des Mannes sei nach der Militäraktion in den Trümmern des Hauses gefunden worden.
  • Der israelische Regierungschef Ariel Scharon hat seiner Parlamentsfraktion mit Neuwahlen gedroht, sollte sie der von ihm vorgeschlagenen Koalition mit der oppositionellen Arbeitspartei die Zustimmung verweigern. Wenn seine Parteifreunde vom Likud-Block diese Koalition nicht wollten, müssten sie seine Regierung unterstützen, forderte Scharon am 12. Juli. Derzeit stehe die Fraktion aber politisch weiter rechts als die Regierung. Alternative sei daher nur die Ausschreibung von vorgezogenen Neuwahlen. "Ich sage das so offen wie möglich, diese Situation kann so nicht weitergehen", kritisierte der Ministerpräsident.
    Nach den Gesprächen zwischen Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und Oppositionsführer Schimon Peres zeichnet sich eine Einigung über eine gemeinsame Regierung ab. Er sei "optimistisch" über einen schnellen Abschluss der Verhandlungen, sagte Peres am 12. Juli im israelischen Staatsfernsehen.
  • Die Chancen für die Errichtung eines Palästinenserstaates im kommenden Jahr schwinden nach US-Auffassung immer mehr. US-Außenamtssprecher Richard Boucher begründete das am 12. Juli mit der andauernden Gewalt und der Unfähigkeit der Autonomiebehörde, die Angriffe militanter Palästinenser auf Israelis zu unterbinden. Im Mai hatte US-Präsident George W. Bush im einem Zeitungsinterview die Errichtung eines Palästinenserstaates im kommenden Jahr bereits als "unrealistisch" bezeichnet.
  • Acht Jahre nach einem tödlichen Angriff auf einen Amerikaner und seine israelische Frau im Westjordanland hat ein US-Gericht die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und die Autonomiebehörde für mitverantwortlich erklärt. Bezirksrichter Ronald Lagueux in Providence im US-Staat Rhode Island wies beide in seinem Urteil vom 12. Juli an, jeweils rund 116 Millionen Dollar (95 Millionen Euro) Entschädigung zu zahlen. Der Anwalt des getöteten Paares hatte vor vier Jahren Klage unter dem Anti-Terror-Gesetz von 1991 erhoben und argumentiert, PLO und Autonomiebehörde hätten die Gewalt militanter Gruppen ermöglicht. Ähnliche Eingaben gegen Organisationen liegen auch in New York vor. Dort haben Angehörige der Terroropfer vom 11. September 2001 unter anderem das Terrornetzwerk Al Kaida und mehrere Regierungen verklagt.
  • Israels Armee hat einen zentralen Kontrollposten im Gazastreifen gesperrt und das autonome Gebiet damit geteilt. Nach palästinensischen Angaben stellten die Soldaten am Abu-Holi-Posten schwere Zementblöcke auf. Hunderttausende Palästinenser können nun nicht mehr zwischen dem Norden und Süden des Gazastreifens hin- und herreisen. Vielen Menschen ist durch die Maßnahme der Zugang zu Arbeitsplätzen, Schulen und Krankenhäusern versperrt. Ein israelischer Armeesprecher sagte am 13. Juli, der Bericht werde geprüft.
  • Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat offenbar auch zwei religiöse Parteien zu Koalitionsverhandlungen aufgefordert. Dabei handele es sich um die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum, verlautete am 13. Juli in Jerusalem. Das Angebot des Likud-Politikers an die religiösen Parteien sei eine Warnung an die Arbeiterpartei, keine überzogenen Forderungen zu stellen, hieß es.
  • Israelische Soldaten haben am 13. Juli in der Palästinenserstadt Dschenin im nördlichen Westjordanland den örtlichen Führer der radikalen Gruppe Islamischer Dschihad getötet. Nach Angaben von Einwohnern wurde der 38-Jährige von einer verdeckten Armee-Einheit in seinem Wagen erschossen, nachdem er eine Klinik in der Stadt verlassen hatte. Bei einem Schusswechsel im Bereich des Krankenhauses sei dann ein weiterer Palästinenser verletzt worden.
  • Jüdische Siedler im Westjordanland sind in Verdacht geraten, einen Brunnen der Palästinenser mit toten Hühnern vergiftet zu haben. Nach Angaben eines israelischen Polizeisprechers vom 13. Juli werden Siedler eines illegalen Außenpostens nahe der palästinensischen Ortschaft Tatwana verdächtigt, die Tierkadaver am Sonntag in den Brunnen geworfen zu haben. Die Polizei hatte die Ermittlungen nach Beschwerden von Einwohnern aufgenommen. Ein Sprecher der Siedler wies die Vorwürfe zurück und machte Auseinandersetzungen unter den Palästinensern für den Vorfall verantwortlich.
  • Die oppositionelle israelische Arbeitspartei ist zu Verhandlungen über die Bildung einer großen Koalition mit der Likud-Partei von Ministerpräsident Ariel Scharon bereit. Sie möchte so den geplanten Abzug Israels aus dem Gazastreifen sicherstellen. Die Parteiführung habe dem Vorschlag des Vorsitzenden Schimon Peres zugestimmt, in Gespräche über eine Regierungsbeteiligung einzutreten, sagte ein Sprecher am 13. Juli: Der von Scharon geplante Abzug aus dem Gazastreifen "darf nicht an uns scheitern".
  • Israel will den geplanten Verlauf der Sperranlage zum Westjordanland nach Angaben israelischer Medien zu Gunsten der Palästinenser verändern. Damit reagiere die Armee jedoch nicht auf das ablehnende Gutachten des Internationalen Gerichtshofes von Den Haag, sondern auf ein Grundsatzurteil des eigenen obersten Gerichtes, hieß es am 13. Juli. Die israelischen Richter hatten vor zwei Wochen entschieden, dass der Verlauf der Sperranlage in einem 30 Kilometer langen Abschnitt nördlich von Jerusalem zu Gunsten der Palästinenser verschoben werden müsse.
  • Der UN-Nahostbeauftragte Terje Roed-Larsen hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat politisches Versagen vorgeworfen. In den Palästinensergebieten herrsche ein "ständig wachsendes Chaos", sagte Roed-Larsen am 13. Juli vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Arafat habe einen "Mangel an politischem Willen" zur Reform der palästinensischen Autonomiebehörde erkennen lassen. "Die Lähmung der Autonomiebehörde ist überdeutlich klar, und Recht und Ordnung in den Palästinensergebieten verschlechtern sich immer mehr." Die Behörde drohe zusammenzubrechen. Dies könne "nicht nur den israelischen Einmärschen und Operationen in palästinensischen Ortschaften" angelastet werden.
    Nach seiner scharfen Kritik an der palästinensischen Autonomiebehörde ist der UN-Sondergesandte für den Nahen Osten, Terje Roed-Larsen in den Palästinensergebieten zur unerwünschten Person erklärt worden. Roed-Larsen sei "nicht willkommen auf palästinensischem Gebiet", sagte der Berater von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Nabil Abu Rudeina, am 14. Juli. Die Äußerungen des UN-Sondergesandten seien nicht hinnehmbar, da sie weder genau noch ausgewogen seien. "Was er gesagt hat, ist wertlos und er selbst ist wertlos", sagte Rudeina weiter.
  • Ein Hubschrauber der israelischen Armee hat in der Nacht zum 14. Juli Ziele in Gaza angegriffen. Der Helikopter habe zwei Raketen auf eine Werkstatt im Osten der Stadt abgefeuert, teilten palästinensische Sicherheitskräfte mit. Das Gebäude sei dabei vollständig zerstört worden. Angaben über mögliche Opfer wurden zunächst nicht gemacht.
  • Der Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) ist am 14. Juli im Gazastreifen unter israelischen Armeebeschuss geraten. Der Konvoi von UNRWA-Chef Peter Hansen wurde von einem gepanzerten Fahrzeug aus beschossen, als er an einer palästinensischen Plantage haltmachte, die von Bulldozern der israelischen Armee eingeebnet wurde, wie ein UNRWA-Sprecher sagte. Hansen und seine Mitarbeiter hätten eine halbe Stunde lang Schutz im Haus einer palästinensischen Familie gesucht.
  • Israelische Sicherheitskräfte haben am Abend des 14. Juli nach eigenen Angaben zwei Terroranschläge in Israel verhindert. Ein größerer Bombenanschlag habe der Sharon-Ebene gegolten, ein zweites Terrorattentat sollte Jerusalem treffen, wurde am 15. Juli bekannt gegeben. Die Sicherheitskräfte waren mehrere Stunden im Einsatz, errichteten Straßensperren und kontrollierten Fahrzeuge. Zuvor hatten sie Warnungen des Inlandgeheimdienstes Shabak erhalten, wonach ein 24-jähriger Mann aus Nablus, Westjordanland, nach Israel eingedrungen sei. Hubschrauber unterstützten die Suche aus der Luft. In Talpiot und auf der geschäftigen Emek Refaim Straße im Süden Jerusalems soll ein Mann mit einem verdächtigen Gegenstand gesehen worden sein. Nach Angaben von Sicherheitsbehörden liegen zur Zeit 51 Warnungen vor Terroranschlägen vor. (Newsletter der Israelischen Botschaft, 15.07.2004)
  • Im Streit über Äußerungen des UN-Sondergesandten für Nahost, Terje Roed-Larsen, haben die Palästinenser ihre Kritik abgemildert. Es sei keine Entscheidung über eine Ausweisung Roed-Larsens gefallen, sagte der Palästinenservertreter bei der UNO, Nasser el Kidwa, am Abend des 14. Juli in New York. Die Erklärung Roed-Larsens zur unerwünschten Person in den Palästinensergebieten sei aus "Ärger" über dessen Kritik an der Palästinenserführung erfolgt. Erste palästinensische Reaktionen auf Roed-Larsens Monatsbericht, in dem er unter anderem Palästinenserpräsident Jassir Arafat politisches Versagen vorgeworfen hatte, sagten nichts über dessen rechtlichen Status aus, fügte Kidwa hinzu. Es müsse nun mit UN-Generalsekretär Kofi Annan über eine Lösung des Problems beraten werden.
  • Die Zahl palästinensischer Selbstmordanschläge ist nach Angaben des israelischen Ministeriums für Innere Sicherheit in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verglichen mit dem Vorjahreszeitraum stark zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2003 gab es demnach zehn palästinensische Selbstmordanschläge, bei denen 82 Menschen getötet wurden. Im ersten Halbjahr 2004 waren es dagegen drei Anschläge, bei denen 32 Menschen getötet wurden. Vize-Minister Jaakov Edri sagte am 15. Juli im israelischen Rundfunk, Gründe für den Rückgang seien die von Israel errichtete Sperranlage sowie die "Anti-Terror"-Einsätze von Armee und Sicherheitsdiensten.
  • Für Änderungen an der Sperranlage zum Westjordanland will Israel gut elf Millionen Dollar ausgeben. Damit soll den Vorgaben des Obersten Gerichtshofs Rechnung getragen werden, verlautete am 15. Juli aus dem israelischen Verteidigungsministerium. Den Gewährsleuten des Verteidigungsministeriums zufolge ist allerdings kein Abbau der bereits fertig gestellten Grenzabschnitte geplant. Stattdessen würden neue Straßen, Tunnel und Unterführungen den Palästinensern mehr Bewegungsfreiraum ermöglichen. Des weiteren solle das Schulbussystem für palästinensische Kinder ausgeweitet werden. Wie es weiter hieß, soll beim Bau neuer Abschnitte dann gezielt darauf geachtet werden, dass die Palästinenser nicht völlig von ihren Ländereien außerhalb der Städte abgetrennt werden.
  • Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon schlug unterdessen der ultraorthodoxen Schas-Partei Koalitionsgespräche vor. Schas-Führer Eli Jischai nahm am 15. Juli das Angebot an, wie aus dem Büro des Regierungschefs verlautete. Scharon hat bereits die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Thora-Judentum sowie die Arbeitspartei von Schimon Peres für Koalitionsverhandlungen gewonnen. Der Ministerpräsident will seine Regierungsmehrheit ausbauen, um seinen umstrittenen Plan zum Abzug aus dem Gazastreifen und Teilen des Westjordanlands umsetzen zu können.
  • Bewaffnete Palästinenser haben am 16. Juli im Gazastreifen fünf humanitäre Helfer aus Frankreich entführt. Die Franzosen würden in einem Gebäude des palästinensischen Roten Halbmondes in Chan Junis im südlichen Gazastreifen festgehalten, teilten palästinensische Sicherheitskräfte und Augenzeugen mit. Bei den Entführten handele es sich um drei Männer und zwei Frauen. Sie seien als Geiseln genommen worden, als sie sich zu einem Rundgang im Flüchtlingslager Chan Junis aufgehalten hätten. Den Angaben zufolge wurden die Geiseln gezwungen, sich in den Schlafsaal des Gebäudes des Roten Halbmonds zu begeben.
    Die Entführer der französischen Geiseln haben am Abend des 16. Juli alle fünf in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln frei gelassen. Wie palästinensische Sicherheitskräfte mitteilten, kamen nach zwei Frauen wenig später auch die drei Männer auf freien Fuß.
  • Israel und die USA haben das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zur Sperranlage bei den UN entschieden zurückgewiesen. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern könne nur politisch - und nicht juristisch - gelöst werden. Das erklärte der amerikanische UN-Botschafter John Danforth am 16. Juli vor der UN-Vollversammlung. Dagegen appellierten die Palästinenser an die internationale Gemeinschaft, Front gegen die Sperranlage im Westjordanland zu machen.


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