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Islamisten schänden Weltkulturerbe

In der Wüstenstadt Timbuktu in Mali werden jahrhundertealte Heiligengräber zerstört

Von Jenny Becker *

Im Norden Malis zertrümmern islamistische Rebellen zahlreiche muslimische Mausoleen in Timbuktu, das Weltkulturerbestätte ist. Das Vorgehen löste weltweit Entsetzen aus, auch Forderungen nach einer UN-Intervention wurden laut.

Mit Spitzhacken haben Mitglieder der islamistischen Rebellengruppe Ansar Dine mehrere jahrhundertealte Grabstätten in der aus Lehm gebauten Wüstenstadt Timbuktu in Mali zerstört. Seit Samstag wurden bereits sieben muslimische Mausoleen eingerissen. Die Gruppe kündigte an, alle 16 Heiligengräber in der historischen Stadt am Rand der Sahara zu zerstören. Die im volkstümlichen Islam verbreitete Verehrung von Heiligen und ihren Grabmalen stellt für Ansar Dine (»Verteidiger des Glaubens«) einen Verstoß gegen den Islam dar, weil nur Allah angebetet werden dürfe.

Erst am Donnerstag hatte die UNESCO beschlossen, Timbuktu wegen des bewaffneten Konflikts im Land auf die Rote Liste des bedrohten Welterbes zu setzen. Am gleichen Tag vertrieb Ansar Dine seine ehemaligen Verbündeten, die Tuareg-Rebellen, aus der Stadt. Noch im April hatten beide Gruppen gemeinsam Nordmali erobert und dort den unabhängigen Staat Azawad ausgerufen.

Die Schändung des Weltkulturerbes löste international Empörung aus. »Sie begehen ein Verbrechen gegen die Geschichte der Welt«, sagte der Afrika-Experte der UNESCO, Lazare Eloundou Assomo. »Das ist eine Tragödie.« Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, sprach von einem »Kriegsverbrechen«, das von ihrer Behörde untersucht werden könne. Den Verantwortlichen drohte sie Konsequenzen an.

Auch Rufe nach einer Intervention wurden laut. Die UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova hielt die internationale Gemeinschaft zum Zusammenschluss an, um Timbuktu zu schützen. Malis Tourismusministerin, Fadima Toure Diallo, forderte die Vereinten Nationen auf, »konkrete Schritte« gegen die Verwüstung zu unternehmen. Aus Sorge vor einem Machtzuwachs der Islamisten in Nordmali appellierte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) an den UN-Sicherheitsrat, die Entsendung einer regionalen Eingreiftruppe zu befördern. Die Bundesregierung unterstütze die Bemühungen von Ecowas, »die staatliche Einheit des Landes wiederherzustellen«, sagte Außenamts-Staatsministerin Cornelia Pieper am Montag.

»Die Islamisten fühlen sich derzeit so stark, dass sie eine gezielte Zuspitzung des Konflikts wagen und keine Kompromisse mehr machen«, erklärt Mali-Experte Georg Klute von der Universität Bayreuth das Vorgehen von Ansar Dine. Ein militärisches Eingreifen hält er jedoch nicht für sinnvoll, das käme den Islamisten zugute. »Sie würden die Angreifer als Ungläubige deklarieren, sich in die Wüste zurückziehen und einen Guerillakrieg beginnen. Dann hätten wir eine ähnliche Situation wie in Afghanistan.«

Nicht zum ersten Mal griffen Extremisten eine historische Stätte an. Die Taliban sprengten 2001 in Afghanistan zwei riesige Buddhastatuen. Der internationale Aufschrei war groß. Die Überreste kamen dann nachträglich auf die Liste des bedrohten Welterbes.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Juli 2012


Politik der Grenzschließung

Die Initiative "Boats 4 people" protestiert gegen Visaverweigerungen für Menschenrechtsaktivisten aus Mali **

Frankreich verweigert aufs Neue zwei Aktivisten aus dem Süden die Teilnahme an einem internationalen Treffen. Aufs Neue wird mit verhindert, daß sich Menschenrechtsaktivisten versammeln können. Einem Vertreter der Vereinigung der Abgeschobenen in Mali (Association des Maliens Expulsés – AME) und einem Vertreter der Vereinigung der Rückgeschobenen Zentralafrikas in Mali (Association des Refoulés d’Afrique Centrale au Mali – ARACEM) wurden von den französischen Behörden die Visa verweigert, so daß sie nicht an dem internationalen antirassistischen Treffen teilnehmen können, das ARCI, Boats­4people und das Netzwerk Migreurop zwischen dem 30. Juni und dem 2. Juli 2012 in Cecina (Italien) veranstalten. Aus demselben Grund werden sie auch nicht an dem Flottenvorhaben Boats4people teilnehmen, das vom 2. bis zum 19. Juli stattfindet.

Diese Visaablehnungen machen deutlich, wie willkürlich die europäischen Konsulate und deren Bürokratien handeln. Die Bürger der Staaten des Südens sind täglich damit konfrontiert.

Bei dem Vertreter des ARACEM waren die Konsularbehörden der Ansicht, daß »das Ziel und die Voraussetzungen des Aufenthalts nicht begründet worden sind«, daß er nicht den Nachweis geliefert hätte, daß er nicht »über die nötigen finanziellen Existenzmittel für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer verfügt« hätte. Zudem habe er »nicht erkennen lassen, daß er den Boden der Mitgliedsstaaten vor dem Verfall der Visagültigkeit verlassen würde«. Alle drei Argumente sind falsch: Unser Kollege hatte sein Reiseziel angegeben, seine Aufenthaltskosten waren von dem Netzwerk Migreurop übernommen worden und er hatte eine Reservierung für ein Hin- und Rückreise-Ticket.

Dem Vertreter der AME wurde vorgeworfen, daß nur noch »drei Seiten (seines Passes) verwendbar« seien. Er wurde deswegen aufgefordert, sich einen neuen Paß ausstellen zu lassen. Das französische Konsulat weiß aber, daß Mali seit Mai seinen Staatsbürgern keine malischen Pässe mehr ausstellt – sondern ECOWAS-Pässe, mit denen man keine Visa erhalten kann – auf »Anraten des Konsulats«, laut dem Unternehmen BIM, das Frankreich das Visamanagement in Mali übergeben hat. Einerseits verfügt unser Kollege von AME über einen regulären malischen Paß, aber Frankreich weigert sich, ihm damit ein Visum auszustellen, und andererseits bearbeitet die Agentur BIM nicht seinen Visums­antrag, weil er einen ECOWAS-Paß vorweisen muß.

Unsere Organisationen sind empört über diese – namentlich französischen – willkürlichen Praktiken, mit denen gegenüber den Bürgern des Südens Mißtrauen gesät wird. Mißfallen erregen diese Folgen der europäischen Politik, die die Reisefreiheit einschränken, und die – wieder einmal – die Versammlungsmöglichkeit zwischen Bürgern aus dem Norden und dem Süden verhindern.

Wir haben juristische Schritte eingeleitet, damit diese beiden Personen Recht und Entschädigung erhalten. Wir erinnern daran, daß diese europäischen Praktiken des Fernhaltens zu den Alltagserfahrungen von Tausenden Personen gehören. Man sollte sich nicht darüber wundern, daß manche aus der Not heraus die legalen Wege meiden.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 3. Juli 2012


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