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Beherrschte Herrscher

Vor 70 Jahren protestierten Birmanen landesweit gegen das japanische Besatzungsregime. Zuvor waren ihre Führer dessen Marionetten in der Realisierung eines japanischen Großreichs

Von Rainer Werning *

Nach Jahrzehnten politisch-diplomatischer Verurteilungen und Sanktionen seitens des Westens scheinen Myanmars [1] Streitkräfte, die Tatmadaw, seit fünf Jahren zu Organisatoren eines gesellschaftlichen Wandels und der Moderne mutiert zu sein. Seit 1962 bestimmten sie eine restriktive Innen- und Außenpolitik, die darauf abzielte, ihre dominante Stellung in Staat und Gesellschaft zu wahren und sich als Garant der Nation und Einheit des Vielvölkerstaates zu zelebrieren.

Geburtshelfer der Tatmadaw war der japanische Militarismus. Und einer dessen glühendsten Befürworter und Kollaborateure war Aung San – der Vater der Friedensnobelpreisträgerin (1991) und heutigen Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi. Aung San war ein Mann, der im Land als Freiheitsheld verehrt wird. Bedeutendster säkularer Feiertag im heutigen Myanmar ist der 27. März. An diesem Tag kam es 1945 landesweit zu Protesten gegen die japanische Okkupation, weshalb das Datum als »Antifaschistischer Widerstandstag« in die Annalen einging. Das Militär bestimmte im Laufe seiner Herrschaft auch die Erinnerungskultur und interpretierte Begriffe in seinem Sinne um: Heute ist der 27. März schlicht »Tatmadaw Day«, »Tag der Streitkräfte«. Organisierter Widerstand

Gegen die britische Vormachtstellung in Birma formierten sich bereits um die vorletzte Jahrhundertwende, vor allem aber in den 1920er und 1930er Jahren, Organisationen und Gruppierungen, die sich auf unterschiedliche Weise gegen die koloniale Bevormundung und für die politische Unabhängigkeit im Lande einsetzten. Dazu zählten Jugendverbände, prominente buddhistische Mönche, radikale Studentenvereinigungen und Transportarbeiter in der Hauptstadt Rangun (heute Yangon). Ihr teils friedlicher, teils gewaltsamer Protest wurde immer wieder von Streiks gegen die Bildungs- und Steuerpolitik der Kolonialbehörden begleitet.

Zunehmende Bedeutung im antikolonialen Kampf erlangte die im Mai 1930 gegründete Dobama Asiayone, die »Wir Birmanen«-Vereinigung, deren Mitglieder sich selbst »Thakin« (»Herr« oder »Meister«) nannten, eine Bezeichnung, die sich die Europäer im Lande exklusiv als Anrede ausbedungen hatten. Damit sollte nicht nur eine Gleichstellung mit den »Colonial masters« hergestellt, sondern vielmehr signalisiert werden, wer die eigentlichen Herren des Landes sind und dass dieser Begriff widerrechtlich usurpiert worden war. »Birma den Birmanen« lautete der zentrale Slogan dieser auch unter dem Namen »Thakin-Bewegung« bekannten politischen Strömung, die für die Wahrung des eigenen kulturellen und religiösen (vor allem buddhistischen) Erbes und eine umfassende Birmanisierung des öffentlichen Lebens im Vielvölkerstaat eintrat.

Zulauf erhielt die Bewegung von Aktivisten der Ranguner Universität, von denen viele später eine herausragende Rolle im politischen Leben des Landes einnehmen sollten. Dazu zählte neben Aung San auch U Nu, der später zum ersten demokratisch gewählten Premierminister avancierte. Beide schlossen sich der »Thakin-Bewegung« an, rückten auch in ihr alsbald in Führungspositionen auf und vollzogen so nahtlos den Wechsel von studentischer zu nationaler Politik. Die Militanz der Organisation nahm zu, als die Briten 1937 Birma von ihrer indischen Kolonie abkoppelten. Die Befreiungsbewegung vermutete ein weiteres Hinausschieben der Unabhängigkeit und lehnte die von den Briten angebotenen Kooperationsformen als halbherzig ab, weil die eigentlichen Machtbefugnisse dem britischen Gouverneur vorbehalten blieben. Schwere antiindische Ausschreitungen veranlassten die Kolonialregierung, den Notstand zu verhängen und »zum Schutz und zur Verteidigung Birmas« politische Parteien und Organisationen zu verbieten.

Kriegsvorbereitungen

Ein weiterer Grund für das militantere Agieren seitens des außerparlamentarischen Widerstandsspektrums war die Entwicklung in Europa, wo die Kriegsvorbereitungen der Faschisten auf Hochtouren liefen, sowie die Eskalation der japanischen Aggression im Nachbarland China. Kein Wunder, dass sich im Jahr 1939 politische Vereinigungen und Parteien konstituierten, die von den Briten energisch die Unabhängigkeit forderten und sich gegen eine Kriegsbeteiligung an deren Seite aussprachen – darunter die Kommunistische Partei Birmas und jener parteiübergreifende Freiheitsblock, zu dem auch die Dobama Asiayone zählte.

Nach den Unruhen von 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 in Europa wurden viele Führer der Thakin-Bewegung verhaftet, falls ihnen nicht die Flucht ins benachbarte China gelang. Dort wandten sich die Oppositionellen hilfesuchend direkt an japanische Militärs. Falls sie Verbindung zu den chinesischen Kommunisten suchten, wurden sie von Agenten der gefürchteten Kempeitai (Militärpolizei) daran gehindert. Zu denen, die sich 1940 nach China hatten absetzen können, zählte Aung San. Kontakte zu japanischen Offizieren, unter ihnen Oberst Suzuki Keiji, ermöglichten es ihm, zu ersten Gesprächen nach Tokio zu reisen. Er kehrte im Frühjahr 1941 kurz nach Birma zurück, um mit Genossen, den später so genannten Dreißig Kameraden, erneut nach Japan zu reisen. Dort dachten sie intensiv über die Aufstellung einer eigenen Armee und die politische Neugestaltung nach. Logistische und politisch-militärische Unterstützung erhielten die »Dreißig Kameraden« fortan durch das von Suzuki geführte »Südbüro« (Minami Kikan). Es war ein geheimdienstliches Netzwerk, das der Oberst bereits während seiner Stationierung in Rangun geknüpft hatte.

Drill im Geist des Militarismus

Das Minami Kikan koordinierte im Auftrag des Kaiserlichen Generalhauptquartiers in Tokio dessen für Birma relevanten Pläne. Auf Initiative des »Südbüros« wurden Aung San und seine Getreuen zunächst in ein eigens geschaffenes Trainingslager nach Sanya auf der von Japan besetzten chinesischen Insel Hainan gebracht. Dort absolvierten die »Dreißig Kameraden« unter der Ägide japanischer Offiziere eine halbjährige militärische Ausbildung, die von politischen Schulungen in Ehrerbietung gegenüber dem Tenno, dem Kaiser, begleitet und im Geiste der in Tokio Anfang August 1940 offiziell verkündeten »Größeren Ostasiatischen Gemeinsamen Wohlstandssphäre« durchgeführt wurden. Mit diesem Konzept drapierte das militaristische Japan seine hegemonialen Ziele in Asien und im Pazifik. Es wähnte sich als »Führer, Licht und Beschützer Asiens« im Kampf gegen westlichen Kolonialismus und Imperialismus.

Als wenige Tage nach dem Angriff auf Pearl Harbor – das war am 7. Dezember 1941 – japanische Truppen siegreich in Thailands Hauptstadt Bangkok einmarschierten und weiter südlich nach Britisch-Malaya (auf der malaiischen Halbinsel) vordrangen, kam für die »Dreißig Kameraden« der lang ersehnte Augenblick ihrer Bewährungsprobe. Sie wurden nach Bangkok gebracht, wo Aung San am 27. Dezember 1941 die Gründung der Burma Independence Army (BIA) verkündete. Somit war auf Japans Initiative hin der Kern der ersten birmanischen Streitkraft seit dem Fall des Königreichs im Jahre 1885 entstanden. Das Kommando der BIA übernahm Oberst Suzuki, während Aung San sein Stabschef wurde. Zum Kommandeur einer auf Aufstandsbekämpfung und Sabotage spezialisierten Armeegruppe avancierte Shu Maung, der sich Bo Ne Win (»Befehlshaber Strahlende Sonne«) nannte und im Nachkriegsbirma fast drei Jahrzehnte lang – von 1962 bis Ende der 1980er Jahre – als Militärdiktator regierte.

Imperiale Kalküle

Im Kontext der »Größeren Ostasiatischen Gemeinsamen Wohlstandssphäre« verfolgte das japanische Militär mit Blick auf Birma drei Ziele: Zum einen ging es um den Zugriff auf die strategischen Ressourcen des Landes. Um die schmale malaiische Landzunge gegen ein Abschnüren der wichtigen Landverbindung zwischen Bangkok und Singapur durch mögliche britische Angriffe zu schützen, plante der japanische Generalstab zum anderen den Bau der Thailand-Birma-Bahn (siehe Text auf S. 13) und die Invasion Südbirmas, um dortige Luftwaffenbasen sowie den Hafen von Rangun zu besetzen. Schließlich ging es drittens um die Kontrolle der gleichermaßen bedeutsamen »Burma Road« im Nordosten des Landes, über die die gegen Japan kämpfenden Truppen der USA, Englands, Australiens und anderer Staaten der Regierung von Tschiang Kai Tschek logistische Hilfe leisteten.

Nachdem Japan die britische Kolonie Singapur am 15. Februar 1942 eingenommen hatte, wurden bis Anfang März Städte in Südbirma durch japanische Truppen und Verbände der Burma Independence Army okkupiert – schließlich am 8. März auch die Hauptstadt Rangun. Zwischenzeitlich auf 300 Kämpfer angewachsen, wurden Angehörige der BIA unter japanischem Kommando zunächst als Kundschafter und ortskundige Führer eingesetzt. Doch während des Vormarsches ins Landesinnere rekrutierten japanische Offiziere möglichst viele Birmanen, wodurch die BIA rasch etwa 4.000 Kämpfer umfasste. Diesen schlossen sich dermaßen viele Freiwillige an, dass sich die BIA binnen weniger Wochen in einen marodierenden Haufen verwandelte. Wiederholt kam es zu gewaltsamen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, besonders gegen ethnische Minderheiten.

Bewunderung für Großjapan

Im Sommer 1942 intervenierte das japanische Militär und ersetzte die BIA durch eine reguläre Armee, die Burma Defense Army (BDA). Diese war auf eine Truppenstärke von zirka 10.000 Mann angelegt und wurde von einem Generalstab und Offizieren befehligt – ebenfalls unter Führung Aung Sans.

Wie in den Philippinen sahen die japanischen Besatzungspläne auch mit Blick auf Birma vor, das Land in eine Unabhängigkeit von Tokios Gnaden zu entlassen. Am 1. August 1943 wurde Ba Maw, der sich selbst als Anashin (Diktator – wörtlich: Autorität-Meister) bezeichnete, zum Staatsoberhaupt gekürt, während Aung San, mittlerweile im Rang eines japanischen »Major-General«, zum Oberbefehlshaber der Nachfolgeorganisation der Burma Defence Army, der Burma National Army (BNA, Bama Tatmadaw), und gleichzeitig zum Verteidigungsminister in Ba Maws Kabinett aufstieg. Als glühende Bewunderer des großjapanischen Reichs ahmten die »Dreißig Kameraden« in Verhalten und Kleidung ihre japanischen Offizierskollegen nach; schließlich verdankten sie ihre Karriere der Logistik und dem Militärpersonal Japans. Generalleutnant Khin Nyunt, der im August 2003 Premierminister Myanmars wurde, gab später unumwunden zu, dass »unsere Tatmadaw in Japan geschaffen« wurden.

Erst als der menschenverachtende Kurs des japanischen Militarismus im Laufe des Krieges und die Rolle der birmanischen Regierung als Marionette der japanischen Besatzer immer offensichtlicher wurde, gingen Aung San und seine Getreuen auf Distanz zu ihren vormaligen Gönnern.

Als überdies die Besatzungstruppen mit ihrer Offensive gegen die in Nordostindien liegende Stadt Imphal im März 1944 scheiterten, und die Alliierten ihnen schwere Verluste zufügten, beteiligte sich Aung San gemeinsam mit Kommunisten und Sozialisten am Aufbau der Antifaschistischen Volksfreiheitsliga. Im März 1945 wechselte die Burma National Army mitsamt ihrer politischen Führung die Fronten und schloss sich nunmehr unter dem Namen »Patriotic Burmese Forces« den gegen die Hauptstadt Rangun vorrückenden alliierten Streitkräften unter dem Kommando von Lord Louis Mountbatten an. Am 27. März 1945 kam es landesweit zu Protesten und Widerstand gegen die japanischen Truppen.

Fatales Kolonialerbe

Die Briten, die hier die Führungsrolle unter den Alliierten einnahmen, hatten Birma zurückerobert. Aung San konnte seiner Verhaftung und Verurteilung wegen antibritischer Aktionen und Exekutionen birmanischer Zivilisten während der japanischen Okkupation einzig aufgrund eines Kalküls der alten Kolonialmacht entgehen. Deren Militär wollte eine Verstrickung seiner Truppen in einen birmanischen Bürgerkrieg – die Birmanen waren unter der japanischen Herrschaft ja brutal gegen andere Ethnien in Birma vorgegangen – vermeiden. Zunächst musste der Waffengang gegen Japan entschieden werden. Schließlich konnte Aung San im Januar 1947 in London mit Premierminister Clement Attlee ein Abkommen über die Unabhängigkeit Birmas ab dem 4. Januar 1948 unterzeichnen. Aung San, zwischenzeitlich zum erster Premier des unabhängigen Birma bestimmt, fiel allerdings am 19. Juli 1947 einem Attentat zum Opfer. Er wurde zusammen mit weiteren Ministern während einer Kabinettssitzung im Auftrag politischer Widersacher erschossen.

Aung San zählte lange zu den glühendsten Bewunderern Japans in Südostasien. Im Einklang mit dem Inselstaat, das die Region nach seinem Ebenbild gestalten und deren Bevölkerungen in gefügige Untertanen des Tenno verwandeln wollte, avisierte er einen rigiden Zentralstaat, der wie auch immer geartete zentrifugale Kräfte einzudämmen beabsichtigte. Ein verhängnisvolles Konstrukt, zumal im Vielvölkerstaat Birma die Birmanisierung als Raison d’être postkolonialen Nationalismus begriffen und die längste Zeit militärisch exekutiert wurde.

Rainer Werning ist Koautor des 2014 im Horlemann Verlag (Berlin) erschienenen »Handbuch Myanmar«. Zuletzt schrieb er auf diesen Seiten am 24.7.2014 über den Hochsicherheitstrakt des Camps »Bagong Diwa« auf den Philippinen.

Anmerkung

[1] Im Text wird die im Deutschen früher gebräuchliche Landesbezeichnung »Birma« bzw. »birmanisch« verwendet. Die britische Kolonialherren nannten das Land »Burma«. International lautet die Landesbezeichnung heute »Myanmar«, wie es 1989 die damaligen Militärmachthaber verfügten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. April 2015


Die Thailand-Birma-Bahn – Japans gigantischstes Kriegsprojekt trieb 100.000 asiatische Zwangsarbeiter in den Tod

Der birmanische Zeitzeuge U Hla Pe schrieb 1961 in seinem Buch »Narrative of the Japanese Occupation of Burma«: »Die Schweißarmee, eine der größten organisierten Erpressungen während der japanischen Ära in Birma, ist gleichbedeutend mit der Sklavenarbeit in Nazideutschland. Alles begann damit, dass die Japaner unbedingt eine Landverbindung von China nach Malaya und Birma benötigten. Da Birma ein Mitglied beziehungsweise ein künftiges Mitglied der »Gemeinsamen Wohlstandssphäre« war, wurde von ihm verlangt, seinen Teil zum Bau der Birma-Thailand-Bahn beizusteuern. (...) Diese Männer wurden in Malaria verseuchte Dschungel ohne angemessene Kleidung, Verpflegung und Unterkünfte getrieben. Um scharenweise den wunderbaren Weg zu lichten, der Birma in eine paradiesische Endstation einer gigantischen Gemeinsamen Wohlstandseisenbahn aus China verwandeln sollte.«

Bis zum Frühjahr 1942 hatten die japanischen Truppen neben Ostasien das gesamte kontinentale und insulare Südostasien unter ihre Kontrolle gebracht. Dazu zählten das zuvor französisch dominierte Indochina – Vietnam, Laos und Kambodscha –, die Philippinen als US-amerikanische Kolonie, Niederländisch-Indien, das heutige Indonesien mit seinen reichen Erdöl- und Gasvorkommen in Aceh sowie Malaya samt der von den Briten für uneinnehmbar gehaltenen »Festung Singapur«. Dennoch blieb für die Japaner ein Problem ungelöst: Ihre Nachschubwege zwischen Thailand und der birmanischen Hauptstadt Rangun (heute Yangon) waren zu weit. Sie nahmen den großen Umweg über Singapur und die Straße von Malakka, eine Seeroute, die kaum Schutz gegen überraschende Luftangriffe der alliierten Briten, US-Amerikaner und Australier bot.

Es gab zwar eine Verbindung von Thailand ins birmanische Moulmein. Doch diese Überlandpiste war für Schwertransporter sowie einen ständigen und größeren Nachschub von militärischem Gerät und zivilen Gütern jeder Art ungeeignet. Erst recht in der Regenzeit, wenn sich das Terrain in eine unpassierbare Morastlandschaft verwandelte. So besann sich der japanische Generalstab eines Plans, der bereits vor dem Krieg in Rangun und Bangkok gehegt worden war – nämlich Moulmein durch eine Eisenbahnlinie mit der thailändischen Hauptstadt zu verbinden. Eine solche Bahn, so das militärstrategische Kalkül Tokios, sollte Dreh- und Angelpunkt der Nord-Süd- sowie Ost-West-Expansion sein. Japanische Truppen wollte man auf diese Weise von China nach Singapur transportieren; gleichzeitig diente die Bahn als logistischer Knotenpunkt für die Eroberung des indischen Subkontinents.

Endstation der Thailand-Birma-Bahn auf birmanischer Seite war Thanbyuzayat, das bereits per Schiene mit der Hauptstadt Rangun verbunden war. Ausgangspunkt auf thailändischer Seite bildete Nong Pladuk, wo ebenfalls ein Schienennetz bestand, das gen Süden über Bangkok führte und in Singapur endete. Insgesamt 415 Kilometer trennten Nong Pladuk von Thanbyuzayat. Thailand hatte Japan Durchgangsrechte gewährt, kooperierte mit ihm und vermochte als einziges Land in der Region seine Unabhängigkeit halbwegs zu wahren. Im Unterschied dazu war die vor kurzem noch britische Kolonie Birma seit 1942 ein vom japanischen Militär besetztes Land. In der Hauptstadt Rangun hatte dessen Oberkommando die Burma Central Executive Administration (BCEA) geschaffen, eine Koalition aus verschiedenen Fraktionen der antibritischen Unabhängigkeitsbewegung.

Bis zum 1. August 1943, als Birma offiziell eine »Unabhängigkeit« unter japanischer Oberaufsicht verkündete, hatte die BCEA vom japanischen Generalstab den Befehl erhalten, ausreichend Arbeitskräfte für die birmanische Teilstrecke der Thailand-Birma-Bahn zur Verfügung zu stellen. Zuständig war dafür das im März 1943 eigens geschaffene, der BCEA angegliederte Zentrale Arbeitsdienstbüro. Dessen Propagandisten hatten in nationalen Kampagnen mehr als 70.000 Arbeitswillige angeworben.

Was immer an projapanischen Sentiments bestanden hatte, schlagartig änderte sich das Bild, als Japan in großem Stil birmanische Romusha, zwangsrekrutierte Arbeiter und Bauern, zum Bau der 111 Kilometer langen birmanischen Teilstrecke der Thailand-Birma-Bahn abkommandierte – eine tiefe Demütigung für ein vermeintlich unabhängiges Land.

Die Folgen: Einerseits gingen die anfänglich hartgesottenen Kollaborateure der japanischen Militärverwaltung zunehmend auf Distanz zu den Besatzern, was dazu führte, dass ab August 1944 die »Antifaschistische Volksfreiheitsliga« zum Guerillakampf gegen die Japaner aufrief und aus Kalkül mit den siegreich vorrückenden Truppen der Alliierten sympathisierte. Zum anderen konnten von den insgesamt etwa 175.000 birmanischen Romusha letztlich nur knapp 90.000 Personen zum Bau an der Eisenbahn eingesetzt werden. Zahlreiche von ihnen flüchteten, bevor sie die Arbeitslager erreichten. Dennoch forderte der Bau der Thailand-Burma-Bahn auf birmanischer Seite mindestens 40.000 Opfer. Insgesamt waren etwa 200.000 Zwangsarbeiter, so dokumentiert es das im Januar 2003 im thailändischen Kanchanaburi eröffnete Thailand-Burma Railway Centre, zum Bau der Eisenbahn abkommandiert. Die Hälfte davon überlebten die Strapazen nicht.

Rainer Werning




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