Wenn die Brasilianer kommen ...
Mosambiks Kooperativenwirtschaft droht bei Auslieferung an Spritproduzenten das Aus
Von Serena Cosi und Markus Plate *
Mosambik gilt in Sachen gerechter Landverteilung als positives Beispiel
in Afrika. Noch! Denn die Kooperativenwirtschaft, die das sozialistische
Mosambik nach seiner Unabhängigkeit gründete, wird seit einigen Jahren
in Frage gestellt, auf die Unterstützung der Regierung können die
Kleinbauern kaum noch hoffen.
Seit Jahrzehnten wird sie gefordert: Eine umfassende Landreform in den
Ländern des Südens, weg von der Latifundienwirtschaft, hin zu einer
gerechteren Verteilung des Landes. Die Praxis sah und sieht anders aus:
Die »Landreform« der letzten beiden Jahrzehnte ist eine vom »Markt«
gesteuerte. Produziert wird, was der Weltmarkt will, nicht unbedingt
das, was die Bevölkerung braucht. Mosambik ist da bisher eine Ausnahme.
Chokwue liegt etwa hundert Kilometer nordöstlich der mosambikanischen
Hauptstadt Maputo und ist die Hauptstadt der Provinz Gaza. Die Straße
von Maputo nach Chokwue ist übersät mit Schlaglöchern. Vier Stunden
holpert der alte Linienbus durch die Savanne, vorbei an mit Stroh
gedeckten Hütten und Mangobäumen. Mehrmals überquert eine Brücke den
Limpopo-Fluss, der frisches Wasser in diese Gegend führt, die ansonsten
unter einer fürchterlichen Dürre leidet. Dank des Limpopo konnten die
portugiesischen Kolonialherren hier ein Bewässerungssystem anlegen, das
heute von den kleinen mosambikanischen Kooperativen genutzt wird.
Francisca und Ester sind Mitglieder der Kooperative Josina Machel, wie
alle hier haben beide ein kleines Stückchen Land, ihre eigene
»Machamba«. Aber dann gibt es auch noch das Gemeinschaftsland. »Jeden
Montag und Freitag treffen wir uns hier und bearbeiten es gemeinsam«,
erzählen die beiden: »Wenn wir den Reis, den Mais und alles, was wir
hier anbauen, geerntet haben, bringen wir die Ernte zum Präsidenten der
Kooperative. Und das, was wir nicht verkaufen, teilen wir unter uns auf.
Für uns ist es sehr gut, Teil einer Kooperative zu sein.«
Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1975 und der Flucht der Portugiesen
stand der sozialistische, mosambikanische Staat vor der schwierigen
Aufgabe, die Landwirtschaft zu reorganisieren, um die Ernährung der
Bevölkerung zu gewährleisten. »Der größte Teil des Bewässerungssystems,
das über Jahrzehnte von den Europäern benutzt worden war, lag still«,
berichtet Joaquim Funzano, Präsident einer örtlichen Kooperative und
Mitglied der UNAC, der Nationalen Kleinbauernvereinigung. Der Staat
musste sich etwas einfallen lassen, wie diese verlassenen und so
fruchtbaren Länder wieder bestellt werden sollten. Und so gründete er
die Landkooperativen.
Doch in den letzten Jahren haben die Entscheidungsträger in Politik und
Wirtschaft den Kooperativen vorgeworfen, zu wenig zu produzieren –
gemessen an den Vorgaben und Kriterien internationaler Institutionen und
Geldgeber. Finanzspritzen und Kredite indes blieben aus. Die Rufe aus
der Politik wurden lauter, das Land zu privatisieren, es an Investoren
und große Agrarunternehmen zu verkaufen und die Kooperativen zu Gunsten
von Monokulturen und der Exportproduktion aufzulösen. Das soll dem Staat
Geld bringen, der Entwicklung dienen und Arbeitsplätze schaffen.
Ousseman, Soziologe und Gründer der Kleinbauernvereinigung UNAC, sieht
das anders: Regierung und Medien stellen die Energiepflanze Jetropha als
Boom-Pflanze dar, obwohl wir wissen, dass an vielen Orten zu viel
produziert wurde und hinterher keiner wusste, wie man die Ernte
verkaufen sollte.«
Vor allem Brasilien hat die Zusammenarbeit mit Mosambik intensiviert.
Der Gigant der weltweiten Biospritproduktion dehnt seinen Einfluss
zunehmend in die ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas aus.
Tausende Hektar sind sind im Rahmen dieser Zusammenarbeit bereits für
die Bioethanol-Produktion reserviert. Ousseman sieht auch dies sehr
kritisch: »Wir verlieren riesige Landflächen an den Anbau von
Energiepflanzen – zum Schaden der eigenen Nahrungsmittelproduktion.« Für
Brasilien hat diese Kooperation – gerade angesichts des Widerstands
gegen die Zuckerrohr- und Sojawirtschaft im eigenen Land oder in
Paraguay – noch große Wachstumspotenziale. Unter den sozialen und
ökologischen Folgen hätte allein Mosambik zu leiden.
Seit dem Ende des sozialistischen Experimentes 1989 und dem weltweiten
Siegeszug des Wirtschaftsliberalismus sind die Kooperativen fast Relikte
aus einer untergegangenen Epoche. Während anderswo im Süden ein
radikales Umdenken in der Landwirtschaftspolitik immer lauter
eingefordert wird, setze der mosambikanische Staat immer weniger auf
seine kleinbäuerliche Kooperativen-Landwirtschaft. Schon während der
katastrophalen Überschwemmungen vor acht Jahren kam die Regierung ihren
Kooperativen kaum noch zur Hilfe.
Doch was wird aus den Bauern, wenn die Kooperativen tatsächlich
aufgelöst werden? Im Versammlungsraum der Kooperative diskutieren
Funzano, Francisca und Ester. Die Kinder um sie herum, die sie immer mit
zur Arbeit nehmen, wenn gerade keine Schule ist. Sie reden in Shangane,
ihrer Muttersprache, über den Einfall der Monokulturen in das Land der
Kooperativen, nach Mosambik. Während sie diskutieren, stampft Funzano
Maismehl, um Xima zuzubereiten, die Hauptspeise des ländlichen Mozambik.
Wenn die Kooperativen aufgelöst würden, dann würden sie alle arbeitslos,
müssten wie so viele in die Armenviertel der Peripherie Maputos ziehen.
Und dann müssten sie industriell gefertigte Xima essen, gekauft in
irgendeinem Supermarkt der Hauptstadt.
* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009
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