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Langzeitfolgen

Moçambiques Frelimo-Partei erstmals mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Das Erbe von Krieg und Kolonialismus wirkt weiter

Von Raoul Wilsterer *

Einen überwältigenden, in dieser Höhe unerwarteten Wahlsieg erreichte die moçambiquanische Frelimo-Partei bei der Abstimmung am 28. Oktober. Zwar prüft die zentrale Wahlkommission in Maputo derzeit noch die Ergebnisse aus den elf Provinzen des südostafrikanischen Landes sowie die insgesamt etwa 600 000 ungültigen Stimmzettel, doch ist der Trend eindeutig.

Insbesondere die am gestrigen Donnerstag bestätigten Ergebnisse aus den nördlichen Provinzen Nampula und Zambezia, beides ehemalige Hochburgen der Opposition, deuten auf eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit der vormaligen Befreiungsbewegung »Front zur Befreiung Moçambiques« hin: Es wäre das erste Mal überhaupt unter bürgerlich-demokratischen Bedingungen, die 1994 etabliert worden waren. Unter UN-Kontrolle hatte sich Frelimo damals mit 53 Prozent noch relativ knapp gegen ihre Hauptkonkurrentin, die ehemalige Terrorgruppe Renamo (Nationaler Widerstand Moçambique), durchsetzen können. 1999 und 2004 dann folgten stetige Zugewinne.

Das gilt ebenso für die Direktwahl des Präsidenten: Armando Emílio Guebuza wird weiterregieren. Der 66jährige ehemalige Frelimo-Kämpfer, der bereits als Zwanzigjähriger der Guerilla beigetreten war und unter dem marxistischen Staatschef Samora Machel dem Politbüro der Organisation angehörte, hatte das Amt von Joaquim Alberto Chissano im Februar 2005 übernommen. Mit dem Namen Chissano (Präsident von 1986-2005) ist die grundlegende Kursänderung des Landes weg von einer sozialistischen Entwicklung zurück zu kapitalistisch-feudalistischen Strukturen verbunden.

Widrige welthistorische Umstände sowie anhaltender Druck von außen verhinderten einen eigenständigen Kurs des langgestreckt am Indischen Ozean gelegenen Landes: Neben dem Ende des sozialistischen Weltsystems 1990 - Frelimo wurde unter anderem von der UdSSR und DDR unterstützt - litt die ehemalige portugiesische Kolonie vor allem unter dem über 16 Jahre andauernden Vernichtungskrieg der im rassistischen Rhodesien 1975 gegründeten antikommunistische Renamo.

Ab Mitte der achtziger Jahre lag das Land wirtschaftlich am Boden, Renamo hatte weite Teile der Infrastruktur zerstört, und lediglich die - auch militärische - Unterstützung durch das benachbarte Simbabwe verhinderte den vollständigen Absturz ins Chaos. Schon vor dem offiziellen Kriegsende 1992 - Renamo verwandelte sich in eine politische Partei und erhielt einen legalen Status - diktierten Weltbank und Währungsfonds die Bedingungen für den Wiederaufbau. Die Frelimo-Partei sozialdemokratisierte sich zusehends. Als einzige ehemals nichtbritische Kolonie neben Kamerun trat Moçambique 1995 dem Commonwealth bei. Bis heute wird etwa die Hälfte des Staatshaushalts - der aktuelle beträgt etwa 3,8 Milliarden Dollar - aus ausländischen Quellen finanziert.

Etwa die Hälfte der 20 Millionen Einwohner lebt in Armut. Nicht einmal ein Prozent des Staatshaushalts wird für Soziales ausgegeben. Viele Witwen, Waisen und Alte sind auf sich allein gestellt kaum überlebensfähig. Neben der Solidarität ihres Umfelds erhalten sie derzeit eine geringe staatliche Unterstützung von zwei bis vier Dollar - pro Monat. Derzeit wird im Land diskutiert, wie realistisch die Einführung eines wirksamen Sozialhilfesystems ist, doch befindet sich die Debatte noch im Anfangsstadium.

Die Misere, mit der die Frelimo-Regierung konfrontiert ist, ist nicht hausgemacht, soll aber von ihr bewältigt werden. Ein hartes Geschäft trotz wirtschaftlicher Zuwachsraten um acht Prozent in den vergangenen Jahren. Die westlichen Geberländer diktieren Konditionen für ihre milden Gaben, Privatisierung und der Ausverkauf von Land schreiten voran. Auch die politischen Verhältnisse bleiben trotz des guten Abschneidens der Frelimo und des desaströsen Absturzes der Renamo-Partei auf etwa 15 Prozent labil. Die Wahlbeteiligung lag in einigen Provinzen lediglich bei etwa 30 Prozent (Zambezia), und die neugegründete Renamo-Abspaltung MDM (Demokratische Bewegung Moçambiques) trat lediglich in wenigen Bezirken des Landes an - aus »organisatorischen Gründen«, wie es hieß.

Die Deutsche Welle, der BRD-Auslandssender, geißelte denn auch die Wahlen bereits als »unfair« und forderte Ende Oktober eine Einstellung oder doch zumindest Kürzung der »direkten Zahlungen an den Staatshaushalt Moçambiques«. Noch sei »die Demokratie zu retten«.

* Aus: junge Welt, 6. November 2009


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