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"Kalter Krieg" in Moldova dauert an

Marian Lupu pokerte lange um Posten

Von Detlef D. Pries *

Pünktlich 30 Tage nach der vorgezogenen Parlamentswahl in der Republik Moldova traten die Abgeordneten in Chisinau kurz vor Ende des Jahres 2010 erstmals zusammen. Dass sie diesmal eine ganze vierjährige Legislaturperiode durchstehen, ist indes alles andere als sicher.

Als Alterspräsident mahnte der 69-jährige Wladimir Woronin, Vorsitzender der Partei der Kommunisten der Republik Moldova (PCRM), die Abgeordneten zur Parlamentseröffnung, das Volk sei des "Tamtams und der Trommeln des Kalten Krieges" müde. Woronin, 2001 bis 2009 Staatspräsident, spielte auf die endlosen Auseinandersetzungen zwischen vermeintlich "prorussischen" und "prowestlichen" Parteien an. Die Wähler hätten am 28. November "nicht für Moskau oder Brüssel" gestimmt, sondern für Moldova.

Zum dritten Mal in zwei Jahren waren die Moldauer an die Urnen gerufen worden, weil die Wahl eines Staatspräsidenten im Parlament gescheitert war. 61 von 101 Stimmen wären dazu erforderlich gewesen, die aber brachten weder die seit Juli 2009 regierende Vierparteienallianz für Europäische Integration (AEI) noch die oppositionelle PCRM zusammen.

Die Novemberwahlen änderten daran nicht viel: Zwar sind nur noch vier Parteien im Parlament vertreten, doch eine "Präsidentenmehrheit" ist nicht abzusehen. Die PCRM bildet mit 42 Mandaten die stärkste Fraktion, gefolgt von den Liberaldemokraten (PLDM) unter dem amtierenden Regierungschef Vlad Filat (32 Sitze), den Demokraten (PDM) unter Marian Lupu (15 Sitze) und den Liberalen (PL) des bisherigen Parlamentspräsidenten Mihai Ghimpu (12 Sitze). Insgesamt also 59 Stimmen für die nichtkommunistischen Parteien - fehlen zwei zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts.

PDM-Chef Marian Lupu war im vergangenen Jahr als Präsidentschaftskandidat gescheitert und als einziger Allianzpartner ohne einflussreichen Posten geblieben. Diesmal nahm er Koalitionsgespräche sowohl mit Liberaldemokraten und Liberalen als auch mit den Kommunisten auf, denen er erst im Sommer 2009 untreu geworden war. Wochenlang wurde spekuliert, ob es zu einer "linkszentristischen" oder einer "rechtszentristischen" Regierung kommen würde. Noch bei Parlamentseröffnung schien der Ausgang ungewiss. Auf ein Allparteienkabinett, von Woronin und seiner PCRM nicht ausgeschlossen, wollten sich die "Prowestlichen" auf keinen Fall einlassen.

Am 30. Dezember verkündete Lupu schließlich, seine Partei habe sich für "AEI 2 " - die Neuauflage der Allianz mit Liberaldemokraten und Liberalen - entschieden, obwohl auch ein Abkommen mit der PCRM unterschriftsreif war. Dafür trotzte Lupu seinen Verbündeten das Amt des Parlamentschefs ab, der vorläufig als Staatsoberhaupt fungiert. Er gilt weiterhin auch als Allianzkandidat fürs Präsidentenamt, aber nach wie vor fehlen für dessen Wahl mindestens zwei Stimmen. Die enttäuschten Kommunisten boykottierten schon Lupus Wahl zum Parlamentschef und selbst die Liberaldemokraten rangen sich nicht einmal zum Glückwunsch durch. Die nächste Parlamentsauflösung droht.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Januar 2011


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