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Neue Profite in Sicht

Myanmar probt Kapitalismus: Schlüsselposition für Sonderwirtschaftszone Dawei. Investoren aus Thailand führend bei Finanzierung des Vorhabens engagiert

Von Thomas Berger *

Myanmar (Burma) hat erstmals nach jahrzehntelanger Militärherrschaft nominell eine zivile Regierung. Während deren politische Reformschritte wegen ihres zaghaften Tempos kontrovers diskutiert werden, kommt die Öffnung im wirtschaftlichen Bereich schneller voran. Vor allem Thailand engagiert sich hierbei stark. Mitte Januar machte sich eine hochrangige Delegation aus Bangkok mit den weiteren Entwicklungsplänen für die Sonderwirtschaftszone Dawei im Nachbarland vertraut. Der Gruppe gehörten u.a. die Minister für Finanzen, Industrie, Transport und Energie sowie der Außenamtschef an. Der Besuch ging auf Bitte von Präsident Thein Sein bei der thailändischen Regierungschefin Yingluck Shinawatra zurück und legt nahe, daß Myanmar beim Ausbau Daweis zuerst auf Investoren und Kapital aus dem Nachbarland setzt.

So sagte Thailands Transportminister Sukumpol Suwanatat auch weiter Unterstützung beim Ausbau des Tiefseehafens zu, der das Kernstück der Sonderwirtschaftszone bildet. Während Dawei den Knotenpunkt zum Schiffsverkehr bildet, soll andererseits die Vernetzung von Transportwegen auf dem Land vorangetrieben werden. In einer Kombination von Straßen und Schienenwegen ist geplant, Güter dereinst bis nach Südchina, Vientiane (Laos), Phnom Penh (Kambodscha) sowie Ho-Chi-Minh-Stadt und weitere vietnamesische Städte am Südchinesischen Meer auf der anderen Seite der Halbinsel zu befördern. Dawei wird auf diese Weise zu einem wichtigen Puzzle, die bisher eher in Köpfen und Planungsunterlagen existierende grenzüberschreitende »südliche Mekong-Region« Realität werden zu lassen. Nicht nur die Mitglieder des Staaten- und Wirtschaftsbundes ASEAN, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam, haben sich eine verstärkte Kooperation auf die Fahnen geschrieben. Auch der immer weiter an Bedeutung zulegende Raum Südchina soll in das logistische Großprojekt mit einbezogen werden.

Die südostasiatischen Nachbarn haben nie die westlichen Sanktionen gegen Myanmars Militärregime mitgetragen, die vorerst weiter in Kraft sind. Dennoch sind auch Investoren aus der Region vorsichtig, sich angesichts der politischen Verhältnisse in dem wirtschaftlich unterentwickelten Land zu engagieren. Die Regierung in Naypyidaw hatte darauf schon im Vorjahr mit der Einrichtung der Sonderwirtschaftszone reagiert, deren zugrundeliegendes Gesetz besondere Sicherheiten bieten soll.

Allein der Konzern Italian Thai Development Plc. (ITD) will sich bereits dieses Jahr mit Investitionen von umgerechnet 9,7 Milliarden Euro beim Ausbau Daweis engagieren. Einen großen Anteil macht dabei der Hafen selbst einschließlich seiner Bahnanbindung aus. Noch einmal doppelt so hoch sind mit gut fünf Milliarden Euro die Kosten für mehrere Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4000 Megawatt. Auch ein Stahlwerk, ein petrochemischer Komplex und eine Düngemittelfabrik sollen noch folgen.

Dawei ist für die eigene Regierung wichtiger Baustein zur dringend notwendigen Industrialisierung des Landes und seine Anbindung an den Seetransportweg. Für den festländischen Teil Südostasiens insgesamt ergeben sich wichtige Synergieeffekte für den regionalen Güterverkehr. Besonders attraktiv scheint es, Schiffe in Dawei be- und entladen zu können. Dies würde es ermöglichen, die extrem vielbefahrene, zum Teil auch durch Piraterie verunsicherte, Straße von Malakka zwischen der indonesischen Insel Sumatra, dem Südwesten Malaysias und dem Stadtstaat Singapur, zu umgehen.

ITD als derzeitiger Hauptinvestor steht in besonderer Weise für die enge Zusammenarbeit mit Partnern aus dem benachbarten Thailand. Das Geld für Hafenausbau und Industrieanlagen allerdings holt sich der Konzern mittels Darlehen von der Japan Bank for International Cooperation, während chinesische Kreditgeber vorrangig beim Eisenbahnprojekt engagiert sind. Die Volksrepublik war in all den Jahren der Militärdiktatur nicht nur politische Schutzmacht, sondern auch wichtigster Wirtschaftspartner – offiziell wie auch auf dunklen Kanälen wie beispielsweise dem Tropenholzschmuggel und Waffenkäufen. Peking ist bemüht, nicht an Einfluß zu verlieren, während nach den Reformen zugleich südostasiatische Nachbarn, aber auch Japan, Südkorea und perspektivisch gar westliche Konzerne in Myanmar aktiv werden. Allerdings besteht nicht nur theoretisch die Gefahr, daß es im Wettlauf um ausländische Investitionen zum Ausverkauf kommen könnte. Was die normale Bevölkerung abseits einiger tausend entstehender Arbeitsplätze vom Ausbau Daweis haben wird, ist derzeit unklar. Bisher lebt die überwiegende Mehrheit der Burmesen in tiefer Armut, die selbst im Vergleich mit anderen wirtschaftlich rückständigen ASEAN-Staaten wie Laos und Kambodscha ihresgleichen sucht. Zudem hat sich an bisherigen Wirtschaftsprojekten immer nur eine kleine Clique bereichert – den Beweis, daß es unter teils geänderten politischen Vorzeichen auch anders funktioniert, müssen die Herrschenden erst antreten.

* Aus: junge Welt, 26. Januar 2012


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