Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kasinopolitik

Mexiko: Untersuchungen gegen hochrangige Politiker nach Überfall auf Spielbank

Von Andreas Knobloch *

Für Monterreys Bürgermeister Fernando Larrazabal Bretón wird es langsam eng. Sein Bruder befindet sich in Polizeigewahrsam, und die eigene Partei würde ihn am liebsten in die Wüste schicken. Am Wochenende gab die Ordnungskommission der PAN (Partei Nationale Aktion) im Bundesstaat Nuevo León bekannt, daß sie dem Antrag der Parteiführung folgen und ein Verfahren gegen Larrazabal einleiten wird.

In Schwierigkeiten gebracht haben Larrazabal Untersuchungen nach der Attacke auf das Casino Royale in Monterrey Ende vergangenen Monats. Bei dem Überfall waren 52 Menschen getötet worden. Kurz darauf tauchten Videos auf, auf denen zu sehen ist, wie Larrazabals Bruder Jonas in dem Kasino Tage vor dem Überfall große Mengen Bargeld entgegennimmt. Der Verdacht liegt nahe, daß die Zahlungen ihren Ursprung in den vertrauten Netzwerken der Korruption haben, von denen Mexiko durchzogen ist. Noch ist nicht klar, ob es einen Zusammenhang mit dem Anschlag gibt. Aber die Bilder nähren den Verdacht, daß die Angreifer vom Drogenkartell irgendwie mit dem Rathaus in Verbindung stehende Erpresser gewesen sein könnten. Zu seiner Verteidigung gab Jonas Larrazabal an, bei der gefilmten Geldübergabe habe es sich um eine Zahlung für Käse aus Oaxaca gehandelt. Allein eines der Geldbündel hatte einen geschätzten Wert von 32000 US-Dollar. Andere Videos zeigen ihn und Monterreys Minister für soziale Entwicklung, Miguel Ángel García Domínguez, bei einem Treffen mit dem Kasinobesitzer in dessen Büro und in einem Restaurant. García wurde mittlerweile für 30 Tage beurlaubt; Jonas Larrazabal steht unter einer Art Hausarrest.

Für die PAN kommt die Geschichte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Es ist Wahlkampf in Mexiko, und die Partei von Präsident Felipe Calderón ist darauf bedacht, sich als Kämpferin gegen die Korruption zu inszenieren. Die Parteivorderen haben Fernando Larrazabal aufgefordert zurückzutreten – zumindest solange die Untersuchungen gegen seinen Bruder laufen. Doch der denkt gar nicht daran und verweist auf seine Verpflichtung gegenüber den Wählern. Wahrscheinlich meint er, von seinem Posten aus mehr Einfluß auf den Gang der Ereignisse nehmen zu können. Von Larrazabals Ablehnung verärgert, schwor der Präsident der PAN, Gustavo Madero, ihn durch die Parteigerichtsbarkeit abzustrafen.

Die internen Querelen der PAN kommen vor allem der PRI (Institutionelle Revolutionäre Partei), die 2012 nach zwölf Jahren Unterbrechung wieder den Präsidenten stellen will, wie gerufen. Denn der Fall Larrazabal lenkt von den eigenen Unzulänglichkeiten und Bestechungsfällen ab. Zuletzt war die PRI mit Enthüllungen konfrontiert, der Präsident der Partei, Humberto Moreira, habe dem Bundesstaat Coahuila, dessen Gouverneur er von 2005 bis 2011 war, massive Schulden hinterlassen. Die PRI vermutete ein schmutziges Spiel, denn es war das vom Calderón-Vertrauten Ernesto Cordero geleitete Finanzministerium, das die Schulden in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar aufdeckte. Cordero trat diesen Monat als Finanzminister zurück, um sich bei den Präsidentschaftswahlen um Calderóns Nachfolge zu bewerben.

Der Kasinoüberfall und das im Rahmen der Untersuchungen aufgeworfene Thema der Verwaltung Tausender Spiel- und Wettstuben, die in Mexiko in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen sind, haben es der PRI nun ermöglicht, den Spieß umzudrehen. Die Steueraufsicht für die Wettspielindustrie liegt beim Finanzministerium. Die PRI fordert nun, die Verbindungen Corderos zu den Kasinos zu untersuchen. Darüber hinaus wirft sie ihm vor, zwischen 2007 und 2011 als Finanzminister ohne vorherige öffentliche Ausschreibung fast zweitausend Verträge mit Unternehmen unterzeichnet zu haben.

* Aus: junge Welt, 28. September 2011


Zurück zur Mexiko-Seite

Zurück zur Homepage