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Eliten lassen plündern

Mauretanische Aktivisten werfen der Regierung vor, den Reichtum des Landes zu verscherbeln

Von Martin Lejeune, Nouakchott *

Mauretanien ist extrem reich an Bodenschätzen. Die Bevölkerung profitiert davon nicht. Nichtregierungsorganisationen werfen der Regierung die Ausplünderung des Landes vor.

Die Firma Kinross mit Sitz im kanadischen Toronto ist zu 100 Prozent Eigentümerin einer Goldmine in Tasiast, 300 Kilometer nördlich der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. In einer Unternehmensmitteilung heißt es, der Konzern habe 2010 in Tasiast 56 000 Unzen Gold gefördert und strebe bis 2014 die Förderung von 1,5 Millionen Unzen pro Jahr an. Schon jetzt hat Kinross laut Geschäftsbericht von Anfang November im dritten Quartal dieses Jahres erstmalig in der Geschichte des Unternehmens die Umsatzschwelle von einer Milliarde Dollar übersprungen und gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutete dies einen deutlichen Anstieg um rund 50 Prozent.

Schürfrechte werden verschleudert

Der mauretanische Präsident, General Mohamed Ould Abdel Aziz, der sich am 5. August 2009 an die Macht putschte, lasse ausländische Firmen ohne nennenswerte Gegenleistung die Schätze des Landes plündern, kritisiert ein Aktivist der Nichtregierungsorganisation Tresor. Er vermutet, dass solche Geschäfte »nicht ohne Bestechung zustande kommen, von der natürlich die Bevölkerung nichts hat«. Es sei ein Skandal, »dass an Mauretanien weniger als zehn Millionen Dollar pro Jahr für die Schürfrechte fließen«. Seinen Namen will er nicht nennen, wie auch alle anderen, die ihre Kritik laut äußern.

Ein weiteres Beispiel für ein umstrittenes Geschäft ist der Verkauf sämtlicher Fischereirechte für eine Laufzeit von 25 Jahren an die chinesische Firma Polytechnologist. Sie ist eine 100-prozentige Tochter der Firma China Poly Group, die nicht nur fischt, sondern auch mit Waffen handelt. Laut einem Artikel der »New York Times« lieferte die Firma trotz Embargos Waffen an die Truppen von Robert Mugabe, den Präsidenten Simbabwes.

Polytechnologist zahlt laut gut informierter Kreise an Mauretanien 100 Millionen Dollar für den im Land umstrittenen Vertrag. »Niemand kennt diesen Vertrag, er ist geheim«, sagt ein Mitarbeiter des Fischereiministeriums in Nouakchott. Die Fischbestände vor der sehr warmen atlantischen Küste Mauretaniens (auch jetzt im Dezember sind es 35 Grad) gehören zu den reichsten der Welt. Gegenüber »nd« kritisieren mauretanische Umweltaktivisten, dass die chinesische Firma mit ihrer großen Fischereiflotte ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit die Gewässer plündere. »Wenn die Firma so weiter macht, wird das Meer vor unserer Küste am Ende der Vertragslaufzeit leergefischt sein.« Hinzu kommt, dass die staatliche deutsche Entwicklungshilfeorganisation GIZ im Auftrage der mauretanischen Regierung Fischereischiffe mit Satellitenempfängern ausgestattet hat, um diese orten zu können. Wenn sie zu lange im gleichen Gebiet fischen, werden sie mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt. Die chinesischen Firma habe sich hingegen Straffreiheit vertraglich zusichern lassen, heißt es in Nouakchott. »Mauretanien muss unbedingt bei Verträgen auch die eigenen Interessen verhandeln«, meint ein ausländischer Beobachter.

Verstöße gegen Sozial- und Umweltstandards

Gravierende Arbeitsrecht- und Umweltverstöße werfen Gewerkschaften sowie Umweltaktivsten der Firma MCM, einer 100-prozentiger Tochter des kanadischen Rohstoffkonzerns First Quantum, vor. MCM fördert Silber in Akjoujt, 250 Kilometer westlich von Nouakchott. Aktivisten dokumentieren mit Hilfe einheimischer Mienenarbeiter wie Chemikalien und andere giftige Industrieabfälle dort in die Wüste gefahren und ohne Umweltschutzmaßnahmen illegal entsorgt werden. Lokale Behörden, so heißt es im Gespräch, würden trotz eindeutiger Hinweise auf ein dadurch verursachtes Kamelsterben nichts gegen die Firma unternehmen. »Diesen internationalen Konzernen kommt es nur auf den Profit an«, meint einer der Aktivisten. »Sie kümmern sich weder um nachhaltige Ausbeutung, noch um umweltverträgliche Förderung und Verarbeitung und schon gar nicht um Arbeitsschutzmaßnahmen. Außerdem bestechen sie die politische Elite und die lokale Polizei.«

Tatsächlich lebt die Mehrheit der dreieinhalb Millionen Mauretanier in großer Armut. Dabei hat das Land in den vergangenen drei Jahren über 500 Lizenzen für Schürfrechte an ausländische Firmen vergeben, auch für den Abbau von Uran nahe der Grenze zu Algerien.

Verantwortliche kauften sich frei

Nur in Ausnahmefällen kommt ein Beweis für die Korruption der mauretanischen Eliten ans Tageslicht. Die Firma Woodside mit Sitz im australischen Perth bezahlte für die Förderrechte des Chinguetti-Ölfeldes vor der Küste 600 Millionen Dollar. Das Feld birgt Reserven in Höhe von 120 Millionen Barrel. Woodside will 75 000 Barrel pro Tag fördern. Nach Informationen der BBC seit der Vertrat laut dem Untersuchungsbericht einer mauretanischen Organisation »außerhalb des rechtlichen Rahmens der üblichen Praxis und zum großen Schaden unseres Landes« verfasst. Die juristische Verfolgung der Woodside-Manager in Australien wurde eingestellt, in Mauretanien »kauften sich die Verantwortlichen frei und entgingen so einer Strafe«, so ein Beobachter des Verfahrens.

* Aus: neues deutschland, 14. Dezember 2011


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