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"Ja zum Widerstand"

Indigener Kongress und Zapatisten einen sich im Kampf gegen Landraub und Repression

Von Luz Kerkeling *

Land und Freiheit stehen in Mexiko durch die Energiereform der Regierung mehr denn je auf dem Spiel. Ein großer indigener Kongress rund um die Zapatisten sinnierte über Möglichkeiten des Widerstands.

Es war ein echter Tagungsmarathon in der tropischen Hitze der Gemeinde La Realidad im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas: Ab dem 4. August diskutierten über 300 Delegierte des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) und 1300 Angehörige der Unterstützungsgemeinden der linksgerichteten Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) eine Woche über ihre Situation, ihre Erfahrungen und ihre Pläne in ihrem Kampf für »Land und Freiheit«.

EZLN-Comandante Tacho brachte in seiner Begrüßungsansprache das Ziel des Treffens auf den Punkt: »Wir sind gekommen, um unser Leid und unsere Schmerzen zu teilen, die uns von diesem neoliberalen System angetan werden. Aber nicht nur das. Wir sind ebenfalls gekommen, um uns über unsere wertvollen Kenntnisse, unsere Kampferfahrungen, unsere Organisationsweisen und unsere Herausforderungen auszutauschen.«

312 Vertreterinnen und Vertreter von 28 der insgesamt 62 indigenen Bevölkerungsgruppen des Landes folgten dem Aufruf des CNI und reisten an, darunter Angehörige der Wixárika aus dem Bundesstaat San Luis Potosí, Nahuas aus Morelos bei Mexiko-Stadt, Purepechas aus Michoacán oder Tzeltales aus Chiapas.

Der CNI ist ein autonomes Netzwerk von indigenen Organisationen und Bevölkerungsgruppen, das 1996 auf Vorschlag der EZLN gegründet wurde. Dieses Netzwerk verfügt bewusst nicht über eine hierarchische Organisationsstruktur, um die kämpferischen indigenen Gemeinden vor Korruption und Repression zu schützen – Machtmechanismen, die von den politischen Parteien, allen voran von der Institutionellen Revolutionären Partei PRI, nahezu »meisterhaft« beherrscht werden, um dissidente soziale Bewegungen zu schwächen und bestenfalls zu zerschlagen.

Der CNI ist der einzige wirklich regierungsunabhängige indigene Zusammenschluss Mexikos. Er hat Höhen und Tiefen durchlebt und phasenweise immer wieder pausiert, doch angesichts der tiefen politischen Krise des Landes wurden im August 2013 und aktuell zwei Versammlungen von bundesweiter Bedeutung realisiert.

In ihren detaillierten Erklärungen mit zahlreichen Fallbeispielen prangerten die Delegierten Rassismus, Repression und Plünderung in ihren Gebieten an: »Der Krieg gegen unsere indigenen Bevölkerungsgruppen dauert bereits mehr als 520 Jahre an. In diesem neuen neoliberalen Eroberungskrieg ist der Tod unserer Gesellschaften die Lebensbedingung für dieses System. In den vergangenen Jahrzehnten sind Abertausende von uns gefoltert, getötet, verschleppt oder eingesperrt worden, weil wir unsere Territorien, unsere Familien, unsere Gemeinden, unsere Kultur und unser Leben verteidigen.«

Die kürzlich beschlossene Energiereform unter Präsident Enrique Peña Nieto von der PRI öffnet den staatlichen Ölkonzern PEMEX, der rund ein Drittel der Staatseinnahmen erwirtschaftet, nach 76 Jahren dem Privatkapital. Dies impliziert nicht nur gravierende Einnahmenverluste für den Staat, sondern auch eine massive Bedrohung der indigenen Territorien durch Großprojekte wie Staudämme, Ölförderung oder Windparks. So beklagten Delegierte der Binnizá (auch Zapotecos) bitter die Gewalt und die Spaltung der Dörfer in der Landenge von Tehuantepec in Oaxaca, wo transnationale Unternehmen wie Endesa, Iberdrola, Gamesa oder Union Fenosa für den Ausbau vermeintlich »nachhaltiger« Energieprojekte mit 1600 Windrädern auf engstem Raum verantwortlich sind.

Die Energiereform bildet so einen diametralen Gegensatz zu den Abkommen von San Andrés über indigene Selbstbestimmungsrechte, die die EZLN und die Regierung 1996 unterschrieben hatten, sowie zu der von Mexiko unterzeichneten ILO-Konvention 169, die die Vertragsstaaten verpflichtet, indigene Gemeinden über jedwede Eingriffe in ihre Territorien zu konsultieren.

CNI und EZLN setzen weiterhin auf einen klaren außerparlamentarischen Kurs und ihre De-Facto-Autonomie: »Heute sagen wir den Mächtigen, den Unternehmen und den schlechten Regierungen, die vom kriminellen Chef der Paramilitärs, Enrique Peña Nieto angeführt werden, dass wir uns nicht ergeben, dass wir uns nicht verkaufen und dass wir nicht aufgeben.« Subcomandante Moisés, seit 2013 Sprecher und Militärchef der EZLN, fasste die Erklärungen des Treffens so zusammen: »Nein zu den Privatisierungen, Vertreibungen und Morden! Ja zum Widerstand!»

Die Delegierten von CNI und EZLN wollen nun kontinuierliche Kommunikations- und Organisationsprozesse unter der indigenen Bevölkerung und weiteren gesellschaftlichen Sektoren stärken und laden dafür zu einem »Weltweiten Festival der Widerstände und Rebellionen gegen den Kapitalismus« ein, welches den Untertitel trägt: »Wo die von Oben zerstören, bauen wir von Unten auf«. Dieses Treffen soll ab dem 21. Dezember 2014 bis zum 3. Januar 2015 in den Bundesstaaten Mexiko, Morelos, Mexiko-Stadt, Yucatán, Oaxaca und Chiapas durchgeführt werden.

Aus der Perspektive der sozialen Bewegungen ist Mexiko an einem Tiefpunkt angelangt, was politische Partizipationsmöglichkeiten, soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der der Natur in dem ressourcen- und artenreichen Land angeht. Korruption und Gewalt sind omnipräsent. Das jetzige Treffen von CNI und EZLN bezeichnete EZLN-Comandante David bei der Verabschiedung daher als »eine historische Zusammenkunft«, die durch die angekündigten Widerstandsprozesse einen Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung darstelle. Das Festival zur Jahreswende wird daran anknüpfen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 19. August 2014


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