EU spielt Marokko in die Karten
Freihandelsabkommen missachtet Westsahara
Von Axel Goldau *
Die Europäische Union plant eine »privilegierte Partnerschaft« mit dem Königreich Marokko. Die
Interessen der Westsahara werden dabei schlicht ignoriert und die Annexion durch Marokko indirekt
unterstützt.
Das internationale Netzwerk Western Sahara Resource Watch (WSRW) wartet auf eine Antwort von
Benita Ferrero-Waldner: Am Dienstag wurde der EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und
europäische Nachbarschaftspolitik ein Brief überreicht, in dem das WSRW gegen die Pläne zu
Marokko protestiert.
Im Frühjahr hatte das Königreich Marokko bei der EU-Kommission den Antrag auf eine »privilegierte
Partnerschaft« gestellt. Seither haben sieben Verhandlungsrunden stattgefunden, die letzte am 13.
Oktober in Luxemburg. Diese Verhandlungen führt ein »Assoziationsrat EU-Marokko«, eine
Einrichtung, die im Rahmen des am 1. März 2000 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommens
geschaffen wurde.
Bereits mehrfach hatte das internationale Netzwerk WSRW die Mitglieder des Europäischen
Parlaments auf die laufenden Verhandlungen aufmerksam machen wollen und dabei auf die
anhaltende Annexion der Westsahara durch Marokko und die ständigen massiven
Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten hingewiesen. Auch entsprechende
Eingaben direkt an Ferrero-Waldner zeigten keinerlei Wirkung. In sämtlichen Verhandlungsrunden
wurde die Südgrenze Marokkos stillschweigend undefiniert gelassen, wie schon bei allen »Fischerei-
Partnerschafts-Abkommen«.
Ein Abkommen ohne klare Definition, um welches Gebiet es sich dabei tatsächlich handelt, stellt aus
Sicht von WSRW jedoch eine direkte Unterstützung der Annexion der Westsahara durch Marokko
dar.
Mit dem Partnerschaftsabkommen würde die EU internationales Recht verletzten und den um ihr
Selbstbestimmungsrecht betrogenen Sahrauis erneut in den Rücken fallen. Aus Sicht der Vereinten
Nationen handelt es sich bei der Westsahara noch immer um ein »nicht selbst regiertes
Territorium«, das mittels eines demokratischen Referendums zur Dekolonisierung ansteht.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik gen Mittelmeer ist als eine Gegenstrategie zum Vordringen
der USA zu verstehen, die den »Greater Middle East« durch bilaterale »Freihandelsabkommen« fest
an sich zu binden bemüht sind. Im Mittelmeerraum bestehen solche »Freihandelsabkommen«
bereits mit Israel und Jordanien und seit Januar 2005 auch mit Marokko. Die USA haben allerdings
die besetzten Gebiete der Westsahara ausdrücklich von diesem Abkommen ausgeschlossen.
Das internationale Netzwerk Western Sahara Resource Watch fordert als Vorbedingung für die
Verleihung einer solchen privilegierten Partnerschaft an die Okkupationsmacht Marokko, dass die
besetzen Teile der Westsahara ausdrücklich von dieser Kooperation ausgenommen werden. In dem
Schreiben an Kommissarin Ferrero-Waldner heißt es: »Wir erwarten, dass die Verhandlungen über
diese privilegierte Partnerschaft zu einem Übereinkommen führen, worin klar und deutlich festgelegt
ist, dass diese Kooperation nicht über die international anerkannte Südgrenze des Königreichs
Marokkos, nämlich 27°40’Nördlicher Breite, ausgedehnt wird.«
Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, hat WSRW eine internationale Kampagne gestartet,
worin Organisationen aufgerufen sind, eine entsprechende Petition an die EU-Kommission zu
unterschreiben. Sie soll am 4. Dezember – zeitgleich mit der Konferenz in Südafrika über
»Multilateralismus und internationales Recht«, wobei die Westsahara als Beispiel dienen soll,
überreicht werden.
* Aus: Neues Deutschland, 6. November 2008
Zurück zur Marokko-Seite
Zur EU-Europa-Seite
Zur Westsahara-Seite
Zurück zur Homepage