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Krieg der Gierigen

In Mosambik greift die RENAMO wieder zu den Waffen

Von Christian Selz *

Die Worte sind martialisch, die Attacken so gefährlich wie seit dem Friedensabkommen vor 21 Jahren nicht mehr. Mosambik, das ist dieser Tage nicht mehr auszuschließen, droht ein neuer zäher bewaffneter Konflikt. Am Montag griff die Armee das Hauptquartier der RENAMO-Rebellen mit schweren Waffen an. Deren Kämpfer revanchierten sich am gestrigen Dienstag mit einem Überfall auf eine Polizeiwache. Schulen schlossen, lokale Medien berichten von Flüchtlingen aus den Dörfern der umkämpften Region in den Gorongosa-Bergen, mehr als 1000 Kilometer nördlich der Hauptstadt Maputo in der zentralen Provinz Sofala gelegen.

»Der Frieden in diesem Land ist vorbei«, hatte RENAMO-Sprecher Fernando Mazanga bereits kurz nach der Armeeattacke vom Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters angekündigt. Die Drohung bringt in Mosambik dunkle Erinnerungen hervor. 16 Jahre lang hatte sich die von den rassistischen weißen Regimen Rhodesiens und Südafrikas aufgebaute RENAMO mit der Befreiungsfront FRELIMO einen blutigen Bürgerkrieg geliefert, dem mehr als eine Million Menschen zum Opfer fielen. Mit dem Friedensvertrag von Rom endete der Konflikt in dem südostafrikanischen Land 1992. Bekämpft haben sich die seitdem ununterbrochen regierende FRELIMO und die durchgängig stärkste Oppositionspartei RENAMO seitdem hauptsächlich im Parlament. Nach einigen bewaffneten Scharmützeln in den vergangenen Monaten ist dieser Frieden nun endgültig vorbei.

»Die Guerillakämpfer sind zerstreut und werden angreifen, ohne Befehlen zu folgen«, gab sich Mazanga am Dienstag hilflos. RENAMO-Präsident Afonso Dhlakama, der während der Attacke vom Montag unverletzt in die Berge geflohen sei, habe die Kontrolle verloren, Schuld seien die Regierungstruppen. Die »unvernünftige Einstellung« von Präsident Armando Guebuza »bedeute das Ende des Friedensabkommens«, so Mazanga.

Fakt ist: Die RENAMO-Führung hat den Konflikt provoziert. Bereits im Juni hatten mutmaßliche RENAMO-Kämpfer nach vorheriger Ankündigung Dhlakamas mit Angriffen auf LKW eine wichtige Transportroute unterbrochen und zwei Menschen getötet. Die seit 1975 von außen als Gegengewicht zur damals noch marxistisch-revolutionären FRELIMO aufgebaute Truppe kämpft dabei dieser Tage nicht im politischen Fremdauftrag, sondern im materiellen Eigeninteresse. Die offiziellen Forderungen nach einer Änderung des Wahlsystems zu ihren Gunsten sowie größerem Einfluß innerhalb der Streitkräfte verschleiern den Griff nach dem Ressourcenreichtum des Landes nur dürftig. Vor der Küste Mosambiks ruht das größte in den vergangenen zehn Jahren entdeckte Gasvorkommen der Welt, hinzu kommen reichhaltige Kohledepots im Landesinneren. Die Gewinne daraus teilen sich hauptsächlich internationale Investoren und politisch mit der inzwischen chronisch korrupten FRELIMO-Regierung vernetzte einheimische Geschäftsleute.

Daß die Altterroristen der ­RENAMO aus dem daraus in der Bevölkerung gewachsenen Unmut gegenüber der Regierung Kapital schlagen können, gilt dennoch nahezu als ausgeschlossen. Im Gegenteil: Bei den landesweiten Wahlen im kommenden Jahr droht sie die Oppositionsführung an das erst 2009 gegründete Movimento Democrático de Moçambique (MDM) zu verlieren. Bereits die Kommunalwahlen in gut vier Wochen will die ­RENAMO angesichts ihrer eigenen Schwäche lieber stören, als daran teilzunehmen. Militärisch trauen ihr Experten derweil ebenso nicht zu, die Armee in zu Gefahr bringen. Auf lediglich 300 Mann unter Waffen werden Dhlakamas Truppen geschätzt. Einen eigenen Zugriff auf Bodenschätze haben sie nicht. Die Nervosität in Maputo ist dennoch spürbar. Sieben Regierungssoldaten sollen bei dem Angriff vom Montag nach Angaben lokaler Medien getötet worden sein, doch das Militär dementierte und sprach nur von zwei Toten unter den Rebellen. Staatsoberhaupt Guebuza äußerte sich gleich gar nicht. Mit dem Frieden ist auch die Souveränität geschwunden.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 23. Oktober 2013


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