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Signale der Hoffnung

Myanmars Regierung und Kachin-Rebellen vor dem Start von Verhandlungen

Von Thomas Berger *

In Myanmar mehren sich die Hoffnungssignale auf ein absehbares Ende der neuerlichen Kämpfe zwischen Armee und Rebellen der KIO, dem bewaffneten Arm der Kachin Independence Organisation (KIO). Nach Vorgesprächen in der chinesischen Stadt Ruili sind für diese Woche nun erste unmittelbare Verhandlungen über eine neue Waffenruhe angekündigt. Am 20. Februar wollen im nordthailändischen Chiang Mai Regierungsvertreter und Abgesandte des Föderalen Rates der Vereinigten Nationalitäten (UNFC) zusammentreffen. Der UNFC ist eine Dachvereinigung von insgesamt elf separatistischen Bewegungen verschiedener ethnischer Minderheiten. Mit zehn von ihnen hatten die neuen Machthaber Myanmars unter Präsident Thein Sein seit dem Beginn des demokratischen Wandels 2011 Friedensabkommen geschlossen. Im gleichen Jahr allerdings ging die vormalige Waffenstillstandsvereinbarung mit der ebenfalls zur Allianz gehörenden KIO, immerhin seit 1994 bestehend, in die Brüche. Kurz nach dem Jahreswechsel waren die Kämpfe abermals eskaliert, als die Armee sogar Luftangriffe auf Rebellenstellungen flog.

Wie schnell bei den angekündigten Gesprächen mit einem Ergebnis zu rechnen ist, vermag derzeit niemand zu prognostizieren. Das Regierungsteam soll von Aung Minh angeführt werden, dem neuen Minister im Präsidialamt und einem wichtigen Vertrauten von Staatschef Thein Sein. Wie der als Vermittler fungierende Hla Maung Shwe vom kürzlich gegründeten Myanmar Peace Centre gegenüber Medienvertretern sagte, sollen außerdem mehrere hochrangige Offiziere an dem Treffen teilnehmen. Dies ist insoweit von besonderer Bedeutung, weil die Politik dem äußeren Anschein nach derzeit nur bedingte Kontrolle über das konkrete Agieren des Militärs im Konfliktgebiet hat. So hatte die Regierung mehrfach bekundet, eine Offensive explizit untersagt zu haben, als noch immer Nachrichten über fortgesetzte Luftangriffe in Richtung der Rebellenhochburg Laiza, einer Kleinstadt in unmittelbarer Nähe zur chinesischen Grenze, verbreitet wurden.

Thein Sein hat in den letzten Tagen gleich bei zwei Gelegenheiten unterstrichen, daß er persönlich für einen nationalen Aussöhnungsdialog mit den diversen Minderheiten steht. Einmal sagte er dies bei einem Empfang ziviler Gruppen im Parlament in der Hauptstadt Naypyidaw. Mit etwas anderen Worten wiederholte er die gleiche Botschaft noch einmal bei einem einstündigen Gespräch mit den Vertretern von neun bewaffneten Gruppen aus dem Reigen der Minderheiten, darunter Shan, Karen, Mon und Chin, am vergangenen Mittwoch. Nai Tala Nyi von der New Mon State Party (NMSP) wurde im Anschluß mit der Äußerung zitiert, der Präsident habe bei seinen Gesprächspartnern echte Hoffnungen geweckt, mit den Kachin-Vertretern demnächst zu einem politischen Dialog zu kommen. Ein Zeithorizont sei allerdings nicht genannt worden.

Einer der Kernpunkte bei den Verhandlungen dürfte sein, wie internationalen Hilfsorganisationen der Zugang zu den Flüchtlingslagern in dem von der KIA kontrollierten Gebiet gewährleistet werden kann. Von den insgesamt mehr als 100000 Menschen, die vor den Kämpfen ihre Heimatorte verlassen haben, leben rund 15000 in drei Camps im unmittelbaren Gebiet von Laiza, 26000 in weiteren Lagern auf Rebellengebiet. Auf angrenzendem Territorium weiter südlich, das unter dem Einfluß der Zentralregierung steht, sind gut 30000 Flüchtlinge unter kaum besseren Verhältnissen in Notunterkünften untergebracht. Weder UN-Gliederungen noch Ärzte ohne Grenzen, Rotem Kreuz oder anderen Ausländern wird gegenwärtig mit Verweis auf Sicherheitsaspekte vom Staat gestattet, in KIA-Terrain vorzudringen. Dabei brauchen die Lagerbewohner dringend Nahrungsgüter und medizinische Fürsorge.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 19. Februar 2013


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