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Zweiter Präsident

Mexiko: Oppositionsführer López Obrador als Staatschef "vereidigt". Festakt kommt Wahlsieger Calderón zuvor

Von Gerold Schmidt (npl), Mexiko-Stadt *

Um 17.10 Uhr war es endlich so weit: »Ich versichere feierlich, loyal und patriotisch das Amt des legitimen Präsidenten Mexikos auszuüben«, erklärte Andrés Manuel López Obrador am Montag (20. Nov.) vor Tausenden Anhängern in Mexiko-Stadt. Es war ein symbolischer Akt, denn laut amtlichem Wahlergebnis und richterlicher Entscheidung war der Linkskandidat seinem konservativen Gegenspieler Felipe Calderón von der Regierungspartei der Nationalen Aktion (PAN) bei den Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli hauchdünn unterlegen. Von der Wahlmanipulationen überzeugt, trat López Obrador dessen ungeachtet am Montag symbolisch das oberste Amt im Staate an. Wie schon bei der Ernennung eines »alternativen Kabinetts« Anfang November kam er Calderón damit damit zuvor. Dessen offizieller Amtsantritt ist am 1. Dezember.

20-Punkte-Programm

Die Einschätzungen über den Akt gehen weit auseinander. Kritiker sprechen von einem lächerlichen Schauspiel. Der Oppositionspolitiker und seine Anhänger dagegen sehen sich in einer gerechtfertigten Kampagne gegen die Herrschaft einer »neofaschistischen Oligarchie«. Klar ist: Nach monatelangen Mobilisierungen von teilweise mehr als einer Million Menschen gegen das verkündete Wahlergebnis und einem herben Rückschlag bei Regionalwahlen im Bundesstaat Tabasco Mitte Oktober versucht López Obrador einen neuen Anlauf. Ein schwach legitimierter Felipe Calderón, der weder im Senat noch im Abgeordnetenhaus über eine eigene Mehrheit verfügt, bilden dafür eine gute Basis.

Mit seinem zwölfköpfigen oppositionellen »Regierungsteam« aus sechs Frauen und sechs Männern will López Obrador die Regierungspolitik unter Calderon kritisch verfolgen. Theoretische Basis dazu bildet ein 20-Punkte-Programm, das allerdings nicht viel Neues oder allzu Konkretes bietet. Im Wesentlichen wird die soziale Verantwortung des Staates betont: Der »Wohlfahrtsstaat für alle« soll Verfassungsrang bekommen.

López Obrador ist sich bewußt, seinem für sechs Jahre gewählten konservativen Widersacher das Präsidentenamt kurzfristig kaum streitig machen zu können. Teil der Strategie bildet eine Rundreise durch die mehr als 2500 mexikanischen Landkreise, auf die der Oppositionführer schon aufgebrochen ist. López Obrador hat damit schon jetzt einen permanenten Wahlkampf begonnen, dessen nächste Etappe das Jahr 2009 ist. Dann finden in Mexiko »Zwischenwahlen« im Parlament statt. Das dort zur zweitstärksten »Breite Fortschrittliche Bündnis« (FAP) aus drei Parteien könnte dann die Unzufriedenheit mit der konservativen Regierung auf parlamentarischer Ebene nutzen.

Brüchiges Bündnis

Doch die demonstrative Geschlossenheit des FAP ist brüchig. Dessen wichtigste Kraft, López Obradors Partei der Demokratischen Revolution, ist alles andere als homogen. Und die kleineren Bündnispartner haben sich in der Vergangenheit oft als Opportunisten entpuppt. Sollte die Massenbasis des Kandidaten schwinden, werden sie ihn fallen lassen. Felipe Calderón versuchte erst vor wenigen Tagen – vorerst vergeblich –, einen Keil in das FAP zu treiben, indem er die »Gemeinsamkeiten« mit ihr pries.

Nun warten alle Beteiligten auf den 1. Dezember. Andrés Manuel López Obrador und seine Anhänger haben angekündigt, den Amtsantritt Calderóns unter allen Umständen stören zu wollen. Dieser wiederum versichert, sich von nichts und niemandem daran hindern zu lassen. Die amtierende konservative Regierung hat bereits Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

* Aus: junge Welt, 22. November 2006

WASG solidarisch mit Obrador

Die WASG bekundete auf ihrem Bundesparteitag am 18./19. November 2006 einstimmig ihre "Solidarität mit dem legitimen Präsidenten Mexikos":

Die WASG spricht dem legitimen und von der Bevölkerung mit großer Mehrheit gewählten Präsidenten Mexikos, Andrés Manuel López Obrador ihre Solidarität aus. Wir unterstützen die FAP (Frente Amplio Progresista) auf ihrem Weg in ein demokratisches und soziales Mexiko.
Nach dem 2. Juli 2006 wurde die Koalition aus PRD, PT, Convergencia und ihr Präsidentschaftskandidat Obrador durch Wahlbetrug der herrschenden Clique um ihren Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gebracht. Wir drücken unsere große Besorgnis über die jüngsten politischen Entwicklungen in Mexiko aus. Die Bevölkerung Mexikos hat das Recht, in freien Wahlen ihre Geschicke selbst zu bestimmen. Ihr dieses Recht zu rauben ist verbrecherisch. (...)
Mit Bestürzung verfolgen wir besonders die Entwicklungen im südlichen Bundesstaat Oaxaca. Wir verurteilen die Angriffe der Militärpolizei auf die in der APPO (Versammlung der Bevölkerung Oaxcas) organisierte Bevölkerung und die Verschleppung von politischen Aktivisten. (...)




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