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"Schwarzer Tag für Demokratie"

Malediven: Polizei blockiert Wahlen

Von Hilmar Köng, Neu-Delhi *

Sitzstreiks mitten im Zentrum der Hauptstadt Male, Menschenketten, Protestierende auf den Straßen: Vor allem junge Bürger bekundeten so am Wochenende auf den Malediven ihren Ärger über die erneut ins Wasser gefallene Präsidentenwahl. Am Samstag waren in dem Inselstaat südlich von Indien 239198 Wahlberechtigte aufgerufen, an die Wahlurnen zu treten – zum zweiten Mal innerhalb von knapp zwei Monaten. Anfang Oktober hatte das Höchste Gericht die Ergebnisse des vorherigen Votums vom 7. September wegen »Unregelmäßigkeiten« für null und nichtig erklärt und den neuen Termin festgelegt. Doch abgestimmt wurde am Samstag nicht.

Im Gebäude der Wahlkommission zeigten Polizisten deren Mitarbeitern kurz vor Beginn des Votums die rote Karte und blockierten die Wahl. Sie ignorierten damit die Appelle der einheimischen Menschenrechtskommission, des Commonwealth und des Nachbarn Indien, den Willen der Bevölkerung zu respektieren und für einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu sorgen. »Wir sind sehr besorgt über das, was in diesem Land vor sich geht. Sie glauben, sie können uns diktieren und kontrollieren«, protestierte der Chef der Wahlkommission, Fuad Thowfeek. Präsident Mohamed Waheed, dessen Amtsperiode am 11. November endet, machte dagegen gute Miene zum bösen Spiel. Er will alle Zwistigkeiten in den nächsten Tagen ausräumen lassen und schlägt nun den 26. Oktober als neuen Wahltermin vor. Ali Mohamed Manik von der Wahlkommission sprach dennoch von »einem schwarzen Tag für die Demokratie«. Auch Parlamentssprecher Abdullah Shahid verurteilte die Polizeiaktion. Die Maledivische Demokratische Partei (MDP) listete die jüngsten Anschläge gegen die junge Demokratie auf, die erst 2008 mit freien Wahlen aus der Taufe gehoben worden war: die Annullierung der Wahl vom 7. September, die Auflagen, die das Höchste Gericht mit der Wahl am 19. Oktober verbunden hatte, und den Machtmißbrauch der Polizei – allesamt verfassungswidrig. Auch die Menschenrechtskommission kritisierte, die bewaffneten Kräfte hatten kein Mandat, sich derart in den Wahlprozeß einzumischen.

Die Polizei, die sich zuvor angeblich beim Präsidenten und beim Innenminister Rat geholt hatte, begründete ihr Eingreifen mit der Verletzung der 16 Richtlinien des Höchsten Gerichts für die Wahlen. An einer davon scheiterte nun angeblich die Wiederholung: Die umfangreichen Wählerlisten hätten von den drei Bewerbern um das Präsidentenamt überprüft und genehmigt werden müssen. Das schaffte jedoch nur der MDP-Kandidat Mohamed Na­sheed. Er hatte bereits am 7. September die meisten Stimmen (45,45 Prozent) bekommen, verpaßte aber die für den Wahlsieg nötigen 50 Prozent. Nasheeds Herausforderer Abdulla Yaameen von der Progressiven Partei der Malediven, für den im September 25 Prozent gestimmt hatten, und Qasim Ibrahim von der Jumhuri Party (24 Prozent) wollten die Wählerregister nicht absegnen. Ibrahim hatte mit Vorwürfen von »Unregelmäßigkeiten« schon vom Höchsten Gericht die Wiederholung des Septembervotums erwirkt. Diesmal wollten er und sein Kollege Yaameen mindestens zehn Prozent der Fingerabdrücke in den Wählerlisten überprüfen lassen – ein Vorgehen, das nach Expertenmeinung Wochen dauern würde. Das durchsichtige Manöver nährt die Annahme, daß mit allen Tricks eine Wahl Nasheeds unmöglich gemacht werden soll. Er hatte 2008 gewonnen und war im Februar 2012 mit einem zwielichtigen Putsch zum Rücktritt gezwungen worden, in dem die Polizei ebenfalls die Hände im Spiel hatte.

Qasim Ibrahim, der einen Namen als »Medien-Hai« hat und in der lukrativen Tourismusbranche Geld scheffelt, war Finanzminister unter Maumoon Abdul Gayoom. Dieser herrschte vor 2008 über 30 Jahre lang mit eiserner Faust. Abdulla Yaameen ist ein Halbbruder Gayooms. Unabhängige Medien deuten an, daß Gerichte, Polizei und öffentlicher Dienst von Leuten dominiert werden, die Gayoom treu ergeben sind. Der alte Autokrat scheint hinter den Kulissen noch immer die Strippen zu ziehen, um den weltoffenen Nasheed unter allen Umständen nicht noch einmal an die Macht kommen zu lassen. Nun wird die Zeit knapp. Gibt es bis zum 11. November keinen neuen Präsidenten, stürzt die islamisch geprägte Republik in eine Verfassungskrise.

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Oktober 2013


Maldives: UN chief voices deep concern at delay of presidential re-run **

20 October 2013 – Secretary-General Ban Ki-moon on Sunday voiced his deep concern at the delay of the re-run of the 7 September presidential election annulled by the Supreme Court and called on all concerned to ensure that the polls take place as soon as possible.

“The Secretary-General calls on all parties to maintain calm and urges political leaders and state institutions to live up to their responsibilities, respect the democratic process and participate in a credible, peaceful and inclusive re-run election as soon as possible, so that a new president can be inaugurated on 11 November in accordance with the Constitution,” said a statement issued by Mr. Ban's spokesperson.

“The aspirations and the will of the Maldivian people were expressed in the 88 per cent participation of eligible voters in the 7 September election. The Secretary-General strongly believes that the legitimate will of the people should not be denied.”

The country was supposed to hold a fresh vote on 19 October after the Supreme Court annulled the results of the 7 September polls. However, police reportedly stopped officials from holding the election yesterday.

** UN News Centre, 20 October 2013, http://www.un.org


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