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Mosambiks FRELIMO macht Verteidigungsminister zum Präsidentschaftskandidaten

Von Christian Selz *

Felipe Nyussi wird Präsidentschaftskandidat der mosambikanischen Regierungspartei Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO). Der amtierende Verteidigungsminister setzte sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag bei einer internen Abstimmung in Matola, einem Vorort der Hauptstadt Maputo, gegen vier weitere Kandidaten durch. Der 55jährige gilt als politischer Ziehsohn des scheidenden Staatspräsidenten Armando Guebuza, der zu den kommenden Wahlen im Oktober nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. »Felipe Nyussi hat mit 68 Prozent der Stimmen gewonnen«, zitierte die Nachrichtenagentur AFP Parteisprecher Damiao Jose, der das Ergebnis kurz nach Mitternacht bekanntgab. Mitglieder des Zentralkomitees hätten demnach anschließend Freudengesänge angestimmt.

Die ehemalige Befreiungsbewegung ist bemüht, größtmögliche Harmonie darzustellen. Innerlich ist die FRELIMO allerdings in zwei Lager gespalten, die im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur deutlich sichtbar geworden waren. Das Lager um Präsident Guebuza hatte zunächst versucht, lediglich drei Kandidaten aus den eigenen Reihen zuzulassen. Generalsekretär Filipe Paunde hatte auf einer Pressekonferenz im Dezember diesbezüglich gar erklärt, daß für weitere Bewerber »kein Platz« sei. Dagegen formierte sich innerparteilicher Widerstand, der von einer Gruppe um Expräsident Joaquim Chissano getragen wurde. Unterstützt wurde der Ruf nach zusätzlichen Präsidentschaftsanwärtern auch von der einflußreichen Vereinigung der Veteranen des Nationalen Befreiungskampfes (ACLLN). Ihr Protest führte schließlich dazu, daß Paunde am vergangenen Donnerstag zurücktrat. Die Kandidatenliste wurde um den 2012 abgesetzten ehemaligen Premierminister Aires Ali und dessen Vorgängerin Luisa Diogo erweitert, wie Parteisprecher Jose erst am Abstimmungstag am Sonnabend bekanntgab.

Diogo, die von 2004 bis 2010 an der Kabinettsspitze stand, zwang den Guebuza-Kandidaten Nyussi schließlich sogar in einen zweiten Wahlgang, in dem sie ihm mit 31 Prozent der Stimmen unterlag. »Ich habe mein bestes versucht, aber es war nicht möglich zu gewinnen«, sagte sie anschließend der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Agência de Informação de Moçambique (AIM). Ali, der bereits in der ersten Runde unterlegen war, beschrieb die Abstimmung als »transparent und von viel Freude umgeben«. Gegenüber AIM sprach er von einer »perfekten Wahl«, bezeichnete Nyussi als »den Kandidaten von uns allen« und forderte die Partei auf, »an die Arbeit« zu gehen. Die dürfte in den kommenden Monaten vor allem darin bestehen, das öffentliche Profil des Präsidentschaftskandidaten zu schärfen. Nyussi ist auch in Mosambik relativ unbekannt. Hoffnung macht seine Forderung aus dem Vorwahlkampf, den Reichtum im Land über das Steuersystem stärker umzuverteilen und die Staatsinvestitionen zu verstärken. Nyussi, Sohn zweier Veteranen des Befreiungskampfes, schloß 1990 ein Studium zum Maschinenbau in der damaligen Tschechoslowakei ab und arbeitete später in seinem Heimatland für das staatlichen Häfen- und Schienennetzunternehmen CFM. Vor seiner Ernennung zum Verteidigungsminister im Jahr 2008 hatte er keinen Regierungsposten bekleidet.

Die FRELIMO, die Mosambik seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 regiert, sieht sich trotz ihrer noch immer unangefochtenen Vormachtstellung einer gestärkten Opposition gegenüber. Wichtigster Herausforderer dürfte das erst 2009 gegründete Movimento Democrático de Moçambique (MDM) von Daviz Simango werden, eine Abspaltung von der bisher größten Oppositionspartei, der Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO). Die RENAMO, einst zu Apartheidzeiten von den weißen Minderheitenregimen in Rhodesien (dem heutigen Simbabwe) und Südafrika als konterrevolutionäre Terrororganisation gegen die damals noch sozialistische FRELIMO aufgebaut, hatte im vergangenen Jahr den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen und mehrere tödliche Anschläge in Zentralmosambik verübt. Trotz ihres schwindenden politischen Einflusses rang sie der Regierung schließlich Zugeständnisse beim Wahlrecht ab. Inzwischen schweigen die Waffen. Die weitere Befriedung des Landes dürfte nach seinem absehbaren Wahlsieg dennoch eine der wichtigsten Aufgaben Nyussis werden. Auch dazu muß er seine Partei möglichst schnell einen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 4. März 2914


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