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Hoffen und Skepsis

Malis Regierung trifft Rebellen zu Friedensverhandlungen. Frankreich plant trotz Protesten gegen Truppenpräsenz Militärhilfen

Von Jörg Tiedjen *

Es ist ein Lichtblick, den die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch aus Algier vermeldete: In der algerischen Hauptstadt haben unter Vermittlung der dortigen Regierung Friedensgespräche zwischen der Staatsführung des südlichen Nachbarn Mali und einer Allianz von Rebellengruppen begonnen. »Wir haben die Integrität Malis akzeptiert. Wir wollen auch einen sicheren Staat, wir müssen ein neues Mali bauen«, ließ Mahamadou Dscheri Maiga Hoffnung auf eine Einigung aufkommen. Maiga ist Mitglied der Delegation, die in Algier die sechs Rebellengruppen vertritt, darunter die drei wichtigsten: Die »Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad« (MNLA) der Tuareg, den »Hohen Rat für die Einheit von Azawad« (HCUA) und die »Arabische Bewegung von Azawad« (MAA). Als erstes Zeichen der Versöhnung tauschten beide Seiten Gefangene aus, die Regierung entließ 41 Kämpfer der Rebellen, die ihrerseits 45 Polizisten und Regierungssoldaten übergaben.

Vertreter Frankreichs saßen in Algier nicht mit am Tisch. Im Januar 2013 noch als Befreier gefeiert, als ihre Truppen eine Offensive von Dschihadisten zurückschlug, sieht sich die einstige Kolonialmacht in Mali heute immer lauteren Protesten gegenüber. Neben Forderungen nach einem Abzug der französischen Truppen und aller anderen ausländischen Soldaten gibt es sogar Aufrufe, französische Waren zu boykottieren. Skepsis und Mißtrauen bestimmen die Lage. Weit verbreitet ist in Mali die Theorie, daß insbesondere die Tuareg der MNLA ein verlängerter Arm des französischen Geheimdienstes sind und manipuliert wurden, um Frankreich in Mali eine feste Militärpräsenz und einen bevorzugten Platz bei der Verteilung der malischen Ressourcen zu sichern.

Auch auf der malischen Regierung liegt ein Schatten des Verdachts. Im März hatte ein Artikel in der französischen Tageszeitung Le Monde Präsident Ibrahim Boubacar Keïta in die Nähe des organisierten Verbrechens gerückt. Der soll demnach in Kontakt stehen zu Michel Tomi, dem eine Reihe Kasinos in Westafrika sowie die Fluglinie »Afrijet« gehören. Le ­Monde verdächtigt ihn, einer der letzten großen Paten der umtriebigen korsischen Mafia zu sein. Tomi hatte Keïta im Wahlkampf im »Afrijet« chauffiert und nach dessen Sieg das Zentrum seiner Geschäftstätigkeit in die malische Hauptstadt Bamako verlagert. Im Juni meldete der von der Französin Christine Lagarde geleitete Internationale Währungsfonds (IWF), daß Abrechnungen der Regierung Keïta nicht stimmten und Verträge nach Gutdünken abgeschlossen worden seien. Insbesondere geht es um einen Flugzeugkauf, zu dem Tomi Keïta bewegt haben soll. Dabei waren der malischen Staatskasse 20 Milliarden CFA-Francs (30 Millionen Euro) für eine gebrauchte Boeing 737 berechnet worden. Das sei angesichts der malischen Finanzkrise eine unverständlich hohe Ausgabe, zumal Keïtas Vorgänger eine funktionierende Maschine hinterlassen hatten, monierte der IWF. Zudem seien umgerechnet sechs Millionen Euro auf dem Weg zum Verkäufer verschwunden. IWF, Weltbank und Anfang Juli auch die EU stellten sämtliche Zahlungen an Mali vorläufig ein. Der IWF geht dem Korruptionsverdacht nach. In Frankreich wurde Tomi Ende Juni zusammen mit einem Mitglied der Familie Keïtas festgenommen und verhört.

Das internationale Netzwerk »Komitee für die Anullierung der Schulden der Dritten Welt« (CADTM) in Bamako vermutet, daß es IWF und Weltbank vor allem darum geht, gegenüber der malischen Regierung weitere Privatisierungen durchzusetzen. Noch befindet sich nicht der gesamte öffentliche Sektor in den Händen des »freien Unternehmertums«. Ein Dorn im Auge ist den neoliberalen Bankern vor allem, daß Wasser und Strom in dem Sahelstaat immer noch als Gemeineigentum verwaltet werden. Kritiker Keïtas befürchten nun, daß dieser sich als Erfüllungsgehilfe beim nationalen Ausverkauf erweisen könnte. Dieser Tage soll aller Voraussicht nach ein Vertrag über Militärhilfen mit Paris unterzeichnet werden. Der französische Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian landete bereits am Mittwoch in Bamako. Kritiker befürchten, daß die französische Militärpräsenz insbesondere im Norden des Landes dauerhaft festgeschrieben werden könnte und bei den vorangegangenen monatelangen Verhandlungen nebenher Absprachen über Lizenzen für den Abbau von Bodenschätzen erfolgt sind. Belegt werden kann das aber freilich nicht: Der Inhalt des Abkommens zwischen Exkolonie und Pariser Musterdemokratie ist geheim.

* Aus: junge Welt, Freitag 18. Juli 2014


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