Zapatisten melden sich zurück
Auch 19 Jahre nach dem bewaffneten Aufstand muss Mexikos Regierung mit der totgesagten EZLN rechnen
Von Thomas Zapf, San Cristóbal de Las Casas *
Kurz vor dem 19. Jahrestag des bewaffneten Aufstands der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) im südmexikanischen Chiapas am Neujahrstag 1994 hat sich die rebellische Bewegung mit einem Kommuniqué zurückgemeldet.
In der Mitteilung vom 30. Dezember 2012, die Subcomandante Insurgente Marcos im Namen des Geheimen Revolutionären Indigenen Komitees der EZLN unterzeichnet hat, bekräftigt die Bewegung ihre Distanz zu den politischen Institutionen und Parteien Mexikos. Zu anderen sozialen Bewegungen des Landes wolle man jedoch Kontakt aufnehmen. Für die nächsten Tage sind zivile Initiativen angekündigt. In dem Kommuniqué bestätigen die Zapatisten ihre Zugehörigkeit zum Nationalen Indigenen Kongress (CNI), dem seit 1996 verschiedene indigene Organisationen Mexikos angehören. Die EZLN will sich überdies wieder mit den Anhängern der »Anderen Kampagne« verbinden, einer antikapitalistischen Initiative zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Mexiko, die 2005/2006 entstanden war.
Erst am 21. Dezember 2012 hatten sich die Zapatisten der Öffentlichkeit in Erinnerung gebracht. Die bereits totgesagte Bewegung hatte fünf Kreisstädte in Chiapas mit Schweigemärschen »eingenommen«. Laut Medienberichten nahmen daran um die 40 000 Zapatisten teil. Es handelte sich um den größten EZLN-Aufmarsch seit dem Aufstand im Januar 1994, diesmal jedoch ohne Waffen, nur mit den »pasamontañas« genannten Skimasken.
Sowohl die mexikanische Bundesregierung als auch die chiapanekische Provinzregierung reagierten auf den Marsch. Innenminister Miguel Osorio Chong bat die Zapatisten am 24. Dezember um Geduld: »Präsident Peña Nieto kennt die Probleme der indigenen Bevölkerung und fühlt sich ihnen verpflichtet.« Der Gouverneur von Chiapas, Manuel Velasco Coello, ließ mitteilen, er habe die Polizei kaserniert, um einen reibungslosen Ablauf des Marsches zu ermöglichen. Später forderte er Bundesregierung und Parlament dazu auf, sich der Forderungen der rebellischen Bewegung anzunehmen, »realistische Vorschläge« zur Lösung des Konflikts zu machen und ihnen Taten folgen zu lassen.
Auch die Gemeinsame Kommission von Senat und Abgeordnetenhaus meldete sich zu Wort. Mitglieder des Gremiums erklärten, es sei notwendig, den Dialog mit den Zapatisten zu suchen und die Abkommen von San Andrés umzusetzen. Die 1996 zwischen der EZLN und der Regierung geschlossene Vereinbarung sieht die Anerkennung der Rechte und der Kultur der indigenen Bevölkerung Mexikos in der Verfassung vor. Sie wurde jedoch von der Regierung nicht wie vereinbart umgesetzt. Die Zapatisten begannen nach der verwässerten Verfassungsreform von 2001, die sie als »Verrat« bezeichneten, mit dem Aufbau eigener Autonomiestrukturen in Form von fünf Regionalregierungen.
Die Aktionen der EZLN machen deutlich, dass die Bewegung auch 19 Jahre nach dem Aufstand noch eine beeindruckende Mobilisierungsfähigkeit hat. 2012 veröffentlichten die fünf zapatistischen »Räte der Guten Regierung« so viele Beschwerden wie seit Jahren nicht mehr. In den meisten Konflikten ging es um Boden, das wichtigste Gut der zum Großteil in Subsistenzwirtschaft lebenden kleinbäuerlichen indigenen Bevölkerung von Chiapas. Für Beunruhigung bei Menschenrechtsorganisationen sorgten die zunehmende Gewalt in diesen Konflikten und die Tatsache, dass die chiapanekische Regierung entweder tatenlos zusah oder die Aggressoren schützte, wie im Fall der Neuen Siedlung »Comandante Abel« im Norden von Chiapas.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 02. Januar 2013
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