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Alte Männer drohen mit Krieg

Moçambique: RENAMO-Führer Dhlakama zieht sich auf Militärbasis zurück

Von Christian Selz, Kapstadt *

Eine wichtige politische Rolle spielt Oppositionsführer Afonso Dhlakama im Moçambiqueanischen Parlament längst nicht mehr. Mit einem medienwirksam inszenierten Rückzug auf eine ehemalige Militärbasis seiner berüchtigten früheren Rebellengruppe RENAMO kämpft der 59jährige seit Oktober dennoch um mehr Macht. Seine Organisation ist heute mit 50 von 251 Sitzen zweitstärkste Fraktion im Parlament von Maputo. Jetzt droht Dhlakama kaum verhohlen mit neuer Gewalt und stellt absurde Forderungen nach einer Wahlkommission, in der die Opposition die Oberhand hätte, nach einer »neuen politischen Ordnung« und nach einer Beteiligung an den reichen Rohstoffvorkommen des Landes. Die Regierung der ehemaligen Befreiungsfront FRELIMO hat während der vergangenen zwei Wochen dennoch Verhandlungen mit dem einstigen Erzfeind aufgenommen. Zu groß ist die Sorge vor einem erneuten Ausbruch des Kriegs, der Moçambique bis 1992 erschütterte und dessen Folgen bis heute nachwirken.

Eine Million Menschen starben in dem sechzehnjährigen Guerillakrieg, den die RENAMO kurz nach der Unabhängigkeit Moçambiques von Portugal aufnahm. Im Auftrag der weißen Unterdrücker in Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika sollte die als »Nationaler Widerstand Moçambiques« firmierende Bande ab 1976 das Land destabilisieren, um den Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika einen Rückzugsraum zu nehmen. Die Methoden der seit 1984 unter der Befehlsgewalt Dhlakamas stehenden Vorkämpfer des Westens gegen die marxistische FRELIMO reichten von Landminen auch gegen Schulen und Kliniken über Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten bis hin zu Massenerschießungen und systematische Vergewaltigungen.

Trotz allem darf Dhlakama als freier Mann im Parlament agieren, das ist dem Friedensabkommen von 1992 geschuldet. Doch der Schlächter von einst will mehr. Die Entdeckung reicher Gasvorkommen hat Moçambique für finanzkräftige internationale Investoren interessant gemacht. Zwar ist die soziale Lage der meisten Einwohner weiterhin prekär – dies wurde zuletzt im vergangenen Monat bei Protesten gegen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr deutlich. Das ändert jedoch nichts an den stabilen Machtverhältnissen. Die auf einen marktwirtschaftlichen Kurs umgeschwenkte ehemalige Befreiungsbewegung FRELIMO profitiert vom rohstoffabhängigen, rasanten Wirtschaftswachstum – was offensichtlich auch bei Dhlakama Begehrlichkeiten weckt.

Der Exrebellenchef wirft der Regierungspartei vor, nur selbst von den neuen Einnahmequellen zu profitieren und verlangt eine Beteiligung an Gewinnen und Regierungsposten für seine Organisation. Dhlakamas Forderungen nach mehr Demokratie verhüllen diese Beweggründe nur schlecht. Er ist sich nicht einmal zu schade, bei der Rente für Kriegsveteranen aus dem eigenen Lager die Anerkennung von »Dienstjahren« vor dem 14. Geburtstag zu fordern, obwohl seine Organisation die Rekrutierung so junger Kinder bisher abgestritten hat. Er wolle im Busch bleiben, bis alle seine Forderungen erfüllt seien, gab der Oppositionschef an, der nach Medienberichten rund 800 Kämpfer um sich schart. Die Strategie ist so zynisch wie schlüssig: RENAMOS einziges Verhandlungskapital ist der Schrecken ihrer brutalen Vergangenheit. Er wolle »keinen Krieg«, sagte Dhlakama, fügte aber nebulös hinzu, daß er nicht wisse, was seine Mitstreiter tun würden, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Er drohte zudem an, die Wahlen 2014 zu boykottieren und »jeden am Wählen zu hindern«.

Die RENAMO-Fraktion im Parlament hat derweil bei der Abstimmung über eine neue, unabhängige Wahlkommission, nicht, wie von ihrem Anführer gefordert, boykottiert. Dhlakamas Macht schwindet, sein selbstverordneter Rückzug in den Busch kommt so mehr einer politischen Kapitulation als einer ernstzunehmenden Drohung gleich. Bei der Nachkriegsgeneration hat er ohnehin kaum noch Chancen. 2014 könnte seine Organisation erstmals ihren Oppositionsvorsitz an die junge Partei MDM verlieren. »Das sind alte Männer«, mißt der politische Beobachter Joseph Hanlon dem Rückzug Dhlakams auf die Militärbasis daher wenig Bedeutung bei. »Wahrscheinlich ist es ein Statement, daß er die nächsten Wahlen nicht ernst nimmt.«

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. Dezember 2012


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