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Sternmarsch für Studenten

Mexiko: Massendemonstrationen für Aufklärung des Falls der 43 »Verschwundenen«. Weltweiter Aktionstag

Von Lena Kreymann *

Am Donnerstag (Ortszeit) sind in Mexiko erneut Tausende auf die Straße gegangen. Am 104. Jahrestag der mexikanischen Revolution bekundeten sie ihre Solidarität mit den 43 »verschwundenen« Lehramtsstudenten sowie deren Angehörigen und protestierten gegen die Verstrickung von Politik, organisierter Kriminalität und Polizei. Seit Wochen kommt es immer wieder zu Demonstrationen.

Von drei symbolträchtigen Orten in Mexiko-Stadt marschierten die Demonstranten am Donnerstag abend auf den zentralen Platz Zócalo. Gewerkschaften, Bauernorganisationen und soziale Bewegungen beteiligten sich an den Protestzügen, die von Angehörigen der verschleppten Studenten aus dem Bundesstaat Guerrero angeführt wurden. Tagelang waren sie durch das Land gezogen, um Aufmerksamkeit auf den noch immer ungelösten Fall zu lenken.

Am Ende des Sternmarschs versuchten einige Protestierer, die Absperrungen um den Nationalpalast niederzureißen, und schleuderten Brandsätze und Feuerwerkskörper auf das Gebäude. Sie skandierten dabei »Mörder, Mörder«. Andere steckten eine Puppe von Präsident Enrique Peña Nieto in Brand. Die Polizei feuerte Tränengas in die Menge und räumte den Platz. Nach Angaben der Behörden wurden in Mexiko-Stadt 31 Menschen festgenommen.

Ende September waren in der Stadt Iguala 43 Studenten des linksgerichteten Lehrerseminars Ayotzinapa von der Polizei verschleppt worden. Der offiziellen Version der Ereignisse zufolge wurden sie der kriminellen Organisation »Guerreros Unidos« übergeben, Bandenmitglieder gestanden mittlerweile den Mord an den jungen Leuten. Die Familien und Kommilitonen der Opfer bezweifeln allerdings die bisherigen Ermittlungsergebnisse. Bei der Demonstration in der Hauptstadt forderten zahlreiche Menschen eine vollständige Aufklärung der Tat. »Lebend habt ihr sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück«, riefen die Protestierenden.

Auch in den Bundesstaaten Guerrero, Morelos, Puebla, Guanajuato und Tamaulipas gingen Menschen auf die Straße, in der Stadt Hecelchakán in Campeche zündeten Lehramtsstudenten den Regierungspalast des Bundesstaats an. Auf Transparenten war zu lesen: »Es sind nicht 43, es sind Tausende«. In Mexiko gelten derzeit offiziell mehr als 20.000 Menschen als vermisst. In Anspielung auf die Feierlichkeiten zum Jahrestag der mexikanischen Revolution trugen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift: »20. November - nichts zu feiern«. An der Universität UNAM in Mexiko-Stadt und an weiteren Hochschulen des Landes kam es zu Studentenstreiks.

Von staatlicher Seite wird unterdessen versucht, die Proteste zu kriminalisieren. Präsident Peña Nieto löste landesweite Empörung aus, als er am Mittwoch die Demonstrationen als »Destabilisierungsversuche« abkanzelte.

Auch in vielen anderen Ländern kam es zu Protestaktionen, nachdem für den 20. November ein weltweiter Aktionstag für die 43 »Verschwundenen« ausgerufen worden war. Wie die mexikanische Zeitung El Universal berichtete, fanden in mindestens 60 Städten in 33 Staaten Demonstrationen, Kundgebungen oder Flashmobs statt.

* Aus: junge Welt, Samstag, 22. November 2014


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