Es siegte der Favorit des Militärs
Mauretaniens erste freie Präsidentenwahl
Von David Siebert *
Der Wunschkandidat der bisher regierenden Militärs wurde zum ersten frei gewählten Präsidenten
Mauretaniens: Der Ökonom Sidi Ould Cheikh Abdallahi steht in dem bitterarmen Wüstenstaat vor
einer schweren Aufgabe.
Sidi Ould Cheikh Abdallahi ist der erste Präsident Mauretaniens, der sein Amt ohne Putsch oder
Wahlmanipulation erreicht hat. Wahlbeobachter der EU bestätigten, dass die Abstimmung fair und
ordnungsgemäß verlaufen ist. Bei der Stichwahl am vergangenen Wochenende ((24./25. März) gewann Sidi
Abdallahi mit 53 Prozent der Stimmen über Ahmed Ould Daddah, der 47 Prozent erzielte.
Seit seiner Unabhängigkeitserklärung 1960 erlebte das Land am Westrand der Sahara zahlreiche
Staatsstreiche. Der letzte Coup sollte Mauretanien jedoch den Weg in die Demokratie ebnen: Im
August 2005 stürzte das Militär Alleinherrscher Ould Taya, der über 21 Jahre lang eisern regierte
hatte. Zum Erstaunen internationaler Organisationen hielt die Militär-Übergangsregierung ihr
Versprechen, für demokratische Verhältnisse zu sorgen. Nach einem Verfassungsreferendum und
Parlamentswahlen bildeten die Präsidentschaftswahlen, bei denen die Militärs keinen eigenen
Kandidaten aufgestellt hatten, den Abschluss des Übergangsprozesses.
Viele überraschte allerdings die Niederlage des Kandidaten Ahmed Ould Daddah (65), der
Symbolfigur der Opposition. Unter Diktator Taya war er verfolgt worden, weil er die Untersuchung
zahlreicher Fälle von Folter, politischem Mord und »Verschwindenlassen« forderte. Die
oppositionelle Sammlungsbewegung Demokratischer Kräfte (RFD), die Daddah unterstützte und bei
den Parlamentswahlen 40 Prozent der Stimmen erreicht hatte, warf den Militärs vor, hinter den
Kulissen für Abdallahi zu agieren.
Unbestritten ist, dass Sidi Abdallahi (69) der Favorit der Militärs war. Der Volkswirtschaftler, der in
Grenoble studiert hat, kommt aus einer einflussreichen maurischen Familie. Unter Expräsident Ould
Taya war er als Minister für die Ressorts Energie und Fischerei zuständig, in Mauretanien damals
die wichtigsten Quellen für Devisen wie auch Hauptfelder der Korruption. In Ungnade gefallen und
unter Hausarrest gestellt, ging Abdallahi 1989 nach Niger ins Exil und kehrte erst 2003 in seine
Heimat zurück. Für die Militärs war er der ideale Kandidat: ein Elitekader, der sich als Mann mit
weißer Weste präsentieren konnte. Ob er tatsächlich an tiefgreifenden Reformen interessiert ist, wird
sich herausstellen.
Die Bewältigung von Armut und sozialer Ungerechtigkeit wird zum Prüfstein für die junge
Demokratie in einem der ärmsten Länder der Welt werden. Die Analphabetenquote beträgt 62
Prozent, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt unter zwei US-Dollar pro Tag. Dabei
verfügt der Wüstenstaat über große Eisen- und Goldvorkommen. Seit 2006 wird auch Erdöl
gefördert, zudem wurden Gaslagerstätten entdeckt. Aber die Kontrolle über diese Schätze, wie auch
die Lizenzen für den Fischfang in den reichen Fischgründen, liegt fest in der Hand einer kleinen
Herrscherkaste.
Ein weiteres Problem ist die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsgruppe durch die
arabischstämmige Elite. 1990 wurden zehntausende oppositionelle schwarze Mauretanier nach
Senegal und Mali deportiert. Hunderte wurden festgenommen und hingerichtet. Dass der neue
Präsident gegen die Verantwortlichen für diese Verbrechen in den Reihen der Militärs vorgehen
wird, darf bezweifelt werden.
In dem gerade 3 Millionen Einwohner zählenden Land leben immer noch hunderttausende
Menschen als Sklaven. Es gibt zwar ein Gesetz, das Sklaverei verbietet, doch solange die Praxis
nicht geahndet und die Opfer nicht entschädigt werden, wird sich an diesem Skandal wenig ändern.
* Aus: Neues Deutschland, 29. März 2007
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