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Mexiko auf Diät gesetzt

Regierung spart im Staatsdienst, um Sozialprogramme zu finanzieren

Von Knut Henkel *

Jahrelang galt Mexiko neben Brasilien als Lokomotive der lateinamerikanischen Wirtschaft. Anders als die Nachbarn im Süden hat Mexiko nun aber unter einer massiven Rezession zu leiden. Daher will Präsident Felipe Calderón dem Staat eine Schlankheitskur verordnen.

Im ersten Quartal des Jahres ist die mexikanische Wirtschaft um 8,2 Prozent geschrumpft, im zweiten Quartal sogar gar um 10,3 Prozent im Vergleich jeweils zum Vorjahreszeitraum. Werte, die deutlich unter dem liegen, was die Regierung kalkuliert hatte. Sie war von einem Minus von rund fünf Prozent ausgegangen.

Deshalb trat Präsident Calderón dieser Tage vor die Kameras, um ein Sparprogramm anzukündigen, das es in sich hat. Eine Anpassung der öffentlichen Ausgaben in der anvisierten Höhe von zehn Milliarden US-Dollar sei noch nie da gewesen, sagte der konservative Politiker. Gleich drei Ministerien sollen dem Rotstift zum Opfer fallen -- für Tourismus, den öffentlichen Dienst und für Landwirtschaftsreform. Deren Aufgaben sollen auf andere Ressorts umverteilt werden. Den Prognosen zufolge bringe die Verschlankung des Staates bis zu sechs Milliarden Dollar. Weitere Milliarden sollen durch das Einfrieren der Gehälter auf der mittleren Verwaltungsebene eingespart werden. Auf der höheren Ebene sind die Saläre bereits seit 2006 eingefroren, um den Staat zu entlasten.

Mehr Mittel als einspart werden sollen, will Calderón laut dem Haushaltsentwurf für 2010, der dem Parlament noch vorgelegt werden muss, allerdings in Sozialprogramme stecken. Derzeit werden über Programme wie »Oportunidades« und »Seguridad alimentaria« rund 30 Millionen der rund 100 Millionen Mexikaner mit Nahrungsmitteln und Sachgütern unterstützt. Den gestiegenen Bedarf für derartige Programme will der Präsident über die neue »Steuer zum Kampf gegen die Armut« finanzieren. Die gestiegene Inflation frisst Einkommenszuwächse auf und lässt die Zahl der Armen weiter steigen. Derzeit gilt bereits jeder zweite Mexikaner als arm und jeder fünfte sogar als extrem arm.

Vor allem die Bundesstaaten im Süden wie Oaxaca, Guerreo und Chiapas trifft dies und seit Jahren wandern viele ihrer Bewohner aus, weil sie keine Perspektiven sehen. Ein Großteil der laut mexikanischen Schätzungen 30 Millionen Menschen in den USA mit mexikanischer Herkunft kommen aus diesen Bundesstaaten. Sie senden den Angehörigen in der Heimat regelmäßig Geld. Doch mit der Rezession in den USA haben auch viele der dort legal oder illegal lebenden Mexikaner mit sinkenden Löhnen oder Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Zwangsläufig schicken sie weniger Geld nach Hause, was für zusätzliche Probleme sorgt.

Folglich muss die Regierung vermehrt in die Bresche springen. Doch auch beim Erdöl ist die Förderung in den letzten Jahren stetig zurückgegangen, wodurch die staatlichen Einnahmen rückläufig sind. Gegensteuern will Calderón nun durch das Anheben der Steuern auf Tabak sowie Alkohol und auch eine Anhebung der Benzinpreise ist vorgesehen, um neue Mittel zu generieren. In einem zweiten Schritt will Calderón, dessen Regierungspartei PAN keine Mehrheit im Parlament hat, den Abgeordneten neue Pläne für Reformen im Finanz- und im Energiebereich vorlegen.

* Aus: Neues Deutschland, 28. September 2009


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