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Unerwartete Belebung

Mexiko: Vorsprung für PRI-Kandidat Peña Nieto bleibt groß, schrumpft aber

Von Leticia Hillenbrand *

Gut drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Mexiko schrumpft der noch immer deutliche Vorsprung des Favoriten Enrique Peña Nieto von der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI). Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Instituts Consulta Mitofsky zufolge würden derzeit 43,6 Prozent der Wähler für Peña stimmen. Mitte Mai hatten sich noch knapp 40 Prozent für ihn ausgesprochen. Auf dem zweiten Platz liegt nun Andrés Manuel López Obrador von der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), der inzwischen auf 29,2 Prozent kommt, gefolgt von der für die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) antretenden Josefina Vázquez Mota mit 25,3 Prozent.

López Obrador hob bei einer Wahlkampfveranstaltung in Puruándiro im westmexikanischen Michoacán die sich in der Umfrage ausdrückende Tendenz hervor und zeigte sich überzeugt, daß seine Partei tatsächlich bereits in Führung liege. Das zeige sich daran, daß »sie bereits begonnen haben, die Angriffe zu verschärfen.« Mit Blick auf die offensichtlich von Manipulationen überschattete Wahl 2006, bei der Felipe Calderón knapp vor López Obrador zum Sieger erklärt worden war, warnte dieser: »Sie wollen wieder einen schmutzigen Krieg.«

Unterdessen hat die studentische Bewegung »Yo soy #132« (Ich bin die Nummer 132) für eine unerwartete Belebung des Wahlkampfs gesorgt. Der Name bezieht sich auf 131 Studenten, die mit einem im Internet verbreiteten Video auf die Berichterstattung der großen Fernsehkanäle über ihre Proteste gegen einen Besuch von Peña Nieto in der privaten Iberoamerikanische Universität von Mexiko-Stadt protestiert hatten.

Mittlerweile hat sich die Forderung nach einer »Demokratisierung der Medien« als Kernpunkt der neuen Bewegung herauskristallisiert. Die Aktivisten streben einen unparteiischen und unabhängig Status an, verstehen sich aber gerade deshalb auch als Bewegung gegen Peña Nieto. 2006 war dieser Gouverneur des Bundesstaates Estado de México gewesen und damit mitverantwortlich für das Massaker von Atenco. Damals waren offiziellen Angaben zufolge zwei Menschen getötet und 207 Personen verhaftet und teilweise zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, als die Polizei gewaltsam gegen eine örtliche Protestbewegung vorging.

Zudem fordern die Aktivisten, die für den 10. Juni vorgesehene zweite Debatte der vier wichtigsten Präsidentschaftskandidaten in allen privaten und öffentlichen Fernsehkanälen des Landes zu übertragen, nachdem eine erste Debatte Konkurrenz durch gleichzeitig ausgestrahlte Fußballspiele bekommen hatte. Die Wahlbehörde IFE hat diese jedoch bereits als rechtswidrig abgelehnt, weshalb nun durch direkte Gespräche mit den Eigentümern der Fernsehkanäle versucht wird, eine konkurrenzfreie Ausstrahlung der Debatte durchzusetzen.

Die Welle der Gewalt hat alle Schichten der mexikanischen Gesellschaft erreicht und macht aus Mexiko ein politisch unkontrolliertes und unberechenbares Land. Der vom scheidenden Präsident Felipe Calderón erklärte Krieg gegen die Drogenkriminalität hat bis heute 50000 Tote und 3000 Verschwundene gefordert. Zudem sind die Fälle von 300 ermordeten Frauen in Ciudad Juaréz bis heute nicht aufgeklärt worden.

Die Wirtschaft leidet massiv unter der allgegenwärtigen Korruption und Schutzgelderpressungen durch Militärs, Polizei und Drogenkartelle. Gerade Menschenrechtsorganisationen sind zudem Bedrohungen durch Polizei und Kartelle ausgesetzt. So mußte der katholische Pfarrer Alejandro Solalinde, der als Symbolfigur des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität gilt, ins Exil gehen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 9. Juni 2012


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