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Massaker an Menschenrechtlern

Im Süden Mexikos sterben zwei Angehörige einer humanitären Delegation bei einem Überfall

Von Santiago Baez *

In Oaxaca, einem Bundesstaat im Süden Mexikos, sind am Dienstag bei einem Hinterhalt zwei Mitglieder einer Menschenrechtsdelegation ermordet worden. Die etwa 40 Personen starke Gruppe, zu der Aktivisten der Volksversammlung der Völker von Oaxaca (APPO), der Lehrergewerkschaft und von Menschenrechtsgruppen sowie aus Finnland, Deutschland, Italien und Belgien angereiste Beobachter gehörten, war auf dem Weg in die Ortschaft San Juan Copala. Dieses Dorf in der Heimat der Triqui-Indígenas wird seit Monaten von paramilitärischen Gruppen attackiert, nachdem die wenigen hundert Einwohner begonnen hatten, sich selbstverwaltete Strukturen zu schaffen, um ihre Rechte gegen die Behörden des Bundesstaates und der mexikanischen Zentralregierung besser geltend machen zu können.

»Heute befindet sich San Juan Copala unter Belagerung. Es gibt keinen Strom, das Wasser ist abgestellt worden, seit Januar wird in den Schulen nicht unterrichtet, und es gibt keine Ärzte. Wenn die Frauen die Gemeinde verlassen, um Wasser oder Lebensmittel zu besorgen, werden sie von Paramilitärs bedrängt. Die ständigen Kontrollen durch das Militär und die Belagerung machen das Leben in der Gemeinde unerträglich«, berichtete am Montag die regionale Menschenrechtsorganisation VOCAL und kündigte die Entsendung der Delegation am folgenden Tag an. Diese sollte die Lage erkunden und die »Medienblockade« durchbrechen.

Bereits zu diesem Zeitpunkt drohte die paramilitärische Organisation UBISORT (»Union für sozialen Wohlstand in der Triqui-Region«) damit, der Karawane den Zutritt zu der Ortschaft »um jeden Preis« zu verweigern. Diese Gruppierung wird der die Region regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) zugerechnet und von Menschenrechtsaktivisten auch für die Ermordung von zwei Triqui-Frauen im Jahr 2008 verantwortlich gemacht. Ihr Hauptgegner ist die Indígena-Organisation MULTI, die an der Spitze der Autonomiebewegung in der Region steht. Nach dem Massaker wiesen die Paramilitärs jedoch jede Verantwortung für das Geschehene zurück und machten die Opfer selbst für das Verbrechen verantwortlich. In einer von regionalen Medien veröffentlichten Erklärung heißt es: »In San Juan Copala haben die Lehrer Waffen, die Kinder haben keinen Unterricht, Frauen und Kinder leiden Hunger und leben unter den Drohungen der MULTI-Führer, denen es nicht in den Kram paßte, daß die Karawane San Juan Copala erreichen sollte.«

Ein Überlebender des Massakers, das VOCAL-Mitglied Rubén Valencia, berichtete gegenüber mexikanischen Medien: »Unsere Karawane stoppte, als wir eine Straßensperre von 30 in zivil gekleideten Vermummten sahen, die mit AK-47-Maschinenpistolen bewaffnet waren. Wir wollten gerade den Rückwärtsgang einlegen, als über uns ein Kugelhagel niederging. Die Busse trugen Transparente die darauf aufmerksam machten, daß wir eine humanitäre Karawane waren, aber selbst das respektierten sie nicht. Die Busse wurden durch die Kugeln durchsiebt.«

Tödlich getroffen wurden von den Schüssen der finnische Menschenrechtsaktivist Tyri Antero Jaakkola, der vor drei Monaten nach Oaxaca gekommen war, um für ein Jahr bei VOCAL zu arbeiten, sowie Alberta Cariño, eine Aktivistin des Zentrums für gegenseitige Hilfe CACTUS. Mehrere Angehörige der Karawane sind seit dem Überfall verschwunden. Es wird befürchtet, daß sie den Angreifern in die Hände gefallen sind. Die örtliche Tageszeitung Tiempo zitierte am Mittwoch Angaben von Augenzeugen, wonach die maskierten Angreifer sieben Personen verschleppt hätten »darunter einige Deutsche«.

* Aus: junge Welt, 30. April 2010

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