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Generäle in Mexiko verhaftet

Armeeangehörige sollen Drogentransporte gedeckt haben

Von Andreas Knobloch *

Das mexikanische Verteidigungsministerium hat am Wochenende einen weiteren ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte festnehmen lassen. Oberstleutnant der Kavallerie a. D. Silvio Isidro de Jesús Hernández Soto wurde nach seiner Verhaftung der Generalstaatsanwaltschaft (PGR) übergeben. Er ist schon der vierte hochrangige Militär, der in den vergangenen Tagen festgenommen worden ist. Hernández war am 30. November 2002 auf eigenen Wunsch aus dem Dienst geschieden. In den vergangenen Jahren arbeitete er in gehobener Stellung für verschiedene Polizeibehörden sowie die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Veracruz. Die genauen Gründe für seine Festnahme waren zunächst unklar. Er soll nach unbestätigten Medienberichten wie die zuvor Verhafteten Verbindungen zum Kartell der Brüder Beltrán-Leyva gehabt haben.

Am Donnerstag war bereits Divisionsgeneral a. D. Ricardo Escorcia Varga festgesetzt worden. Escorcia war im April 2010 aus Altersgründen aus dem Dienst geschieden. Bereits Ende 2009 war er mit Drogenkartellen in Verbindung gebracht worden, ohne daß dies rechtliche Konsequenzen gehabt hätte. Nur wenige Stunden vor seiner Festnahme hatte ein Richter 40 Tage Untersuchungshaft gegen den Exgeneral und früheren stellvertretenden Verteidigungsminister unter dem aktuellen Präsidenten Felipe Calderón, Tomás Ángeles Dauahare – er war im März 2008 in Ruhestand getreten – sowie den aktiven Brigadegeneral Roberto Dawe González angeordnet. Sie waren Anfang der Woche verhaftet worden. Auch für Escorcia und Hernández wurde mittlerweile eine 40tägige Untersuchungshaft bestätigt.

Nach seiner Festnahme war Ángeles für mehrere Stunden der Kontakt zu seinem Anwalt und der Familie verweigert worden. Für ein eventuell anstehendes Verfahren läßt das nichts Gutes vermuten. Überhaupt hatte das Vorgehen gegen die im März 2008 in Ruhestand getretene frühere Nummer zwei im Verteidigungsministerium in der mexikanischen Presse für vielfältige Spekulationen gesorgt. Ángeles soll der früheren Regierungspartei PRI nahegestanden haben. Seine Verhaftung wurde denn auch als Versuch gewertet, den PRI-Präsidentschaftskandidaten Enrique Peña Nieto zu diskreditieren. Die PGR dementierte dies und erklärte, die Festnahmen »haben weder einen politischen Hintergrund, noch besteht irgendeine Beziehung zum laufenden Wahlkampf oder den beteiligten Kandidaten.« Sie schloß nicht aus, daß die Ermittlungen auf weitere Militärs sowie Beamte der Bundespolizei ausgeweitet werden.

Wie die Tageszeitung La Jornada aus regierungsnahen Quellen erfahren haben will, hat die Behörde zur Bekämpfung organisierter Kriminalität (­SIEDO) – eines der Schlüsselressorts der PGR im »Krieg« der Regierung gegen die Drogenkartelle – Beweise gegen die Generäle Ángeles, Dawe und Escorcia. Sie sollen demnach Operationen des Beltrán-Leyva-Kartells in den Bundesstaaten Quintana Roo, Morelos sowie dem Distrito Federal (Mexiko-Stadt) gedeckt haben. Die Informationen, so das Blatt weiter, stammen von Zeugen, die unter dem Schutz der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA stünden. Der Verdacht gegen die Generäle kam demnach im Jahr 2009 mit Untersuchungen zum Mord an General Mauro Ennrique Tello Quiñones auf. Der war in Cancún, Quintana Roo, erschossen worden war. In dem Zusammenhang war damals der Kommandant der Bundespolizei, Javier Herrera Valles, in erster Instanz zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Außerdem wurden der frühere SIEDO-Chef Noé Ramírez Mandujano und Major Arturo González Rodríguez festgenommen. Die DEA habe die PGR bereits im März 2010 darauf aufmerksam gemacht, daß es Anzeichen für die Verwicklung der drei Generäle in Drogengeschäfte gebe. Laut den von La Jornada zitierten Quellen hätten sie vom Beltrán-Leyva-Kartell organisierte Transporte per Flugzeug von Quintana Roo in den nordmexikanischen Bundesstaat Chihuahua ermöglicht.

Die genauen Vorwürfe hat die PGR bisher nicht öffentlich gemacht, auch wurde bisher noch keine Anklage erhoben. Sollten sich die Beschuldigungen aber als stichhaltig erweisen, so wäre das für die mexikanischen Streitkräfte der größte Korruptionsfall seit mehreren Jahren.

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Mai 2012


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