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Verbündete gegen Beijing

Berlin kündigt den Abschluss einer "Rohstoffpartnerschaft" mit der Mongolei an *

ULAAN BAATAR/BERLIN (Eigener Bericht) - Im globalen Konkurrenzkampf um den Zugriff auf industriewichtige Ressourcen kündigt Berlin den Abschluss einer "Rohstoffpartnerschaft" mit der Mongolei an. Das Land, das Bundeskanzlerin Angela Merkel in diesen Tagen bereist, gehört zu den rohstoffreichsten Staaten weltweit; insbesondere verfügt es über sogenannte Seltene Erden, die für die Produktion moderner Technologie unverzichtbar sind. Mit der "Rohstoffpartnerschaft" sucht die Bundesregierung nun einen Rahmen zu schaffen, um deutschen Firmen einen privilegierten Zugriff auf die begehrten Ressourcen zu sichern. Vorarbeit haben deutsche Staatsorganisationen im Namen der "Entwicklungshilfe" geleistet, insbesondere die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Als Einstieg in die profitable Kooperation gilt ein Milliardenprojekt, das zunächst hochwertige mongolische Kohle für Werke von ThyssenKrupp in Europa sichern soll, aber auch darüber hinaus die Stellung von Firmen aus Deutschland in der mongolischen Rohstoffbranche stärkt. Die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der Mongolei hat eine militärpolitische Dimension und gewinnt Bedeutung für die Einkreisung Chinas durch den Westen.

Rohstoffpartnerschaft

Die Bundesregierung will ein Abkommen über eine "Rohstoffpartnerschaft" [1] mit der Mongolei schließen. Dies bestätigen Regierungskreise anlässlich der aktuellen Reise der Bundeskanzlerin in das Land. Demnach könne das Abkommen womöglich schon am morgigen Donnerstag in der mongolischen Hauptstadt Ulaan Baatar unterzeichnet werden. Es stellt einen Rahmenvertrag dar, der deutschen Unternehmen grundsätzlich Zugriff auf die Rohstoffe der Mongolei sichert - und das zu Preisen, die in Berlin als "fair" bezeichnet werden. Die jeweiligen Geschäftskonditionen werden im Detail von den beteiligten Unternehmen ausgehandelt; die Bundesregierung kündigt jedoch an, auch diesen Vorgang zu "begleiten". Damit ergänzt Berlin Bemühungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der im Rahmen einer "Rohstoffinitiative" seinerseits deutsche Firmen beim Streben nach Zugriff auf wichtige Ressourcen unterstützt, insbesondere auf "seltene Erden".[2] Bei diesen handelt es sich um Elemente, von denen es nicht viele bedeutende Lagerstätten gibt, die jedoch für die Herstellung moderner Technologie unverzichtbar sind. Die Mongolei gehört zu den wenigen Ländern, die über signifikante Vorräte an Seltenen Erden verfügen.

Angemessene Ressourcennutzung

Mit dem Abschluss der "Rohstoffpartnerschaft" münden Aktivitäten deutscher Staatsorganisationen, die sich bereits seit rund 20 Jahren mit den Ressourcen der Mongolei befassen, in messbaren Profit. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hatte bereits 1992, zwei Jahre nach Beginn der Öffnung der Mongolei für den Westen, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in das Land entsandt, um im dortigen Geosektor tätig zu werden. Zu den Partnern der BGR gehört das Ministerium für Mineralische Rohstoffe und Energie in Ulaan Baatar. Die deutsche Organisation hat bis heute eine Vielzahl von Projekten in der Mongolei durchgeführt, darunter etwa eines zur "Erfassung und Untersuchung nichtmetallischer Rohstoffe". Ihre Projekte eröffnen der BGR einen exklusiven Einblick in die mongolischen Rohstoffvorkommen und beste Beziehungen in Ministerialbürokratien und Industrie. Bereits seit 1991 in der Mongolei tätig ist die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Im Auftrag des BMZ unterstützt sie dort die Schaffung ökonomischer Rahmenbedingungen, die für westliche Firmen vorteilhaft sind ("Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen").[3] Zudem berät sie die Regierung in Ulaan Baatar "im Hinblick auf eine angemessene Nutzung der natürlichen Ressourcen".

Industriemineralien

Im vergangenen Jahr hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel, die Mongolei-Aktivitäten seines Hauses intensiviert und stärker auf die Rohstoffbranche fokussiert. Im August 2010 hat er bei einem mehrtägigen Besuch in dem Land eine "Rohstoffinitiative Mongolei" lanciert und dafür drei Millionen Euro bereitgestellt. "Mit den zugesagten Mitteln werden wir die mongolische Regierung dabei beraten, ein integriertes Gesamtkonzept zur Rohstoffbewirtschaftung zu erarbeiten", erklärte Niebel damals.[4] Die BGR unterstützt, wie Vertreter des BMZ und der mongolischen Regierung Ende August in Ulaan Baatar beschlossen, in Zukunft die Agentur für Mineralische Rohstoffe der Mongolei "bei der Erhebung von rohstoffwirtschaftlichen Daten". Explizit im Kontext mit der "Rohstoffinitiative" hat die BGR unlängst ein "Investorenhandbuch Mongolei" publiziert, das "über das Potenzial von Industriemineralien" sowie über "ausgewählte Metallrohstoffe" informiert und von Interessenten kostenfrei bei der Organisation bezogen werden kann. "Mit diesem Handbuch", erläutert die BGR, "ergeben sich indirekt auch Synergien für die deutsche Wirtschaft".[5]

Infrastrukturaufbau

Als erstes umfassendes Projekt der deutsch-mongolischen Rohstoffkooperation gilt ein milliardenschweres Vorhaben, bei dem Kokskohle in der Lagerstätte Tavan Tolgoi 550 Kilometer südlich der Hauptstadt Ulaan Baatar gefördert werden soll. Die Lagerstätte gilt als eine der größten weltweit; in den nächsten zehn Jahren sollen dort gut 100 Millionen Tonnen Kohle gefördert werden. Den Auftrag dazu, der auf ein Gesamtvolumen von mindestens zwei Milliarden US-Dollar geschätzt wird, hat nun - nach umfangreichen Vorarbeiten der Bundesregierung - ein Joint Venture aus dem australischen Bergbauunternehmen Macmahon und dem BBM German Mining Consortium erhalten, einem Zusammenschluss deutscher Großkonzerne (RWE, ThyssenKrupp, Siemens, KfW und andere) unter dem Dach der auf Bergbau spezialisierten BBM Gruppe (Mülheim an der Ruhr). Kohle aus Tavan Tolgoi soll, weil sie als besonders hochwertig gilt, nach Europa transportiert und dort für die Stahlherstellung genutzt werden; ein entsprechendes Abkommen hat ThyssenKrupp im Juni unterzeichnet. Die deutsche Industrie gerät damit in Konkurrenz zu Konzernen aus China, die bislang Hauptabnehmer mongolischer Kohle waren. Dabei sucht Berlin die deutsche Position in der Mongolei mit Hilfe des Bergbaus in Tavan Tolgoi zu konsolidieren. Dort sollen ein Kohlekraftwerk, Straßen sowie Eisenbahnstrecken errichtet werden; Ulaan Baatar strebt zudem den Aufbau einer eigenen Stahlindustrie an. Deutsche Firmen bemühen sich um Aufträge. Im Oktober 2010 reiste Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer eigens in die Mongolei, um sich dort gemeinsam mit Vertretern der Deutschen Bahn AG und von ThyssenKrupp für Aufträge an deutsche Konzerne beim Aufbau der mongolischen Verkehrsinfrastruktur einzusetzen.

Lücken füllen

Ramsauer traf bei seinem Besuch auch mit einem langjährigen Freund zusammen - dem aktuellen mongolischen Verteidigungsminister Luvsanvandan Bold, der gegenwärtig die Kooperation mit der Bundeswehr intensiviert. Kurz nach Ramsauer besuchte auch der damalige deutsche Verteidigungsminister zu Guttenberg seinen Amtskollegen Bold. Vordergründig geht es bei der Militärkooperation zwischen der Bundesrepublik und der Mongolei um die Zusammenarbeit in den Operationsgebieten des Westens; so hat Ulaan Baatar nicht nur 70 Soldaten in den Südsudan entsandt, sondern auch ein Kontingent in Afghanistan stationiert - im deutschen Besatzungsgebiet. Gegenwärtig ist im Gespräch, dass die Mongolei ihr Kontingent am Hindukusch aufstockt, wenn die Bundeswehr mit dem Rückzug ihrer Truppen beginnt, um möglicherweise entstehende Lücken zu füllen.

Der Dritte Nachbar

Langfristig geht es bei der deutsch-mongolischen Militärkooperation jedoch um die Einbindung der Mongolei in das westliche Bündnis - mit Blick auf ihre geographische Lage. Das Land liegt zwischen zwei übermächtigen Nachbarn - Russland und China - und sucht daher nach Verbündeten, laut außenpolitischer Doktrin der Mongolei "Dritten Nachbarn" im übertragenen Sinne, deren Hilfe es in Anspruch nehmen kann, um den russischen und vor allem den chinesischen Einfluss zu schwächen. Dabei orientiert sich Ulaan Baatar zunehmend am Westen und seinen Verbündeten, vor allem an den USA, Japan und der Bundesrepublik. Erst Ende September organisierte die Filiale der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) in Ulaan Baatar gemeinsam mit dem Institut für Strategische Forschung beim Nationalen Sicherheitsrat der Mongolei eine Konferenz, die dem außenpolitischen Konzept des "Dritten Nachbarn" gewidmet war - und insbesondere der Frage, inwieweit sich Ulaan Baatar künftig am westlichen "Dritten Nachbarn" ausrichten solle, auch militärpolitisch.[6] Gelingt es dem Westen, die Mongolei fest an sich zu binden, dann wäre dies ein neuer Schritt im Bemühen, China einzukreisen - oder, wie es vor kurzem auf einer Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik hieß, einen "Feuerring um China" zu legen.[7]

Fußnoten
  1. zu weiteren Planungen für "Rohstoffpartnerschaften" s. "Offensiven gegen China (II)", 01.06.2011, und "Rohstoffpartner", 22.08.2011 (beide Artikel bei www.german-foreign-policy.com)
  2. s. auch "Rohstoffkongress", "Ressourcen entwickeln", "Die Rohstofflücke" und "Kampf um Rohstoffe" (alle Beiträge bei www.german-foreign-policy.com)
  3. Schwerpunkte in der Mongolei; www.gtz.de
  4. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel führt politische Gespräche in Ulan Bator; www.bmz.de 19.08.2010
  5. BGR unterstützt Rohstoffwirtschaft der Mongolei; www.bgr.bund.de 31.08.2011
  6. Politik eines von Großmächten umrahmten kleinen Landes: Die Drittnachbarpolitik der Mongolei; www.kas.de
  7. s. dazu Ein Feuerring um China, 21.07.2011 (www.german-foreign-policy.com)
12.10.2011

* Aus: German Foreign Policy - Informationen zur deutschen Außenpolitik, 12. Oktober 2011; http://www.german-foreign-policy.com

Seltene Erden für Hightech-Industrie

Abkommen bei Merkel-Besuch in der Mongolei **

Beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Mongolei haben Deutschland und das zentralasiatische Land mehrere Kooperationsverträge geschlossen.

Zwei umfangreiche deutsch-mongolische Projekte betreffen den Abbau von Kohlevorkommen sowie den Bau von Gasturbinen durch das Münchener Technologieunternehmen Siemens in der Mongolei, wie Merkel am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit ihrem mongolischen Amtskollegen Sukhbaatar Batbold sagte. Bei dem Kohleprojekt mit einem Volumen von gut einer Milliarde Euro sollen nach Angaben der Wirtschaft bis zu 15 Millionen Tonnen pro Jahr gefördert werden.

Deutschland und die Mongolei schlossen zudem ein umfassendes Rohstoffabkommen. Dieses sieht neben der Kohleförderung eine deutsche Beteiligung an der Erschließung sogenannter seltener Erden vor, die für die Hightech-Industrie benötigt werden und in der Mongolei vorkommen. Im Gegenzug wolle Deutschland dort in Bildung, Forschung und Wissenschaft investieren, sagte Merkel in der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator. Ministerpräsident Sukhbaatar Batbold erklärte, sein Land sei außerdem am Erwerb »modernster Technologie aus Deutschland« interessiert.

Merkel reiste als erste deutsche Regierungschefin in der Geschichte der Bundesrepublik zu dem Besuch in die Mongolei.

** Aus: Neues Deutschland, 14. Oktober 2011




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