Anschlag auf mexikanischen Bauernführer
Armando Villarreal Martha focht für eine Agrarpolitik zugunsten der Campesinos
Von Andreas Knobloch, Mexiko-Stadt *
Bauernführer leben in Mexiko gefährlich. Am vergangenen Freitag traf es Armando Villarreal Martha.
Er hatte sich für die Neuverhandlung des Freihandelsabkommens NAFTA stark gemacht, das schon
viele mexikanische Bauern die Existenz kostete.
Mexiko gilt gemeinhin als demokratischer Staat, doch die Realität insbesondere in ländlichen
Regionen sieht anders aus. Gewalt in Zusammenhang mit Landkonflikten ist an der Tagesordnung.
Nun wurde sie Armando Villarreal Martha, dem Führer der Bauernorganisation OAN, zum
Verhängnis. Ein Todeskommando feuerte vergangenen Freitag drei Maschinengewehrsalven auf
das Auto ab, in dem Villarreal mit seinem Sohn Mauricio unterwegs war. Während dieser unverletzt
blieb, wurde Villarreal mehrfach am Kopf getroffen und verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Der 53-Jährige hatte vor allem wegen seines Kampfes für eine Revision der Energiepreise in der
Landwirtschaft landesweite Aufmerksamkeit erregt. So verbrachte er mehr als anderthalb Jahre
hinter Gittern, als er nach der Erstürmung einer Zollstation in Janos y Villa Ahumada während der
Regierungszeit von Vicente Fox (2000-2006) verschiedener Delikte wegen angeklagt und verurteilt
wurde. In den letzten Monaten war er führend an der nationalen Bewegung der Bauern und
Kleinproduzenten beteiligt, die von der Regierung Felipe Calderón eine Neuverhandlung der
Agrarartikel des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA verlangt, nachdem in diesem
Jahr nun die letzten Agrarzollbeschränkungen gefallen sind.
Bauernsterben trotz steigender Preise
Trotz weltweit steigender Preise für landwirtschaftliche Produkte hat das Freihandelsabkommen mit
den USA und Kanada vor allem viele kleine und mittlere mexikanische Bauern in den Ruin
getrieben. Vor einigen Wochen organisierte Villarreal eine Arbeitsniederlegung in den Anlagen des
petrochemischen Werks inL Ciudad Camargo mit der Forderung einer Reaktivierung der
petrochemischen Industrie des Landes, um damit die Preise für Düngemittel und andere
landwirtschaftliche Chemikalien zu senken.
Armando Villarreal trat 1988 in die lokale Politik ein – zunächst als Kandidat für die damalige
Regierungspartei PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) in lokalen Wahlen, später für die
PRD (Partei der Demokratischen Revolution). Im Jahr 2002 wurde er wegen Anstiftung zum Aufruhr
angeklagt und zu einem der ersten politischen Häftlinge der Regierung Fox. Er verbrachte mehr als
anderthalb Jahre im Gefängnis von Ciudad Juárez, ehe er freigesprochen wurde.
Neben seiner Teilnahme an den Protesten für eine Revision von NAFTA setzte er sich zuletzt auch
vor allem für den Schutz der Wasserreservoire im Nordosten von Chihuahua ein, wo große
ausländische, in Mormonen- und Mennoniten-Gemeinden ansässige Agrarfirmen illegal Brunnen
bohren und damit das Grundwasser der Region abgraben. Aktuell bereitete der Bauernführer einen
landesweiten Protestzug mit Traktoren nach Veracruz vor, um die Wiedereröffnung der
petrochemischen Werke in Salamanca, Guanajuato und Delicias, Chihuahua zu fordern.
Die Ermordung Villarreals rief in ganz Mexiko Bestürzung und Trauer hervor. Die
Bauernorganisationen Nationale Bauernkonföderation (CNC) und Unabhängige Bauernzentrale
(CCI) verurteilten die Tat und verlangten von der Regierung die Aufklärung des Verbrechens und
eine Bestrafung der Schuldigen. Zudem müssten »die Aggressionen gegen soziale Führer im
ganzen Land« gestoppt werden.
Villarreals Kampf gegen die Multis
Villarreal hat sich mit seinen Aktionen und Verlautbarungen immer wieder gegen die Interessen der
großen Landwirtschaftskonzerne gestellt, die ihre Gewinne aus dem Import von Samen und anderen
Basisprodukten ziehen. Max Correa, Führer der CCI, forderte von der Staatsanwaltschaft deshalb
die Einsetzung einer Sonderermittlungskommission, denn »die Geschehnisse bringen die Sicherheit
all der Bauernführer in Gefahr, die für eine Neuverhandlung von NAFTA eintreten und mobilisieren.«
Die Reaktion der Regierung steht noch aus.
* Aus: Neues Deutschland, 18. März 2008
Zurück zur Mexiko-Seite
Zurück zur Homepage