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Militärputsch im Armenhaus

Meuternde Soldaten stürzten Regierung in Mali / Hintergrund ist Konflikt mit Tuareg-Rebellen *

Meuternde Soldaten haben die Regierung im westafrikanischen Mali gestürzt. Das Land gehört zu den ärmsten Staaten der Welt.

Das »inkompetente Regime« sei abgesetzt, weil es »unfähig« sei, mit der Rebellion im Norden des Landes umzugehen, sagte ein Sprecher der Soldaten am Donnerstag (22. März) in einer Rundfunkansprache. Präsident Amadou Toumani Touré befand sich nach dem Putsch nach Angaben seiner Anhänger auf einer Militärbasis in der Hauptstadt Bamako, laut anderen Informationen hatte er Zuflucht in der US-Botschaft in Bamako gefunden, was dementiert wurde.

Es seien »alle Institutionen« des Landes aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt, sagte Soldatensprecher Amadou Konaré. Der Anführer der Soldaten, Amadou Sanogo, erklärte, es werde eine Ausgangssperre verhängt. Einem weiteren Soldaten zufolge wurden alle Grenzen »bis auf Weiteres« geschlossen. Die Putschisten bezeichneten sich selbst als Nationales Komitee für die Errichtung der Demokratie und die Wiederherstellung des Staates. Konaré erklärte, die Putschisten strebten die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit an.

Ein meuternder Soldat hatte zuvor mitgeteilt, es seien mehrere Minister festgenommen worden. Aus regierungstreuen Militärkreisen und dem Umfeld des Präsidenten verlautete, dass sich Touré in Begleitung seiner Garde befinde und von dem Militärstützpunkt in Bamako aus Einsatzbefehle gebe.

Die Soldaten, die bessere Waffen und Ausrüstung für den Kampf gegen Tuareg-Rebellen im Norden des Landes verlangten, hatten zu Beginn des Aufstands zunächst in Bamako in die Luft gefeuert, dann das Gebäude des staatlichen Rundfunks gestürmt und anschließend den Präsidentenpalast attackiert. Augenzeugen berichteten von heftigen Gefechten mit regierungstreuen Truppen.

In der Stadt Gao, wo sich ein für den Kampf gegen die Rebellen im Norden zuständiger Militärstützpunkt befindet, nahmen die Meuternden nach eigenen Angaben regierungstreue Militärchefs fest. Sie stünden unter »Hausarrest«, sagte einer der Aufrührer.

Der Putsch stieß international auf Kritik. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich »zutiefst besorgt«. Er rief nach Angaben eines Sprechers dazu auf, den Konflikt »friedlich und innerhalb des demokratischen Prozesses« auszutragen. Noch am Donnerstag wollte sich der Sicherheitsrat bei einem Dringlichkeitstreffen mit den Vorgängen in Mali befassen.

Der Präsident der Afrikanischen Union, Jean Ping, verurteilte den Staatsstreich »scharf« und forderte die meuternden Soldaten auf, »ihre Aktion zu beenden«. Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft zeigte sich beunruhigt und erklärte, sie werde keine Gewalt in dem Land dulden.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte, die konstitutionelle Ordnung müsse schnellstmöglich wiederhergestellt werden. Frankreichs Außenminister Alain Juppé erklärte, sein Land setze die Zusammenarbeit mit Mali aus, erhalte die humanitäre Hilfe an die Bevölkerung aber aufrecht. Zugleich rief er zu baldigen Wahlen auf. Auch das Nachbarland Algerien zeigte sich »zutiefst besorgt«, wie ein Sprecher des Außenministeriums sagte. Das Land kämpft gemeinsam mit Mali gegen die Gewalt in der Sahelzone.

* Aus: neues deutschland, 23. März 2012

Kämpfe seit Januar

Zum Hintergrund noch ein paar Informationen aus einem FAZ-Artikel:

(...) Seit Mitte Januar tobt im Norden Malis ein krieg zwischen den Streitkräften und einer Tuareg-Rebellenbewegung, die sich "Mouvement national pour la libération de l'Azawad" nennt und angeblich für eine Autonomie der Tuareg kämpft. Mehr als 200 000 Personen sind aus der Region geflohen. In den Reihen der Rebellen sind zahlreiche Söldner, die früher in Libyen kämpften. Ihr Anführer ist der Malier Mohamed Ag Najem, der bis zum Sturz des libyschen Diktators Muammar al Gaddafi in Diensten der libyschen Armee stand. Ag Najem hatte sich nach dem Sieg der libyschen Aufständischen mit einem großen Waffenarsenal nach Mali abgesetzt. Die schlecht ausgerüstete malische Armee hat der Feuerkraft der Rebellen wenig entgegenzusetzen. (...) Die Tuareg machen offenbar gemeinsame Sache mit der islamischen Terrorgruppe Aqim, die in der Region ihre Rückzugsgebiete hat. [Auf ihr Konto gehe wohl die Ermordung von 82 malischen Soldaten in der Ortschaft Aguelhok im Januar 2012.]

Vor gut zwei Wochen hat sich eine dritte bewaffnete Gruppe im Norden gezeigt, die sich "Ançar Dine" (Verteidiger des Islam) nennt und vorgibt, die Scharia in Mali einführen zu wollen. Inwieweit in dieser Gruppe Tuareg und Islamisten kämpfen, ist unklar. Ançar Dine kontrolliert aber inzwischen drei Städte an der algerischen Grenze: Tinzawaten, Tessalit und Aguelhok. Im Grunde genommen ist der ganze Norden Malis außer Kontrolle geraten. (...)

Auszug aus: "Putschisten in Mali wollen Terror besser bekämpfen", in: FAZ, 23. März 2012 (Seite 7)




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