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Zwölf Jahre unschuldig in Haft

Chiapas: Regionalregierung läßt Zapatisten frei. Entscheidung fiel aufgrund politischen Drucks

Von Thomas Zapf, San Cristóbal de Las Casas *

Zwei Anhänger der zapatistischen Rebellen im Süden Mexikos sind vergangene Woche freigelassen worden. Francisco Pérez Vázquez und Angel Pérez Gutiérrez waren 1996 wegen Mordes verhaftet worden. Ihre Schuld wurde nie bewiesen, mehrere Gnadengesuche wurden abgelehnt. Im Februar dieses Jahres waren 48 politische Gefangene im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas in den Hungerstreik getreten, um ihre Freilassung zu erreichen. Nachdem diese Maßnahme über Chiapas hinaus Aufsehen erregt hatte, erklärte der Gouverneur Juan Sabines Guerrero schließlich, die Fälle von 360 Gefangenen überprüfen zu wollen. Anfang April wurden schließlich mehr als 140 Häftlinge freigelassen, jedoch nur 31 derjenigen, die gehungert hatten. Vor zwei Wochen erinnerte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas mit Sitz in San Cristóbal de las Casas den Gouverneur öffentlich an sein Versprechen. Regierungsfunktionäre hätten die Freilassung der noch Inhaftierten »ungerechtfertigt verzögert«.

Der Druck zeigte Wirkung: Mit Pérez Vázquez und Pérez Gutiérrez wurden jetzt erneut zwei politische Gefangene freigelassen. Die beiden Männer gehören der Basis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) an. Seit 1996 hatten sie im Bundesstaat Tabasco im Gefängnis gesessen. Am 25. April dieses Jahres wurden sie nach Chiapas gebracht, nachdem Gouverneur Sabines erklärt hatte, sich des Falles anzunehmen. Dennoch verbrachten die beiden Zapatisten weitere sechs Wochen in Haft.

Pérez Vázquez und Pérez Gutiérrez waren wegen Mord angeklagt worden. Der einzige Beweis waren die Aussagen des Sohnes des Opfers, des einzigen Zeugen der Tat. Hintergrund des Streits, der zur Bluttat geführt haben soll, war ein Landkonflikt zwischen zwei Gemeinden. Obwohl man die beiden Männer in erster Instanz wegen Mangels an Beweisen freisprach, wurden sie später zu 25 Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben von Beobachtern wurden beide weder ausreichend über ihre Rechte während des Prozesses informiert, noch wurde ihnen ein Übersetzer zur Verfügung gestellt, wie es das mexikanische Recht bei Angeklagten vorsieht, die aufgrund ihrer indigenen Herkunft kein oder nicht ausreichend Spanisch sprechen. »Sechs Mal sind wir in den Hungerstreik getreten«, sagte Angel Gutiérrez auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche: »Daß wir frei sind, ist nicht auf den guten Willen der Regierung zurückzuführen, sondern auf den Druck der Zivilgesellschaft«.

Pérez Vázquez und Pérez Gutiérrez sind auch zwei der zapatistischen Gefangenen gewesen, deren Freilassung die EZLN im Jahr 2001 gefordert hatte, um den Dialog mit der Regierung wieder aufzunehmen. Zu Beginn der »Anderen Kampagne« Anfang 2006, einer landesweiten Initiative der Zapatisten für eine neue Verfassung, hatte Subcomandante Marcos das Gefängnis in Tabasco besucht, um erneut ihre Entlassung zu verlangen. Aktivisten eines der fünf regionalen Verwaltungssitze der zapatistischen Autonomiestruktur hatten noch im April dieses Jahres in einem Kommuniqué auf den Fall hingewiesen.

* Aus: junge Welt, 11. Juni 2008


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