Schlägertrupps für Ökostrom
Mexiko: Indigene protestieren gegen Landraub für Konzernwindparks
Von Ben Beutler *
Windkraftgegner hierzulande fürchten günstigenfalls um seltene Fledermausarten oder Vögel, oft wollen sie nur »ihre« schöne Aussicht nicht der Energiewende opfern. Der Widerstand im Süden Mexikos allerdings wendet sich gegen die Vertreibung von Bauern für dubiose Konzernprojekte.
Wer in Mexiko gegen Windkraft protestiert, lebt gefährlich. So muss sich Filiberto Vicente, Lokaljournalist im Bundesstaat Oaxaca, am Handy anhören: »Die Regierung hat keine Lust mehr auf Leute wie dich, ich habe den Befehl, mit dir und deiner Familie Schluss zu machen«. Solche anonymen Drohanrufe nehmen zu. Gerade hatten Vicente und Anwohnerorganisationen in San Mateo de Mar im Südosten von Oaxaca bei einer Pressekonferenz erklärt, was sie gegen das größte Windparkprojekt in ganz Lateinamerika haben: »Die Windparkmultis verursachen Unruhe und Gewalt in der Region, setzen ihre Projekte mit korrupten Beamten und Politikern durch, setzen Schlägertrupps ein.«
Mit Straßenblockaden und Demos machen die Bewohner der Meerenge von Tehuantepec gegen die Firma Mareña Renovables mobil. Der Bau der 396-Megawatt-Windfarm mit 132 Windrädern ist weit vorangeschritten. Gegenwind unerwünscht. Am nächsten Tag werden sechs Journalisten von der Polizei festgenommen. Begleitet wurden die Uniformierten von »nicht identifizierten Personen«, informiert Amnesty International und berichtet über »Verhaftungen und Einschüchterungen«. Stunden später sind die Medienleute wieder frei. Zwischenzeitlich hatten Männer mit Sturmmasken Mareña-Gegner bedroht. Man werde sie aufknüpfen, so die Warnung. Andernorts gab es bei der Räumung besetzter Baumaschinen durch die Bundespolizei Dutzende Verletzte.
Bis 2014 will die Regierung 35 Prozent des Energiebedarfs mit Erneuerbaren decken. Bis 2030 soll der Wind sechs Prozent bringen. Die Voraussetzungen in Mexiko sind ideal: Der Isthmus von Tehuantepec gilt als eine der windreichsten Gegenden der Welt. Das Potenzial wird auf 100 000 Megawatt geschätzt. Doch vor Ort stoßen die Pläne von Politik, Energiewirtschaft und Finanzinstitutionen wie der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) und der European Investment Bank (EIB) der EU auf Ablehnung. »Die alternativen Energien sind für die ursprüngliche Bevölkerung in den Ländern des Südens eine neue Kolonisierung und Enteignung«, befürchten Indigenenverbände.
Immer wieder werden Bauern über den Tisch gezogen. Für Bauvorhaben werden Gemeindevertreter geschmiert, die Landbesitzer mit wenig Bildung zum Verkauf von Grund und Boden weit unter Preis überreden, meist nur sind es nur wenige hundert Dollar pro Familie. Dem Bauern ohne Land bleibt nichts zum Leben. Weideland für Viehzucht wird wegen Absperrungen knapp. Und die Fischer befürchten beim Bau von Winkraftanlagen vor der Küste Fangeinbußen. Bisher sind keine Entschädigungsprogramme aufgelegt. Weil Windstrom nicht ins nationale Netz eingespeist werden kann, sind Großfirmen die Abnehmer. Coca-Cola und der Bier-Multi Heineken mit Fabriken in Oaxaca können sich so ein grünes Mäntelchen umhängen.
* Aus: neues deutschland, Montag, 22. April 2013
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