Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Von der KP zum Gouverneur

Alejandro Encinas Rodríguez will mit einem Linksbündnis den Bundesstaat Mexiko erobern

Von Andreas Knobloch, Mexiko-Stadt *

Alejandro Encinas Rodríguez hat am vergangenen Freitag (29. April) beim Wahlinstitut des Bundesstaates Mexiko offiziell sein Programm für die Wahlen zur Regionalregierung eingereicht und damit seine Kandidatur offiziell besiegelt. Das von ihm geführte Bündnis »Gemeinsam können wir mehr« (Unidos podemos más) wird neben seiner eigenen Partei, der sozialdemokratisch orientierten Partei der Demokratischen Revolution (PRD), auch von der Partei der Arbeit (PT) und der linken Convergencia unterstützt. Mit der Kandidatur von Encinas beendet die PRD auf der regionalen Ebene eine parteiinterne Debatte, nachdem einflußreiche Strömungen ein Wahlbündnis mit der rechten Partei der Nationalen Aktion (PAN) von Staatspräsident Felipe Calderón favorisiert hatten. Encinas hatte eine solche Allianz von Anfang an abgelehnt und bekräftigt, nur als Kandidat eines Linksbündnisses anzutreten.

Der großgewachsene, kräftige Politiker vereint viele der Widersprüche der PRD in sich. Er gilt als Vermittler mit radikal linken Positionen; als »Kommunist«, der das Verhältnis seiner Partei mit Unternehmern wie Carlos Slim, einem der reichsten Männer der Welt, entspannt hat; er ist ein Politiker, der in der Hauptstadt wohnt und sich nun anschickt Karriere im Bundesstaat Estado de México zu machen; war Sportler in seiner Jugend und wiegt heute 108 Kilogramm.

Während seines Wirtschaftsstudiums an der Escuela Nacional de Economía, der heutigen Wirtschaftsfakultät der UNAM, arbeitete er bei der Zeitschrift Estrategia mit, die von den Marxisten Fernando Carmona, Alonso Aguilar und Jorge Carrión geleitet wurde. Das war der Beginn seiner politischen Karriere. Später schloß er sich der Gewerkschaft an und trat 1978 der damaligen Kommunistischen Partei Mexikos (PCM) bei, die gerade erst wieder zugelassen worden war und der auch schon sein Vater angehört hatte.

Der heute 56jährige hat das gesamte linke Spektrum durchlaufen. Nach seiner Mitgliedschaft in der PCM wurde er später Mitbegründer der Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUM), der Sozialistischen Partei (PMS) und der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), dem Zusammenschluß der mexikanischen Linken. In der PRD, wo Strömungen die Posten unter sich aufteilen und quasi Parteien in der Partei bilden, hat Encinas immer Wert auf seine Unabhängigkeit gelegt.

1993 trat er für die PRD schon einmal als Kandidat bei der Gouverneurswahl im Estado de México an; in der Regierung der Hauptstadt Mexiko-Stadt (D. F.) begann er als Umweltminister. Nach der Wahlniederlage 2000 ernannte ihn der damalige Regierungs­chef des Hauptstadtbezirks, Andrés Manuel López Obrador, zum Minister (Senator) für wirtschaftliche Entwicklung. Nachdem López Obrador sein Amt 2006 aufgab, um bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten, wurde Encinas zum Interimsgouverneur des Distrito Federal

Encinas bezeichnet sich heute selbst als »demokratischer Linker« und dem demokratischen Sozialismus verbunden. Tabaré Ramón Vázquez in Uruguay und Luiz Inácio »Lula« da Silva in Brasilien kämen seinen Vorstellungen von Politik wohl am nächsten.

* Aus: junge Welt, 3. Mai 2011


Zurück zur Mexiko-Seite

Zurück zur Homepage