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Zwischen Blackberry und Ziegen in Maputo

Die Hauptstadt des einst von einem langen Bürgerkrieg geplagten Mosambik befindet sich im ständigen Wandel. Ganze Stadtviertel haben in den letzten Jahren ihr Gesicht geändert.

Von Armin Osmanovic, Maputo *

Maputo, Mosambiks Hauptstadt, in der etwa zwei Millionen der 22 Millionen Mosambikaner wohnen, ist 600 Kilometer von Südafrikas Metropole Johannesburg entfernt. Auf der sehr gut ausgebauten Straße, die von einem privaten Betreiber unterhalten wird, so dass hohe Straßenbenutzungsgebühren erhoben werden, sind an diesem Tag viele Lastwagen von Südafrikas industriellem Zentrum zur Stadt und zum Seehafen Maputo und zurück unterwegs.

Nach fünf Stunden erreichen wir die Grenze. Schnell sind wir von einer Schar von jungen Männern umgeben. Sie bieten ihre Hilfe beim Ausfüllen der Papiere für Visa, Zoll und eine zusätzliche und obligatorische Autoversicherung an. Wir entscheiden uns für den erstbesten »Helfer« der Autoversicherung »Global Alliance«. Die größte, wie uns der goldkettengeschmückte Chef in seinem spärlich möblierten Bürocontainer am Straßenrand mitteilt.

Südafrikanische Rand sind begehrt

Zurück am Auto, auf der Suche nach einem Dokument, bestürmen uns weitere Mosambikaner. Alle haben sie dicke Bündel von Geld in der Hand. Sie preisen uns ihren Kurs an. Wir tauschen einige südafrikanische Rand. Prompt fehlen 100 Metical, die wir einfordern. Nach einer Stunde haben wir endlich Visa, die Papiere für den Zoll und die notwendige zusätzliche Autoversicherung erhalten. Wir sind aber auch einige Euro los, die uns die »Hilfe« gekostet hat.

Maputo empfängt uns nach einer weiteren knappen Stunde Fahrt mit einem die vierspurige Straße überragenden Werbeplakat für die neue Generation der Blackberrys. Darunter tummeln sich im sandigen Straßenrand einige magere Ziegen auf der Suche nach etwas Essbarem. Am nordwestlichen Stadtrand, am Beginn der Straße des 25. Junis, dem Tag der Unabhängigkeitserklärung von der portugiesischen Kolonialmacht 1975, liegt eine Armensiedlung. Hütten reihen sich dicht an dicht. Sandige Straßen und Wege führen hindurch. Viele Menschen stehen am Straßenrand und warten auf einen Minibus. An den Läden zur Hauptstraße wird hauptsächlich Brennholz angeboten, einige Telefonhäuschen und Friseure erkennt man.

Vor acht Jahren waren wir das letzte Mal in Maputo. Damals wie heute reisten wir aus Johannesburg in die mosambikanische Hauptstadt. Die Stadt erschien uns im Vergleich zu Südafrikas Moloch ruhig und beschaulich. Wir genossen es auf den Gehwegen zu schlendern, was in Johannesburg wegen des Autoverkehrs fast unmöglich ist. Auch heute noch laden die zahlreichen Cafes Maputos mit ihren köstlichen Nachtischen, ein Erbe der Portugiesen, zu langen Pausen ein. Der nun dichte Autoverkehr hat eine Unruhe in die Stadt gebracht, welche die Lust auf einen ausgedehnten Spaziergang im Stadtzentrum schnell vergehen lässt.

Im Stadtzentrum sieht man neben den alten Gebäuden aus der Kolonialzeit, den mehrstöckigen in die Jahre gekommenen Wohnblocks und Bürogebäuden, die nach der Unabhängigkeit in den 70er und 80er Jahren errichtet wurden, zahlreiche neue Gebäude, die in den letzten zehn Jahren aus dem Boden gestampft wurden, und an denen noch gebaut wird.

In Maputos ältestem Stadtteil Baxia besuchen wir ein neues Einkaufszentrum. Ein Supermarkt, Kino, Restaurants und schicke Boutiquen finden sich hier in Hafennähe und nur unweit vom alten Bahnhof der Stadt, dessen aus Stahl konstruierte Kuppel von einem Mitarbeiter Gustave Eiffels entworfen wurde und der unlängst von der US-amerikanischen Zeitschrift Newsweek zu einer der schönsten Eisenbahnstationen der Welt gerechnet wurde. Hier geht die wachsende Mittel- und Oberklasse bei Benetton Kleider und bei den Juwelieren Goldschmuck einkaufen. Viele der wohlhabenden Bewohner Maputos fahren aber auch zum Shopping über die Grenze in das 180 Kilometer entfernte südafrikanische Nelspruit.

»Maputo ist im ständigen Wandel«, erklärt uns Diamantino, der für eine mosambikanische Nichtregierungsorganisation in Maputo arbeitet. »Die Häuser im Viertel entlang der Wladimir Lenin Straße wurden nach der Unabhängigkeit nationalisiert. Sie waren alle im Besitz von Portugiesen«, sagt Diamantino. »Heute kaufen die Portugiesen die Häuser wieder zurück, da die Menschen, welche die Häuser nun besitzen, sie nicht unterhalten können. Sie ziehen weg, nach draußen, in die Vororte, wo sich auch die Menschen aus den ländlichen Gebieten wiederfinden, die in die Stadt auf der Suche nach Arbeit ziehen. Und die Portugiesen genießen hier gute Lebensbedingungen.«

Ganze Stadtviertel haben in den letzten Jahren ihr Gesicht geändert. Vor allem zum Meer hin sind neue Wohnviertel entstanden. Die Neureichen Mosambiks, die vor allem vom seit Jahren anhaltenden hohen Wirtschaftswachstum profitieren, blicken von weit oben von ihren marmorbepflasterten Terrassen auf die azurblaue Bucht des Indischen Ozeans. An der darunter gelegenen Uferpromenade, der Avenida Marginal, deren Gehweg und Sitzbänke in einem bemitleidenswert schlechten Zustand sind und die man nicht nur am Abend als Spaziergänger auf einigen Teilen meiden sollte, entsteht unweit des Holiday-Inn Hotels ein neues Vorzeigeprojekt Maputos: Zwei mehrstöckige Hotel- und Bürotürme der Radisson-Gruppe. Angrenzend, wo früher eine staubige Armensiedlung stand, reihen sich entlang einer Teerstraße schon neue Einfamilienhäuser mit großen umzäunten Gärten und Parkraum für die Wagen der Hausbesitzer.

Noch sind nicht alle Armen der Stadt, die in Strandnähe wohnen, verdrängt worden. Doch die Menschen, die hier vor ihren Hütten und kleinen Häusern, zahlreich auf der Straße unterwegs sind, werden wohl nicht mehr lange hier leben und auf den bunten Märkten einkaufen. »Die Menschen, die hier wohnen, können so gute Preise bei den Investoren für ihre Grundstücke erzielen, dass sie sich draußen vor der Stadt ein anständiges Haus kaufen können«, meint Diamantino.

Vom Stadtrand ist der Weg zurück in die Stadt weit und der Transport teuer. Vor zwei Jahren, als in mehreren Ländern Afrikas heftige Proteste wegen gestiegener Lebensmittel- und Benzinpreise aufflammten, kam es auch in Maputo zu Protesten. Die Regierung plante, die Preise für die Busse, die wie die Benzinpreise staatlich festgelegt sind, zu erhöhen. Als selbst die Polizei und das Militär mit den Protestierenden zu sympathisieren begannen, beerdigte die Regierung ihre Preiserhöhung. Bis heute wurden die Preise nicht erhöht.

Der rasant wachsende Verkehr ist eins der großen Probleme der Stadt. Abends säumen viele Menschen den Straßenrand auf der Suche nach einem Platz in einem der wenigen staatlichen Busse oder privaten Minibustaxis, um endlich nach der Arbeit nach Hause in die Vorstädte zu kommen. Die schon heute in den Stoßzeiten zumeist überladenen Busse und Taxis werden dem Ansturm nicht Herr. Und auch der Individualverkehr stößt in der Innenstadt an seine Grenze.

Der Tourismus steht vor der Entfaltung

Touristen sieht man bis auf ein paar Rucksacktouristen in der Stadt kaum. Die neu errichteten Hotels sind vor allem für die Geschäftsleute. In einem der beliebtesten Restaurants Maputos, dem »Costa do Sol«, trifft man einige Ausländer. Hier in Strandnähe genießen die Gäste auf der Terrasse die Sicht auf das Meer und das reichhaltige Angebot an Fisch, Meeresfrüchten und süße Nachtische. Ein paar der Touristen machen hier mit ihren mit Zelt, Schlafsack und Kochutensilien bepackten Geländewagen Halt auf dem Weg in oder aus dem Norden des riesigen Landes. Im Norden hat sich der Tourismus in den letzten Jahren an einigen der schönsten Stränden des Indischen Ozeans rasant entwickelt. Vor allem Südafrikaner genießen während ihrer Hauptferienzeit zu Weihnachten das warme Wasser und die idealen Bedingungen für Tauchgänge. Wir machen uns wieder auf den Weg zurück vom Meer auf das rund 1600 Meter hoch gelegene Johannesburg und vermissen schon im Auto das bei allen Problemen irgendwie leichtere Lebensgefühl einer Stadt am Meer.

* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2010

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