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Militärjunta in Myanmar (Birma) setzt auf Abschottung

Russlands Präsident Putin: Sanktionen gegen Birma "noch verfrüht" - Werden die Mönche den Weg "ohne Einmischung von außen" weiter gehen?

Weiterhin bleiben die Berichte und Meldungen aus Myanmar widersprüchlich und unvollständig. Wir kommen dennoch unserer Chronistenpflicht nach, indem wir Berichte aus verschiedenen Quellen dokumentieren.
Im Folgenden aktuelle Meldungen vom 28. September sowie ein Interview mit einem Exil-Burmesen.



China warnt Militär, Mönche und Medien

Myanmar: Regierung bestätigt mindestens neun Tote. Peking ruft »alle Seiten« zur Zurückhaltung auf

Beim Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Myanmar sind am Donnerstag nach Angaben der Militärregierung mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Elf Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten in Rangun verletzt, wie Regierungssprecher Ye Htut sagte. Auch 31 Sicherheitskräfte seien verletzt worden. Die Demonstrierenden hätten Ziegelsteine, Stöcke und Messer auf die Polizisten geworfen. In dieser »verzweifelten Situation« hätten diese »Warnschüsse« abgeben müssen. Unter den Getöteten war nach Angaben eines Sprechers der japanischen Botschaft in Rangun auch ein japanischer Journalist.

Unbestätigten Berichten zufolge sollen die Sicherheitskräfte am Donnerstag morgen zwei buddhistische Klöster gestürmt und mehr als 70 Mönche »unter Schlägen« abgeführt haben. Dies meldete AP. Zudem seien Politiker der Nationalen Liga für Demokratie, der Partei von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, festgenommen worden. Trotzdem hätten sich Zehntausende Demonstranten zu einer Protestkundgebung in Rangun versammelt.

Unterdessen gerät zunehmend China in die Kritik. Die Volksrepublik gilt als »engster Verbündeter« Myanmars. Die USA und die EU riefen Peking auf, seinen Einfluß geltend zu machen, um Druck auf die Militärs im Nachbarland auszuüben und eine Eskalation zu verhindern. China rief am Donnerstag dagegen »alle Seiten« in Myanmar zur Zurückhaltung auf. Die ausländischen Medien wurden ermahnt, nicht mit übertriebenen Berichten zur Verschlimmerung der Lage beizutragen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, erklärte, China hoffe, daß alle Beteiligten verantwortungsbewußt mit der Situation umgingen. Der chinesische UN-Botschafter Wang Guangya erklärte nach einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates, wichtigstes Ziel müsse es sein, die Stabilität in Myanmar wiederherzustellen. (AFP/AP/jW)

Quelle: junge Welt, 28. September 2007


Putin: Sanktionen gegen Birma noch verfrüht

BOTSCHAROW RUTSCHEJ, 28. September (RIA Novosti). Russland ist nach Worten von Präsident Wladimir Putin der Ansicht, dass Sanktionen gegen Birma noch verfrüht wären.
"Das Problem von Sanktionen soll von der UNO erörtert werden", sagte der russische Staatschef am Freitag nach Verhandlungen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero in seiner Residenz Botscharow Rutschej bei Sotschi.
Die Behörden von Birma hatten friedliche Demonstrationen buddhistischer Mönche und Studenten gewaltsam auseinander getrieben.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 28. September 2007


Bush und Brown drängen Birmas Militärregierung zu Gewaltverzicht

Washington/Berlin (AFP) - US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Gordon Brown haben die Militärregierung in Birma erneut aufgefordert, das gewalttätige Vorgehen gegen die Demokratiebewegung einzustellen. Während einer Telefonkonferenz am Freitag erörterten die beiden Politiker am Freitag die Krise in dem südostasiatischen Staat, wie das Weiße Haus mitteilte. Brown und Bush seien sich über die Wichtigkeit der Mission des UN-Sondergesandten Ibrahim Gambari am Wochenende in Birma einig gewesen, hieß es. Sie appellierten an die Weltgemeinschaft, der birmanischen Militärjunta weiterhin deutlich zu machen, dass sie Gewaltverzicht üben und einen friedlichen Übergang zur Demokratie einleiten müsse.

Quelle: AFP, 28. September 2007


Militärjunta in Birma setzt nun auf Abschottung

Die Militärjunta in Birma setzt zur Niederschlagung der Massenproteste im Land nun offenbar auf rigorose Abschottung. Wichtige buddhistische Klöster wurden am 28. September zu Sperrzonen erklärt, der öffentliche Zugang zum Internet wurde unterbrochen.

Mit der Abriegelung der Klöster sollen die Mönche, die die jüngsten Massendemonstrationen anführten, von der Straße ferngehalten werden. In Rangun und Mandalay wurden wichtige Kreuzungen in der Nähe von Klöstern mit Stacheldraht abgesperrt. Beobachter befürchteten noch schärfere Konfrontationen, falls die Einsatzkräfte gezielt gegen Zivilpersonen vorgehen sollten. Das hohe Ansehen der buddhistischen Mönche habe bislang noch für weitgehende Zurückhaltung gesorgt.

Am 26. und 27. September wurden nach offiziellen Angaben mindestens zehn Menschen getötet, als Sicherheitskräfte auf die Demonstranten schossen. Nach Einschätzung eines Diplomaten dürfte die tatsächliche Zahl der Todesopfer aber um ein Vielfaches höher liegen. Eine in Washington ansässige Dissidentengruppe mit dem Namen "US-Kampagne für Birma" sprach von etwa 200 Toten.

Am 28. September gingen weit weniger Menschen auf die Straße als in den vergangenen Tagen. Die größte Demonstration fand in der Nähe der Sule-Pagode in Rangun statt. Rund 20 Militärlastwagen rückten an, und die Soldaten forderten die etwa 2.000 Demonstranten auf, sich binnen zehn Minuten zu entfernen. Auch andernorts wurden kleinere Ansammlungen von 200 bis 300 Personen zum Teil gewaltsam aufgelöst.

Mit der Unterbrechung von Internet- und Telefonverbindungen will die Militärregierung auch verhindern, dass Einzelheiten über die Niederschlagung der Proteste nach außen dringen.

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner appellierte an Birmas Nachbarstaaten, auf die Militärjunta Einfluss zu nehmen. Unterdessen brach der UN-Sondergesandte Ibrahim Gambari nach Südostasien auf. Der UN-Menschenrechtsrat kündigte für den 2. Oktober eine Dringlichkeitssitzung zur Lage in Birma an.

Japan und China wollen sich gemeinsam um eine Lösung der Krise in Birma bemühen. Der neue japanische Ministerpräsident Yasuo Fukuda sagte am 28. September, er habe sich mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao auf eine Zusammenarbeit geeinigt. China ist Birmas wichtigster Verbündeter, Japan ist der größte Entwicklungshilfe-Geber. Sanktionen schloss Fukuda zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus.
Dagegen verhängten die USA neue Wirtschaftssanktionen gegen Birma. Nach Angaben des Finanzministeriums sollen die Guthaben von 14 Regierungsvertretern eingefroren werden. Die Südostasiatische Staatengemeinschaft (ASEAN) forderte die birmanische Regierung auf, sich um eine politische Lösung der gegenwärtigen Krise zu bemühen. Man sei absolut empört über das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte, erklärten die ASEAN-Außenminister nach einem Treffen am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Birma gehört selbst zur ASEAN.

Nach: AP, 28. September 2007




Allianz der Mönche überraschte Myanmars Junta

Der in Berlin lebende Khin Maung Yin setzt auf reformwillige Kräfte in der Armee des südostasiatischen Staates *

Khin Maung Yin (60) nahm als Student am Kampf gegen das Militärregime in Yangon (Rangun) teil. Im Berliner Exil lebend, gründete er 1991 gemeinsam mit deutschen Freunden die Solidaritätsorganisation Burma Projekt e.V. Berlin, die seither verschiedene Hilfsprojekte in ländlichen Gebieten Myanmars initiierte. Er unterhält enge Kontakte zu Oppositionellen in seiner Heimat. Für ND sprach Jochen Reinert mit dem Exil-Burmesen.

ND: Haben Sie die massiven Proteste der buddhistischen Mönche kommen sehen?

Khin Maung Yin: Wir haben Aktionen von Studenten und auch von der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) erwartet – aber nicht von den Mönchen. Obwohl diese bereits einige Male politischen Widerstand leisteten – gegen die britische Kolonialmacht und 1990 gegen die damalige Junta. Vom jetzigen Aufstand war aber offenbar auch die Militärregierung völlig überrascht.

Die Militärjunta hat die Opposition seit der Annullierung der Wahlen 1990, bei denen die NLD 80 Prozent der Parlamentssitze errang, mit allen Mitteln niedergehalten. Weshalb entfaltete sich gerade jetzt eine so starke Protestbewegung?

Die buddhistischen Mönche haben nicht nur ihre religiösen Rituale, sondern auch das Wohl des Volkes im Blick. Und sie sahen, dass das Volk immer mehr unter der Militärherrschaft leidet. Studenten waren schon im August gegen die Preiserhöhungen auf die Straße gegangen und wurden verhaftet, ebenso Hausfrauen. Die Polizeiübergriffe vom 5. September gegen eine Gruppe von Mönchen brachten das Fass zum Überlaufen. Am 9. September traten kritische junge Mönche mit einer »Allianz aller Mönche Myanmars« an die Öffentlichkeit.

Glaubt man Religionsminister Brigadegeneral Thura Myint Maung, nehmen nur zwei Prozent der Mönche an den Protestmärschen teil – 98 Prozent gehen weiter ihren religiösen Pflichten nach.

Das ist reine Propaganda. In Wirklichkeit sind landesweit sehr viele Mönche in der Allianz organisiert. Ich habe gerade mit einem von ihnen telefoniert. Er sagte: Wir sind stark, wir sind die einzige Kraft, die einen Konflikt mit dem Militär durchstehen kann, und wir sind entschlossen weiterzumachen – auch wenn die Junta jetzt mit Gewalt gegen uns vorgeht und unser Blut vergießt. Die Mönche haben aus den Erfahrungen von 1990 gelernt. Damals sagten die Äbte den jungen Mönchen: Kommt zurück in die Klöster, wir werden alles mit den Militärs regeln. Doch wenig später wurden diese Mönche verhaftet und ausgestoßen.

General Maung hat auch behauptet, die Protestmärsche seien »systematisch vom Ausland her geplant und exekutiert«.

Ebenfalls reine Propaganda. Angeblich werde alles von BBC, Radio Freies Asien usw. gesteuert. Aber die Bewegung der Mönche handelt selbstständig. Und sie sollte auch weiter auf ihren eigenen Forderungen bestehen, sich nicht vom Ausland beeinflussen lassen und weiter friedlich demonstrieren.

Welche Verbindungen gibt es zwischen der Allianz der Mönche und der von Aung San Suu Kyi geführten NLD?

Solche Verbindungen gibt es, aber die Zusammenarbeit ist bisher noch gering. Suu Kyi und die Liga haben dank ihres Mandats von den Wahlen 1990 großen Rückhalt in der Bevölkerung. Auch wenn Suu Kyi wegen der langjährigen Isolation kaum noch Einfluss hat, genießt sie große Sympathien – auch unter den Mönchen.

Welche Unterschiede sehen Sie zur Situation von 1988/90?

Der Aufstand von 1988 war hauptsächlich eine spontane Bewegung von Studenten, die vom Militär relativ leicht niedergeschlagen werden konnte. Die jetzige Bewegung ist wesentlich besser organisiert, sie artikuliert drei Hauptforderungen: Die Generäle sollen sich für die Übergriffe vom 5. September entschuldigen. Sie sollen alle politischen Gefangenen freilassen und Suu Kyi aus dem Hausarrest befreien. Und die Regierung soll mit den demokratischen Kräften sprechen, um die Probleme friedlich zu lösen.

Kann man sich vorstellen, dass die Generäle angesichts des hohen Ansehens der Mönche zu Kompromissen, zu demokratischen Reformen bereit sind?

Das wäre mein Wunsch. Die Chancen sind gut, wenn die Mönche den selbstständigen Weg weiter gehen, den sie eingeschlagen haben – ohne Einmischung von außen. Zugleich hoffe ich, dass reformwillige Kräfte innerhalb der Armee auf die Mönche zugehen: Wie damals auf den Philippinen, als sich General Ramos der Opposition anschloss und dadurch den Sturz des Diktators Marcos herbeiführte.

* Aus: Neues Deutschland, 28. September 2007


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