Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zögerlicher Reformprozess

Malediven: Regierung führt nur halbherzigen Dialog mit Opposition

Von Hilmar König, Delhi *

Demokratische Fortschritte auf den Malediven sind nicht zu übersehen. Die Regierung will jedoch vor allem ihr eigenes Konzept durchsetzen.

Kaum war der Kongress der Maledivischen Demokratischen Partei (MDP) in Male beendet, ging die Polizei Mitte der Woche wieder mit gewohnter Härte gegen Oppositionelle vor. In einer Erklärung vom Mittwoch protestierte die MDP dagegen, dass zwei ihrer führenden Mitglieder vor dem Polizeihauptquartier in Male attackiert wurden, weil sie erfahren wollten, weshalb ihr Mitstreiter Abdulla Faseeh verhaftet worden war. »Die politisch motivierten Festnahmen wecken ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der Regierung, nachhaltigen und wirklichen Wandel zu bringen. Das Vertrauen zwischen den Beteiligten am Reformprozess wird dadurch geschwächt«, hieß es in dem Statement.

Nachdem die Regierung von Präsident Abdul Maumoon Gayum 2005 die Registrierung politischer Parteien zugelassen und die MDP im Dezember ihren Gründungspartei abgehalten hatte, trafen sich deren Abgeordnete in der letzten Augustwoche zu einem fünf Tage dauernden Sonderkongress. Er stand unter dem Motto »Die Malediven dem Volk zurückgeben«. Dafür war der Hausarrest des Parteivorsitzenden Mohamed Nasheed, wie die unabhängige maledivische Zeitung »Minivan News« meldete, vorübergehend aufgehoben worden. Der Kongress beriet radikale Reformen der Regierungsinstitutionen, einen liberalen, auf mehr Privatinvestitionen gestützten Wirtschaftskurs und umfassende Maßnahmen für Gesundheit und Bildungsmöglichkeiten für alle 203 bewohnten der insgesamt 1196 Inseln.

Die Ereignisse der vergangenen acht Monate zeigen, dass die Regierung in Male zwar durchaus Veränderungen will, aber dabei ihr eigenes Konzept durchzusetzen gedenkt und sich schwer tut, Vorschläge der Oppositionelle zu akzeptieren und Kompromisse einzugehen. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass der »Westminster House«-Dialog zu greifbaren Resultaten geführt hat. Es handelt sich dabei um Gespräche zwischen der MDP und der maledivischen Regierung, die in der Residenz (Westminster House) des britischen Hochkommissars in Sri Lanka stattfinden. Zwei Runden wurden bislang absolviert, die dritte war für Ende dieser Woche angesetzt.

Die getroffenen Vereinbarungen enthalten laut einem Bericht des Asiatischen Zentrums für Menschenrechte eine Verpflichtung der MDP, keine Revolution in den Malediven zu initiieren und keine gewalttätigen Straßenproteste zu organisieren. Die Regierung hingegen sagte im Gegenzug die Freilassung politischer Aktivisten zu. Tatsächlich kamen im Juli und August ein paar Dutzend von ihnen frei. Die Vereinbarung sieht weiterhin ein höheres Tempo bei der Durchführung demokratischer Reformen, eine neue Verfassung bis November 2007 und danach Wahlen, Reformen im Justiz- und Polizeiapparat sowie eine Erweiterung des Gesetzes zur Versammlungsfreiheit vor, das internationalem Standard anzupassen ist. Präsident Gayum ratifizierte außerdem unlängst eine Verordnung, die das Menschenrechtsgesetz ergänzt.

Trotz dieser Fortschritte bleibt die Opposition skeptisch, weil viele ihrer Initiativen abgelehnt werden. So blockierte die Majlis (Parlament) am 21. August auf Gayums Druck hin den Vorschlag, in die neue Verfassung die Möglichkeit eines Referendums über die Regierungsform aufzunehmen. Auch die so genannte Verunglimpfungsklausel, die als Teil der Medienreform ausgegeben wird, stößt auf heftige Kritik. Und die jüngsten Polizeiaktionen vergiften das Klima erst recht.

Unterdessen besuchte der stellvertretende UN-Sonderbotschafter für Tsunami-Schäden, Eric Schwartz, Ende August die Malediven und konstatierte ermutigende Zeichen für Rehabilitation und Rekonstruktion. Er begrüßte den fortschreitenden Aufbau von 4000 Häusern für Tsunami- Geschädigte und die Bemühungen, die mehr als 10 000 durch den Tsunami vom Dezember 2004 von ihren Inseln Vertriebenen zu versorgen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. September 2006


Zurück zur Malediven-Seite

Zurück zur Homepage