Mexikos Wahlverlierer geht in die Offensive
López Obrador kündigt Parteigründung an
Von Harald Neuber *
Erstmals seit den 80er Jahren erlebt
Mexiko größere Veränderungen in der
Parteienlandschaft. Zwei Monate nach
den Präsidentschaftswahlen, aus denen
der Konservative Enrique Peña
Nieto offiziell als Sieger hervorgegangen
ist, hat sein Herausforderer
Andrés Manuel López Obrador die
anstehende Gründung einer neuen
Linkspartei bekanntgegeben.
Er will kein zerbrochenes Porzellan
hinterlassen: Andrés Manuel
López Obrador (Foto: AFP). Der
zweimalige Präsidentschaftskandidat
des Linksbündnisses Movimiento
Progresista (PRD) verlässt
die Partei »im Guten«. Er wolle
Gespräche aufnehmen
und aus der lockeren Bewegung
für Nationale
Erneuerung (Morena) eine
neue Partei gründen.
Die Morena war erst im
vergangenen Jahr als
Kampagnenorganisation
für den damaligen Präsidentschaftskandidaten
López Obrador gegründet
worden und soll, so berichtete der
lateinamerikanische Fernsehsender
Telesur, fünf Millionen Mitglieder
haben.
Unter Mexikos Linken hat die
Ankündigung Obradors am vergangenen
Wochenende ein mittelschweres
Erdbeben ausgelöst. López
Obrador war immerhin 23
Jahre in der sozialdemokratisch
orientierten PRD aktiv. Nun kehrt
er ihr und der Progressiven Bewegung
den Rücken. Der Dreierallianz
gehören neben der PRD die
Arbeitspartei (PT) und die Bürgerbewegung
(MC) an. Dies sei jedoch
kein Bruch mit der PRD, sondern
ein Aufbruch zu neuem Engagement,
so López Obrador.
Auch führende Vertreter der
PRD, der größten Oppositionspartei
des Landes, waren bemüht, den
Eindruck einer Spaltung zu vermeiden.
Der Schritt sei »keine
Überraschung« gewesen, sagte der
langjährige PRD-Vorsitzende Cuauhtémoc
Cárdenas, der López
Obrador »viel Erfolg« wünschte.
PRD-Funktionär Jesús Zembrano
betonte, man habe sich »im Frieden
getrennt«. Niemand solle einen
Konflikt herreden, wo keiner
existiert.
In der Rede am Sonntag erinnerte
López Obrador an die wichtigsten
Stationen seines Engagements
in der PRD und dankte der
Partei sowie ihren Mitgliedern. Die
linksliberale, PRD-nahe Tageszeitung
»La Jornada« verwies jedoch
darauf, dass bei der Massenveranstaltung
am Sonntag keine Mitglieder
der PRD-Führung anwesend
waren. Lediglich Arturo Núñez,
der neue PRD-Gouverneur des
Bundesstaates Tabasco, begleitete
López Obrador auf dem
Podium. Zu vermuten ist
deswegen, dass es zwischen
López Obrador und
der PRD-Führung durchaus
Differenzen in der
strategischen Ausrichtung
gegeben hat.
Während sich zwischen
PRD und etablierten
Rechtsparteien in den
vergangenen Jahren zunehmend
Kontakte entwickelt hatten, setzte
López Obrador zuletzt auf außerparlamentarische
Bündnispartner,
darunter die mehrheitlich von
Studierenden getragene Protestbewegung
»Yo soy 132«. Es komme
ihm darauf an, in kontinuierlicher
Kleinarbeit die Mentalität
seiner Landsleute zu verändern,
sagte López Obrador: »Nur so
können wir Mexiko verändern.«
Die Bewegung Morena ruft nun
zu Aktionen des zivilen Ungehorsams
gegen die Regierung Peña
Nietos auf, die sie nicht anerkennt.
Alle Aktionen sollen jedoch auf
dem Prinzip der Gewaltfreiheit
basieren: »Ich respektiere andere
Sichtweisen. Aber die Gewalt als
politisches Mittel sehe ich nicht als
Alternative an«, so López Obrador.
Bei öffentlichen Veranstaltungen
wollen die Morena-Aktivisten landesweit
mutmaßliche Beweise für
einen Wahlbetrug ausstellen.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 13. September 2012
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