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Malta im Rosenkrieg

Hitzige Debatte über Scheidungslegalisierung

Von Giacomo Fernando, Valletta *

Als einziges Land Europas erlaubt Malta keine Scheidung. Das könnte sich bald ändern: Ein Abgeordneter der regierenden Nationalisten will die Aufhebung des Verbots. Regierung und Katholische Kirche sind dagegen.

In Malta ist die Welt noch in Ordnung. Während im Norden Europas Scheidungen ebenso normal geworden sind wie unverheiratete Paare und uneheliche Kinder, sind Scheidungen in der Inselrepublik im Mittelmeer nicht erlaubt.

Das solle sich ändern, verlangt Jeffrey Pullicino Orlando. Der Abgeordnete der regierenden Nationalisten hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Scheidung ermöglichen soll. Etwa in Fällen, in denen die Beziehung unwiderruflich zusammengebrochen ist, »um einen größeren Schaden für das Gemeinwohl zu verhindern, der von der gegenwärtigen Situation hervorgerufen wird, in der Wiederverheiratungen unmöglich sind und unverheiratete Paare zusammenleben«. Der Vorschlag orientiert sich an der Scheidungsregelung im ebenfalls katholischen Irland. Danach dürfen Paare die Scheidung beantragen, wenn sie mindestens vier Jahre getrennt gelebt haben.

Pullicino fordert bis Januar 2011 eine Debatte über den Vorschlag. »Ich bin gläubiger Katholik, wie meine Parteikollegen. Aber wir dürfen nicht unsere Verpflichtung gegenüber denjenigen vergessen, die ihre neue Beziehung nach einer gescheiterten Ehe regularisieren wollen.« Pullicino lebt selbst von seiner Frau getrennt. Diese, Marlene Pullicino, sitzt für die oppositionelle Labourpartei im Parlament. Zunächst hatte sie die Aufhebung des Verbots abgelehnt, nun aber ihre Meinung geändert.

Wie dem Politikerpaar geht es vielen Maltesern. Auch wenn Malta das einzige europäische Land ist, das noch keine Scheidung zulässt – die Zahl der gescheiterten Ehen steigt. Der Staat erkennt immerhin Scheidungen an, die im Ausland vollzogen worden sind. Auch die Ungültigkeitserklärung einer Ehe durch die Kirche wird akzeptiert, ist jedoch schwer zu erreichen.

Die Regierung gerät durch den Vorstoß ihres Abgeordneten unter Druck. Die Nationalisten stehen der Kirche nahe und lehnen die Scheidung traditionell ab. Ministerpräsident Lawrence Gonzi hält immer noch an der Ablehnung fest. Doch die Diskussionen in seiner Partei halten an.

Die Kirche macht Stimmung gegen die Offensive. Sie sei wie ein »Blitz aus heiterem Himmel« gekommen, so Erzbischof Paul Cremona, das Oberhaupt der Kirche des Landes, das einst unter der Herrschaft des katholischen Ordens der Malteser stand. Er warnte die Katholiken unter den Abgeordneten, für die Scheidung zu stimmen. Seine rechte Hand, Monsignore Anton Gouder, erklärte im Kirchensender RTK: Scheidung widerspreche der Lehre Jesu und sei Sünde. Immerhin fügte er hinzu, dass nicht gleich aus der Kirche ausgeschlossen würde, wer Sünde begehe.

In ihrer Not haben sich Maltas Bischöfe an den Vatikan gewandt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Papst Paul Cremona im November zum Kardinal erheben und seine Autorität im Inselstaat stärken will. Benedikt XVI. hatte bei seinem Besuch in Malta aufgefordert, an der »Unauflöslichkeit der Ehe« festzuhalten.

Das sehen viele Malteser anders. Nach einer Umfrage sprechen sich 50,6 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für eine Aufhebung des Verbots aus. Doch eine starke Minderheit von 13,3 Prozent unter ihnen fordert, die Scheidung an strenge Bedingungen zu knüpfen.

Ministerpräsident Gonzi hat nun angedeutet, eine Volksabstimmung abhalten zu wollen. Die Labourpartei spricht sich zwar für ein Referendum aus, ist aber gespalten. Nur die grüne Partei des Landes, verlangt geschlossen die Aufhebung.

* Aus: Neues Deutschland, 21. September 2010


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