Paris ruft Blauhelme
UN-Soldaten sollen teuren Einsatz in Mali übernehmen
Von Simon Loidl *
Frankreich will Unterstützung für seinen Krieg in Mali und hat dem UN-Sicherheitsrat die Entsendung von Blauhelmsoldaten vorgeschlagen. Eine UN-Mission solle bei der politischen Stabilisierung Malis helfen, sagte Frankreichs UN-Botschafter Gérard Araud am Mittwoch (Ortszeit) in New York. Außenminister Laurent Fabius bekräftigte in Paris, daß der Einsatz in dem westafrikanischen Land in die Verantwortung der Vereinten Nationen übergehen solle. Zuvor hatte Fabius angekündigt, daß bereits im März die französischen Truppen in Mali reduziert werden sollen. Von der Übergangsregierung in Bamako gab es zunächst keine Äußerung oder Forderung nach einem Blauhelm-Einsatz.
Am Donnerstag lieferte das Verteidigungsministerium einen Hinweis darauf, weshalb Frankreich möglichst rasch seine Truppen mit derzeit etwa 4000 Soldaten wieder reduzieren will. Demnach hat die sei 11. Januar laufende »Operation Sérval« bereits 70 Millionen Euro gekostet. Nach Angaben der Tageszeitung Le Parisien gibt Frankreich etwa 2,7 Millionen Euro täglich für den Mali-Einsatz aus. Bei den Kriegen in Libyen und Afghanistan hätten die entsprechenden Zahlen 1,6 bzw. 1,4 Millionen betragen, so das Blatt.
Die geplante Übergabe der militärischen Aufgabe an die UNO ist indes keine Bestätigung der wiederholten Ankündigung von Frankreichs Präsident François Hollande, sein Land wolle keinesfalls dauerhaft in Mali präsent sein. Auch in Côte d’Ivoire ist es vor zwei Jahren gelungen, die von Paris favorisierten politischen Weichenstellungen mit militärischer Unterstützung der UNO durchzusetzen.
Unterdessen geht der »richtige Krieg« in Mali weiter. So hatte Fabius in Hinblick auf die zahlreichen Toten und Verletzten bei den Kämpfen den französischen Militäreinsatz am Dienstag in überraschender Offenheit bezeichnet. Aus dem Norden des Landes werden immer wieder Zusammenstöße zwischen französischer und malischer Armee auf der einen und Aufständischen auf der anderen Seite gemeldet. Aus den laut Armeeberichten »befreiten« Städten dringen nur wenige und widersprüchliche Meldungen. Der deutsche Journalist Wolfgang Bauer etwa berichtete am Dienstag im Deutschlandradio aus Timbuktu, er habe den Eindruck, »daß die Leute erleichtert sind«, daß der islamistische »Spuk vorbei ist«. Allerdings so Bauer, seien nur »fünf bis sieben Prozent« der Einwohner überhaupt noch in der Stadt. Die Mehrzahl sei vor den Kämpfen und ganz konkret auch vor der malischen Armee geflohen. In den vergangenen Jahrzehnten hätten die Einwohner im Norden Malis »fürchterliche Erfahrungen« mit Kollektivstrafen nach Aufständen gemacht: »Und weil man die malische Armee so gut kennt, ist diese Stadt jetzt so gut wie leer«, so der Journalist aus Timbuktu.
In dieses Bild passen auch Meldungen über die Tuareggruppe »Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad« (MNLA), deren Aufstand vor einem Jahr von islamistischen Gruppen für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt wurde. Nachdem die MNLA zunächst mit diesen gemeinsam operiert hatte, war sie bald völlig verdrängt worden. Die Gruppe versucht derzeit, ihre Position wieder zu stärken. Sie unterstützt französische Kräfte im Kampf gegen ihre islamistischen Rivalen, versucht aber gleichzeitig, durch eigene Aktionen ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Anfang der Woche meldete die MNLA, je einen Anführer der islamistischen Ansar Dine und der »Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika« (MUJAO) in Gewahrsam genommen zu haben.
Beim Kampf um Kidal während der vergangenen Tage wurde die komplizierte Interessenlage in der Region besonders deutlich. MNLA und die Ansar-Dine-Abspaltung »Islamische Bewegung des Azawad« (MIA) kontrollierten bereits große Teile der Stadt und sprachen sich gegen den Einmarsch malischer Soldaten aus, da von diesen Übergriffe gegen die Bevölkerung zu erwarten seien. Dies scheint der Grund zu sein, weshalb schließlich tschadische Soldaten zusammen mit französischen Spezialeinheiten die Stadt einnahmen. Gleichzeitg hatte sich die MNLA in einem Pressekommuniqué von der nur wenige Tage zuvor gegründeten MIA distanziert. Gerüchte über eine Zusammenarbeit der beiden Gruppen bezeichnete die MNLA als »Hetzkampagne«.
* Aus: junge Welt, Freitag 8. Februar 2013
Mali kommt Frankreich teurer als Libyen
Kein Rückenwind für Islamisten aus Kairo **
Frankreich kostet seine Intervention
in Mali täglich 2,7 Millionen Euro. Im
März soll der Rückzug beginnen.
Die islamischen
Staaten haben sich für
eine beschleunigte Entsendung
internationaler Truppen nach Mali
ausgesprochen. Die Unterstützungsmission
für Mali, die unter afrikanischer Führung stehen soll,
brauche dringend logistische und
finanzielle Hilfe, heißt es in einer
Erklärung, die am Donnerstag von
den Teilnehmern des Gipfels der
Organisation für islamische Kooperation
in Kairo verabschiedet
wurde. Die 56 Mitgliedstaaten der
Organisation erklärten: »Der Gipfel
verurteilt ganz entschieden die
Aktionen diverser Terrorgruppen
und Bewegungen.«
Der französische Militäreinsatz
gegen die militanten Islamisten in
dem westafrikanischen Land wird
in dem Text allerdings mit keiner
Silbe erwähnt. Mehrere arabische
Staaten, darunter Ägypten, hatten
den Einsatz der französischen
Streitkräfte in Mali kritisiert. Dagegen
hatte der Präsident Senegals,
Macky Sall, die Intervention
der Franzosen am Mittwoch während
des Gipfels ausdrücklich gelobt.
Der Militäreinsatz Frankreich
bisher 70 Millionen Euro gekostet.
Das teilte das Verteidigungsministerium
am Donnerstag in Paris mit. Nach einem Bericht der Zeitung
»Le Parisien« ist vor allem der
Truppen- und Materialtransport
teuer. Nach Angaben der Zeitung
gibt Frankreich derzeit täglich 2,7
Millionen Euro für seine »Operation
Serval« in Mali aus und damit
mehr als während der Einsätze in
Libyen (1,6 Millionen Euro täglich)
oder Afghanistan (1,4 Millionen
Euro). Das Verteidigungsministerium
legte aber Wert auf die Feststellung,
dass die jeweiligen Einsätze
nicht miteinander verglichen
werden könnten. Der französische
Präsident François Hollande hatte
am Mittwoch deutlich gemacht,
dass Frankreich ab März mit dem
Truppenrückzug beginnen wolle.
Frankreich hat deshalb für den
baldigen Einsatz einer UN-Mission
in Mali plädiert. Ebenso sollten
Menschenrechtsbeobachter in das
Land entsandt werden, forderte
der französische UN-Botschafter
Gérard Araud laut französischen
Medienberichten vom Donnerstag.
»Eine UN-Mission kann bei der
Stabilisierung des Landes helfen
und Mali den Neubeginn ermöglichen
«, sagte Araud vor Journalisten
in New York. Auf malischer
Seite gebe es allerdings noch Bedenken
gegen den Einsatz einer
Blauhelmmission.
Nach Ansicht des Präsidenten
von Benin, Thomas Boni Yayi,
könnte die bereits im Aufbau begriffene
afrikanische Mission nach
dem Ende der Kampfhandlungen
in eine UN-Mission umgewandelt
werden. »Sobald der Krieg vorbei
ist und wir den Eindruck haben,
die Sahara gründlich durchkämmt
zu haben, könnte die Misma (afrikanische
Mission, Anm. d. Red.) in
eine Friedensmission überführt
werden«, sagte Yayi, der am Mittwoch
in Paris mit Frankreichs
Präsident François Hollande zusammen
getroffen war.
* Aus: neues deutschland, Freitag 8. Februar 2013
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