Harte Strafen für Sahrauis
Marokkanisches Militärgericht verurteilte die »24 von Gdeim Izik«
Von Axel Goldau *
Brutale Szenen hatten sich im November
2010 in der besetzten Westsahara
abgespielt, als marokkanische
Sicherheitskräfte ein Protestlager der
einheimischen Sahrauis auflösten.
Jetzt fällte ein marokkanisches Militärgericht
harte Urteile.
Am Sonntag in aller Frühe verhängte
der Militärgerichtshof in
Salé bei Rabat nach neun Verhandlungstagen
hohe Strafen gegen
die »24 von Gdeim Izik«: Acht
Angeklagte wurden zu lebenslanger,
vier zu 30 Jahren und acht
weitere zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Das Gericht sah es als erwiesen
an, dass die Verurteilten
als »Täter oder Komplizen« und
Mitglieder einer »kriminellen
Bande« schuldig am Tod von elf
marokkanischen Besatzern sind.
Im Oktober 2010 hatten Tausende
Sahrauis in der marokkanisch
besetzten Westsahara gegen
Marginalisierung, Diskriminierung
und brutale Unterdrückung
protestiert. Nahe der
Hauptstadt El-Aaiún (Laâyoune)
errichteten sie Gdeim Izik, das
»Lager der Würde«, das in der
ersten Novemberwoche rund 5000
Bewohner zählte. Am 8. November
aber stürmten marokkanische
Besatzungskräfte das Lager
und vertrieben die Sahrauis. Im
Anschluss kam es in El-Aaiún und
anderen Orten der Westsahara zu
Ausschreitungen. Während Marokko
den Tod von elf Uniformierten
beklagte, sprechen die
Sahrauis davon, dass 36 Protestierer
getötet und mehr als 700
verletzt wurden. 3000 Menschen
wurden festgenommen, doch die
marokkanische Besatzungsverwaltung
verweigerte jede unabhängige
Untersuchung der Vorgänge.
Die meisten derer, die jetzt vor
Gericht standen, sind bekannte
Menschenrechtsaktivisten. Organisationen
wie Amnesty International
hatten das Verfahren von
Anfang an scharf kritisiert: Über
zwei Jahre wurden die Betroffenen
ohne Anklageerhebung in Untersuchungshaft
gehalten, was gegen
geltendes marokkanisches
Recht verstößt. Ein Militärgericht,
bemängelten die Kritiker
außerdem, biete keine Gewähr für
einen fairen Prozess. Dreimal
wurde die Verhandlung verschoben,
bevor der Prozess mit den erwarteten
harten Urteilen zu Ende
ging. Auf die Vorwürfe der Angeklagten,
sie seien durch Folter
zu Geständnissen gezwungen
worden, ging der Militärrichter
nicht ein.
Aus Sicht der Verteidiger wurde
kein einziger stichhaltiger Beweis
für die Täterschaft auch nur
eines der Angeklagten vorgelegt.
Dass der Staatsanwalt ausgerechnet
Fotos präsentierte, die einige
der Angeklagten zusammen
mit dem Generalsekretär der Befreiungsfront
Frente Polisario,
Mohamed Abdelaziz, während eines
Besuches der Flüchtlingslager
in Algerien zeigt, wurde als
deutlicher Hinweis auf den politischen
Charakter des Prozesses
gedeutet.
Während die Schweiz und
Kanada Beobachter aus ihren
diplomatischen Missionen
in Rabat zum Prozess
schickten, hielt sich Deutschland
auffallend zurück. Und
diese Zurückhaltung ist gängige
Praxis der Bundesregierung:
Im 300-seitigen Bericht
über ihre Menschenrechtspolitik,
der im Oktober
2012 veröffentlicht wurde,
kommt das Wort »Westsahara
« kein einziges Mal
vor. Der Verein Freiheit für
die Westsahara (www.freiewestsahara.
eu) forderte die
Bundesregierung kürzlich
auf, sich der Entschließung
des Europäischen Parlaments
vom 7. Februar anzuschließen,
in der die sofortige und
bedingungslose Freilassung aller
sahrauischen politischen Gefangenen
gefordert wird.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. Februar 2013
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