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FRELIMO verliert in den Städten an Zuspruch

Mosambiks Regierungspartei vermag Wachstumsraten nicht in allgemein höheren Lebensstandard umzusetzen

Von Armin Osmanovic *

Die mosambikanische Regierungspartei FRELIMO regiert seit 1975 ohne Unterbrechung. 22 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs wächst in den Städten der Unmut.

Sonntagmorgen in Maputo. Die Straßen der mosambikanischen Hauptstadt sind fast menschenleer. Die gewaltige Statue Samora Machels, des ersten Präsidenten des unabhängigen Mosambiks, auf dem großen Platz vor dem ehemaligen Gouverneursgebäude umkreist zu dieser Zeit des Tages nur ab und an ein Auto.

Die Kommunalwahlen sind in diesem südostafrikanischen Land nur wenige Wochen her. Sie haben für eine Überraschung gesorgt. Hier in Maputo gelang es der Opposition immerhin, über 40 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Vor wenigen Jahren hätte damit keiner gerechnet, saß doch die seit 1975 regierende Befreiungsfront Mosambiks (FRELIMO) fest im Sattel.

Doch die Unzufriedenheit mit Samora Machels Nachfolger wächst. Vom neuen Wohlstand, den Einnahmen aus dem Abbau der riesigen Kohlevorkommen und den jüngst entdeckten Erdgasfeldern vor der Küste des südostafrikanischen Landes, kommt bei den über 15 Millionen Mosambikanern nur wenig an.

Mosambik rangiert trotz stetigen Wirtschaftswachstums von über acht Prozent pro Jahr auf den letzten Plätzen des Indexes für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen. Vor allem die Misere im Bildungsbereich hält an. Noch immer können 50 Prozent der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. Die Masse der Mosambikaner findet trotz Booms kaum einen regulären Arbeitsplatz.

Groß ist die Unzufriedenheit vor allem in den beiden großen Städten des Landes, Maputo und Beira. In Beira, der zweitgrößten Stadt, die sich von der Hauptstadt traditionell benachteiligt fühlt, regiert die Oppositionspartei MDM schon seit 2009. Ihr Führer Daviz Simango war Mitglied der konservativen RENAMO, von der er sich nach Streitereien mit deren Führung getrennt hatte.

Am Abend, wenn die Hitze abnimmt, entfaltet sich das Leben auf Maputos Uferpromenade Marginal. Die dort aufgereihten Bars und Restaurants sind voll von jungen Mosambikanern. Die jungen Städter stehen hinter dem Erfolg der MDM. Sie haben die Nase voll von leeren Versprechungen der Regierung, Korruption, miserabler Infrastruktur und mangelhafter Versorgung. Denn nicht wenige wohnen trotz fester Arbeit in Maputo und Beira ohne Wasseranschluss in ihren Häusern, mit unregelmäßiger Müllentsorgung und einem schlecht funktionierenden öffentlichen Verkehr.

Die Kommunalwahlen waren ein Warnschuss für die FRELIMO-Regierung. Im Oktober sind Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Mosambik. Der jetzige Präsident Armando Guebuza kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Doch Guebuza will die Macht nicht aus der Hand geben. Er will FRELIMO-Chef bleiben und in dieser Funktion den von ihm vorgeschlagenen neuen Präsidenten und das Land kontrollieren.

»Unser Fünf-Prozent-Präsident«, so nennen ihn die Kritiker in Mosambik, denn Guebuza wird nachgesagt, an vielen Wirtschaftsdeals persönlich zu verdienen. Für viele der jungen Mosambikaner steht denn auch die FRELIMO kaum noch für die Befreiung von der Kolonialherrschaft, sondern für die ausbleibenden wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte.

»Alles, nur nicht FRELIMO«, beschreibt die Stimmung, die viele junge Wähler für die neue Opposition stimmen lässt. Auch der autoritäre Regierungsstil des Präsidenten stößt bei den Jungen im Land auf Ablehnung. Unter Joaquim Chissano, Guebuzas Vorgänger, herrschte ein offeneres politisches Klima. Heute bekommen Andersdenkende in und außerhalb der Regierungspartei schnell die Macht des Präsidenten zu spüren.

Castel Branco, ein der FRELIMO nahestehender Intellektueller, hatte Guebuza unlängst wegen seines Führungsstils in einem harschen Brief, der in den Zeitungen veröffentlicht wurde, als Diktator bezeichnet und ihn mit Stalin verglichen. Umgehend wurden die Chefredakteure der Zeitungen vom Justizminister einbestellt, damit so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt.

Die Zivilgesellschaft in Mosambik fällt als Korrektiv zur übermächtigen FRELIMO weitgehend aus. Melissao, der sich mit anderen Studenten in Maputo zusammengetan hat, um für ein besseres Nahverkehrssystem zu mobilisieren, bringt die Grenzen zivilgesellschaftlichen Engagements auf einen Nenner: »Eine zu große Konfrontation mit dem Staat wollen wir nicht, denn dann kann es sehr schnell für uns als Organisation das Ende bedeuten.« – »Wir wollen für unsere Vorschläge bei allen Parteien um Zustimmung werben. In den Ministerien gibt es viele gute Leute, die etwas bewegen wollen«, erklärt Melissao.

Die Wahlen im Oktober 2014 wird FRELIMO gewinnen. Auf dem Land hat die Partei weiterhin großen Zuspruch. Dort hat sie für mehr Basisversorgung gesorgt. Doch ohne ein neues politisches Angebot droht den Nachfolgern Samora Machels, dass sie die städtische Jugend des Landes verlieren.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 6. Februar 2014


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