Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Moldova geht auf Distanz zu GUAM

Georgien verlangt Solidarität gegen Moskau

Von Irina Wolkowa, Moskau *

An markigen Worten an die Adresse Russlands fehlt es nicht in der Abschlussdeklaration des Gipfels der GUAM-Staaten, der am Mittwoch (2. Juli) in der georgischen Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer zu Ende ging.

1997 bildete Georgien gemeinsam mit der Ukraine, Aserbaidshan und Moldova – aus deren Anfangsbuchstaben besteht das Kürzel GUAM – das lockere Bündnis, das jedoch nicht recht auf die Füße kam. Im Mai 2005 aber verständigten sich die GUAM-Staaten und osteuropäische Neumitglieder von NATO und EU auf einen Neubeginn als »Organisation für Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung«. USA-Präsident George W. Bush beehrte das damalige Treffen in Vilnius (Litauen) mit seiner Anwesenheit und vertiefte dadurch nicht nur die Kluft zwischen dem »alten« und dem »neuen« Europa, sondern trieb auch einen Keil in die UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS. Während die GUAM-Staaten das prowestliche Lager bilden sollten, wurden Belarus, Armenien und die zentralasiatischen Staaten dem prorussischen Block zugeteilt.

Am jüngsten Gipfel in Batumi nahmen hochrangige Politiker aus 25 Staaten teil. Das US-Außenministerium war durch Beobachter vertreten. Dabei ging es vor allem um »alternative Infrastrukturprojekte«. Gemeint sind Transportwege für den Öl- und Gasexport aus der Kaspi-Region nach Westen – unter Umgehung Russlands.

Auf der Tagesordnung stand auch das Programm, das Georgien während seines einjährigen GUAM-Vorsitzes abarbeiten will. Vorrang sollen Sicherheitspolitik und die eingefrorenen Konflikte auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR haben: Südossetien, Abchasien, die Moldauische Dnjestr-Republik und Berg-Karabach. In allen vier Regionen regieren abtrünnige Kräfte. Die Zentralregierungen Georgiens, Moldovas und Aserbaidshans haben dort seit dem Ende der Sowjetunion nichts mehr zu melden.

Zwar hatte sich der GUAM-Gipfel als Leitmotiv die »Einigung des europäischen Ostens« verordnet. Die indes richtet sich vor allem gegen Russland, das sich gegen den Versuch seiner Umkreisung durch NATO-Staaten zur Wehr setzt. Daraus resultierende Spannungen brachten Moskau und Tbilissi in den letzten Wochen an den Rand militärischer Auseinandersetzungen. Georgien wollte sich daher auf dem Gipfel der Solidarität der andern GUAM-Staaten zu versichern. Das gelang aber nur in Teilen.

Moldovas Präsident Wladimir Woronin reiste gar nicht erst nach Batumi, sondern ging öffentlich auf Distanz zu antirussischen Bündnissen und Energieprojekten. Er verspricht sich davon die Öffnung der russischen Märkte für Wein und Agrarprodukte, eine stabile Gasversorgung und Moskauer Unterstützung bei der Lösung des Konflikts um die Dnjestr-Republik. In georgischen Medien wurde Woronin daraufhin prompt »kindlich-naiv« genannt.

Als schwankender Partner gilt auch Aserbaidshan, dessen Außenpolitik auf gleiche Nähe zu Moskau und Washington setzt. Die USA-Botschafterin in Baku, Anne Derse, erregte jüngst Aufsehen durch ihre Ankündigung, demnächst werde man mit Aserbaidshan auch einen NATO-Beitritt erörtern.

Damit schockierte sie offenbar selbst die Aserbaidshaner. Deren NATO-Botschafter Kjamil Chassijew wusste nur zu antworten: »Wir entscheiden selbstständig, welcher Allianz wir beitreten und welcher nicht – und zwar unter Berücksichtigung unserer Interessen.« Und zu diesen Interessen gehört die Lösung des Karabach-Konflikts, in dem Russland bisher auf Seiten Armeniens verortet wird. Bewegung erhofft sich Baku im Gefolge des Besuchs von Dmitri Medwedjew am heutigen Donnerstag.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Juli 2008


Moldawien schert aus

Treffen der GUAM-Gruppe: Georgien, Aserbaidschan und Ukraine auf dem Weg in die NATO. Republik Moldau prüft Annäherung an Moskau

Von Tomasz Konicz **


Am Dienstag (1. Juli) kamen in der georgischen Hafenstadt Batumi die Präsidenten und Spitzenpolitiker der prowestlichen GUAM-Gruppe zusammen. Auf dem Gipfel wurde vor allem der Aufbau einer umfassenden Kooperation besprochen. Bislang galt die Sicherheitsallianz der Länder Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien als eher lockeres Bündnis. Die Delegationen diskutierten erstmals auch ökonomische Fragen, wie den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die energiepolitische Zusammenarbeit.

So kündigte beispielsweise der aserbaidschanische Staatschef Ilcham Alijew an, die Gasexporte Aserbaidschans nach Georgien zu intensivieren und somit die Abhängigkeit der mit Moskau zerstrittenen südkaukasischen Republik von russischen Erdgas zu mindern. GUAM habe ein »großes ökonomisches Potential«, betonte der aserbaidschanische Wirtschaftsminister Natig Alijew nach Gesprächen mit seiner georgischen Amtskollegin Ekaterina Scharaschidse, bei denen eine bessere Nutzung und Koordination der Transportkapazitäten beider Länder erörtert wurde. Zudem einigten sich die GUAM-Staaten auf einen Zusammenarbeit ihrer Grenzpolizeieinheiten ab 2009.

Das diesjährige Treffen der west­orientierten Allianz stand unter dem Motto »GUAM einigt den Osten Europas«, und deren Generalsekretär Waleri Tschetschelaschwili machte auch klar, welches »Europa« hier gemeint sei: Man suche die Nähe der Europäischen Union, erklärte Tschetschelaschwili gegenüber der Presse.

Überschattet wurde der Gipfel von moldauischen Absetzbewegungen. So sagte die Ministerpräsidentin der Republik Moldau, Zinaida Greceanii, ihre Teilnahme kurzfristig ab und ließ sich durch ihren Innenminister vertreten. In einem Interview mit der russischen Tageszeitung Kommersant deutete der moldauische Präsident Wladimir Woronin sogar eine prinzipielle, geopolitische Umorientierung Moldawiens in Richtung Moskau an. Man sei enttäuscht darüber, daß eine vom ukrainischen Odessa bis ins polnische Gdansk geplante Ölpipeline nicht über moldauisches Territorium verlaufen soll, klagte der moldauische Staatschef. »Darüber hinaus ereigneten sich im letzten Jahr sehr merkwürdige Dinge. Gespräche über die Errichtung eigener Friedenstruppen wurden eingeleitet«, warnte Woronin. »Wir haben aber bereits international anerkannte russische Friedenstruppen, wozu brauchen wir noch mehr?« fragte der moldauische Präsident in Bezug auf die russischen Militärkontingente in den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien, die sich nach blutigen Bürgerkriegen in den 1990er Jahren von Georgien abspalteten.

Diese neue moldauische Distanz könnte aber auch mit einer zunehmenden Ankopplung der GUAM-Saaten an die Nato in Zusammenhang stehen. Wie die russische Nesawissimaja Gaseta kurz vor dem Gipfel in Batumi meldete, soll bereits im Juli bei geheimen Sicherheitsberatungen ein »Nato-Beitritt Aserbaidschans zur Sprache kommen.« Damit wäre Aserbaidschan neben der Ukraine und Georgien das dritte Mitgliedsland der GUAM-Gruppe, »dessen Aufnahme in die Nato westliche Vertreter offen fordern«, kommentierte die russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti.

** Aus: junge Welt, 2. Juli 2008


Zurück zur Moldawien-Seite

Zur Russland-Seite

Zurück zur Homepage