Rückkehr der Dinos
Mexiko: Rückschlag für Regierungspartei und Debakel der Linken bei Parlamentswahlen
Von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt *
Die mexikanischen Parlamentszwischenwahlen vom Sonntag haben ein
Comeback der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) gebracht.
Politische Beobachter sprechen in Anspielung auf die 71jährige
Herrschaft der Partei von 1929 bis 2000 bereits von der »Rückkehr der
Dinosaurier«. Einige Prognosen in der späten Nacht zum Montag sahen die
PRI bei 35 bis 40 Prozent der Wählerstimmen sogar nur knapp von der
absoluten Mehrheit von 251 der 500 Parlamentssitze entfernt. Mit den
mexikanischen Grünen, ihrem opportunistischen Bündnispartner der
vergangenen Jahre, könnte es sogar zu dieser absoluten Mehrheit reichen.
Die PRI konnte ihre Mandate gegenüber den allgemeinen Wahlen von 2006
verdoppeln und wird in der neuen dreijährigen Legislaturperiode die mit
Abstand stärkste Fraktion. Die Partei der Nationalen Aktion (PAN) des
bis 2012 amtierenden mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón erlitt
landesweit starke Einbrüche und kommt nur noch auf gut 25 Prozent. Sie
verlor bei gleichzeitig stattfindenden Regionalwahlen zudem zwei
wichtige Gouverneursämter und Städte in früheren Hochburgen an die PRI.
Die in sich völlig zerstrittene links-moderate Partei der Demokratischen
Revolution (PRD) erlitt das prognostizierte Debakel. 2006 mit 30 Prozent
noch zweitstärkste Fraktion und damals möglicherweise nur durch
Manipulationen um den Sieg ihres Präsidentschaftskandidaten Andrés
Manuel López Obrador (kurz AMLO) gebracht, stürzte sie auf etwa 13
Prozent der Stimmen ab. Nur in der von ihr regierten Metropole
Mexiko-Stadt kam die PRD mit einem blauen Auge davon und konnte trotz
erheblicher Verluste die meisten ihrer Positionen mehr oder weniger
knapp verteidigen. Allerdings sieht sie sich der Situation gegenüber,
nun fast auf eine Hauptstadtpartei reduziert zu sein. In mehreren
Bundesstaaten wurde die PRD sogar von den Grünen überholt, deren
Wahlkampf sich praktisch auf die Forderung nach der Todesstrafe für
Mörder und Entführer reduziert hatte.
In den kommenden Tagen, spätestens aber Wochen dürfte es als
Nachwahlfolge zum Austritt oder Ausschluß von López Obrador aus der PRD
kommen. Die Differenzen zwischen dem ehemaligen
Präsidentschaftskandidaten und der rechten Parteiströmung um den
PRD-Vorsitzenden Jesús Ortega waren zuletzt immer größer geworden. López
Obrador hatte vor allem Wahlkampf für die kleine Partei der Arbeit (PT)
gemacht, mit der er der PRD am Sonntag sogar einen wichtigen Stadtbezirk
bei den Kommunalwahlen sowie zwei Abgeordnetenmandate für das
Bundesparlament abnahm. Die PT übersprang mit Hilfe Obradors landesweit
relativ deutlich (vier Prozent) die Zweiprozenthürde und sicherte sich
somit weitere Parlamentspräsenz und das Überleben als Partei. Sie könnte
zusammen mit der noch kleineren Partei Convergencia die Plattform für
die zukünftigen politischen Ambitionen von AMLO sein. In welcher Form
die PRD das zu erwartende Hauen und Stechen sowie mögliche massive
Austritte überstehen wird, bleibt abzuwarten.
Der Wahlsieg der PRI hat zahlreiche Faktoren. Niemand konnte offenbar
die eigene Anhängerschaft auch nur annähernd so mobilisieren wie sie.
Damit wurde die Partei weder von der mit knapp 60 Prozent geringer als
erwartet ausgefallenen Wahlenthaltung noch von der Kampagne für eine
bewußt ungültige Stimmabgabe entscheidend getroffen. Die ungültigen
Stimmen verdoppelten sich dieses Mal landesweit gegenüber den
Durchschnittswerten von sonst drei Prozent – in Mexiko-Stadt wählten
sogar mehr als zehn Prozent der Urnengänger diese Protestform gegen das
Parteienestablishment.
In einer schwierigen Lage befindet sich der konservative Präsident
Calderón. Nachdem er und seine Partei in den vergangenen Monaten auf
Konfrontationskurs zur PRI gegangen waren, müssen sie nun kleinere
Brötchen backen. Ohne die PRI wird die Regierung kein einziges
Gesetzesvorhaben durchbringen können. In einer landesweit in Fernsehen
und Radio übertragenen Ansprache rief der Präsident daher bereits zur
»Zusammenarbeit« und »Suche nach Übereinstimmungen« auf.
* Aus: junge Welt, 7. Juli 2009
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