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Trauriger Rekord

Journalisten leben in Mexiko inzwischen gefährdeter als in jedem anderen lateinamerikanischen Land

Von Gerold Schmidt (npl), Mexiko-Stadt *

Vom Handelsvolumen bis zur Anzahl der Freihandelsverträge – die mexikanische Regierung hat in den vergangenen Jahren stets stolz auf ihre führende Rolle in der lateinamerikanischen Wirtschaftspolitik verwiesen. Ein anderer Rekord wird jedoch verschwiegen: Nach Angaben der »Lateinamerikanischen Journalistengewerkschaft« (Felap) reichte bei der Zahl ermordeter Journalisten – wie schon in 2005 – auch im vergangenen Jahr kein anderes Land südlich der USA an Mexiko heran. Zehn ermordete Kollegen zählte die Felap allein 2006, doppelt so viel wie im zweitplazierten Kolumbien, einem Bürgerkriegsland. Allein in den Monaten Oktober, November und Dezember starben fünf Journalisten in Mexiko einen gewaltsamen Tod. Vier weitere gelten als vermißt.

Straflosigkeit kritisiert

In den meisten Fällen werden die Morde mit zuviel Recherchen der Journalisten über Drogenhandel und andere Formen des organisierten Verbrechens in Verbindung gebracht. Kaum ein Mord wird von den staatlichen Ermittlungsbehörden aufgeklärt. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in den Verstrickung der staatlichen Behörden in den kriminellen Strukturen. Für die Ermordung des US-Kameramanns Bradley Will vom alternativen Nachrichtenporal Indymedia Ende Oktober 2006 im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca werden Mitglieder der dort regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) verantwortlich gemacht. Doch selbst die von Will noch auf Film festgehaltenen mutmaßlichen Mörder kamen nach kurzer Zeit »mangels Beweisen« frei. Will hatte den Aufstand der Bevölkerung gegen den korrupten Gouverneur Ulises Ruiz gefilmt.

Im vergangenen August beklagte eine Arbeitsgruppe weitere repressive Instrumente gegen Pressevertreter: Die Parlamentarier stellten fest, daß im Strafrecht zahlreicher mexikanischer Bundesstaaten das Delikt der »Diffamierung« vor allem dazu dient, Journalisten einzuschüchtern. In ihrem fast 200seitigen Bericht befaßte sich die Arbeitsgruppe auch mit den Journalistenmorden. Von ihnen ging, so die Abgeordneten, eine einfache Botschaft aus: »Schweig oder stirb«.

Bilanz der Regierung Fox

Das »Mexikanische Netzwerk zum Schutz von Journalisten und Medien« bilanzierte im Dezember die sechsjährige Regierungszeit des damals gerade aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Vicente Fox von der Partei der Nationalen Aktion (PAN). In seiner Amtszeit seien 500 Attacken auf Kollegen und Medien verzeichnet worden, 27 Morde, über 30 Verhaftungen und mehrere Dutzend Fälle, in denen Journalisten wegen unbequemer Berichterstattung zum Rapport vorgeladen wurden. »Die Regierung war unfähig, die notwendigen Garantien für die Meinungsfreiheit zu geben«, heißt es in der Erklärung des Netzwerkes.

Kleiner Lichtblick: Am 2. Januar endete nach zwölf Monaten ein Gerichtsverfahren gegen die mexikanische Journalistin Lydia Cacho mit einer Einstellung. Cacho hatte in zahlreichen Veröffentlichungen die Praktiken von Kinderhandel und Kinderpornographie in Mexiko beschrieben. Weil sie die Namen mehrerer mutmaßlich involvierter Unternehmer und Politiker nannte, bekam Cacho anonyme Drohungen. Wegen »Diffamierung« war sie sogar verhaftet worden. Das Gericht hat den Rechtsstaat nun wieder hergestellt, zumindest ein stückweit.

* Aus: junge Welt, 9. Januar 2007


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