Mauretaniens Wahlpremiere
Erstmals wird im Wüstenstaat ein Präsident an der Urne bestimmt
Von David Siebert *
Am 11. März erlebt Mauretanien die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen. Menschenrechtler äußern sich optimistisch über den Demokratisierungsprozess.
Mauretanien ist in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht näher an die EU herangerückt: Im Juli 2006 schloss die EU mit Mauretanien das nach eigenen Angaben »wichtigste Fischereiabkommen überhaupt« ab. Für die Zahlung von 86 Millionen Euro pro Jahr können während der sechsjährigen Laufzeit des Abkommens rund 200 europäische Schiffe in mauretanischen Gewässern fischen. Für Schlagzeilen sorgte Mauretanien auch als Transitland für Migranten. Im vergangenen Jahr haben von dort aus tausende von Flüchtlingen die Überfahrt auf die Kanarischen Inseln riskiert. Die EU stellte der mauretanischen Regierung daraufhin 2,5 Millionen Euro zur »Bekämpfung der illegalen Einwanderung« zur Verfügung.
Trotz der vielfältigen Beziehungen ist aber weitgehend unbekannt, dass das Land seit zwei Jahren einen demokratischen Aufbruch erlebt. Die Präsidentschaftswahlen am kommenden 11. März stellen in der Geschichte des Landes eine Premiere dar: Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 hat Mauretanien noch nie einen Präsidentenwechsel erlebt, der nicht durch einen Putsch herbeigeführt worden wäre.
Insgesamt vier Staatsstreiche hat das Land erlebt, der letzte fand am 3. August 2005 statt. Diktator Ould Taya, der seit 1984 ununterbrochen an der Macht war, wurde abgesetzt. Als der »Militärrat für Gerechtigkeit und Demokratie« ankündigte, innerhalb von zwei Jahren demokratische Verhältnisse herstellen zu wollen, fielen die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft eher skeptisch aus. Auch Staatspräsident Ould Taya hatte mehrfach Demokratie versprochen. Die Reformen verliefen aber stets im Sande. Dass die neue Militärjunta ausgerechnet Ould Tayas Vertrauten und langjährigen Polizei- und Geheimdienstchef Oberst Ely Ould Mohammed Vall zum Führer der Übergangsregierung ernannte, sorgte für zusätzliches Misstrauen. Die Afrikanische Union (AU) schloss Mauretanien vorläufig aus ihrer Organisation aus. EU und Weltbank froren ihre Finanzhilfen ein.
Doch allem Anschein nach lassen die Militärs den Worten auch Taten folgen. In einem Volksentscheid wurde beschlossen, die Amtszeit des noch zu wählenden Staatspräsidenten auf maximal zwei Perioden von je fünf Jahren zu begrenzen. Im Herbst 2006 wurden die ersten freien Parlamentswahlen veranstaltet. Laut EU-Wahlbeobachtern verliefen sie »ordnungsgemäß, transparent und nach internationalen Standards«. Das Oppositionsbündnis »Sammlungsbewegung Demokratischer Kräfte« (RFD) wurde mit 40 Prozent der Stimmen stärkste Kraft im Parlament.
Auch Amadou M´Bow, Aktivist bei der »Menschenrechtsvereinigung Mauretanien« (AMDH), bestätigt Verbesserungen bei den Bürgerrechten: »Unter Staatspräsident Ould Taya saß ich zwei Mal im Gefängnis, jetzt können Nichtregierungsorganisationen unbehelligt arbeiten. Die jetzige Militärregierung hat die Menschenrechtsverletzungen des alten Regimes verurteilt.«
Einschränkend fügt er zu: »Natürlich sind die Reformen nicht ohne Makel.« Zwar hat das Militär für die Präsidentschaftswahlen keinen eigenen Kandidaten aufgestellt, alle Kandidaten sind unabhängig, trotzdem sind Vorbehalte angebracht: Im Januar bat das Oppositionsbündnis RFD in einem Brief an die EU und andere Organisationen um die Entsendung von Wahlbeobachtern. Das Schreiben beschuldigte die Militärregierung, eine »offene Kampagne für einen Kandidaten« zu betreiben, der namentlich nicht näher genannt wird. Beobachter gehen davon aus, dass damit Sidi Ould Cheikh Abdallahi gemeint ist. Er gilt als Integrationsfigur für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Da er unter Ex-Diktator Ould Taya mehrere Ministerposten innehatte, wird aber bezweifelt, dass er ernsthaft an einer Aufarbeitung der Verbrechen der Militärs während der Diktatur interessiert ist. Die EU hat erneut Wahlbeobachter nach Mauretanien entsandt und stellt für die Organisation und Beaufsichtigung der Wahlen sechs Millionen Euro zur Verfügung. Mit Ergebnissen ist frühestens Mitte nächster Woche zu rechnen.
* Aus: Neues Deutschland, 10. März 2007
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