Zögerlicher Reformprozess
Malediven: Regierung führt nur halbherzigen Dialog mit Opposition
Von Hilmar König, Delhi *
Demokratische Fortschritte auf den Malediven sind nicht zu übersehen. Die Regierung will jedoch
vor allem ihr eigenes Konzept durchsetzen.
Kaum war der Kongress der Maledivischen Demokratischen Partei (MDP) in Male beendet, ging die
Polizei Mitte der Woche wieder mit gewohnter Härte gegen Oppositionelle vor. In einer Erklärung
vom Mittwoch protestierte die MDP dagegen, dass zwei ihrer führenden Mitglieder vor dem
Polizeihauptquartier in Male attackiert wurden, weil sie erfahren wollten, weshalb ihr Mitstreiter
Abdulla Faseeh verhaftet worden war. »Die politisch motivierten Festnahmen wecken ernsthafte
Zweifel an der Fähigkeit der Regierung, nachhaltigen und wirklichen Wandel zu bringen. Das
Vertrauen zwischen den Beteiligten am Reformprozess wird dadurch geschwächt«, hieß es in dem
Statement.
Nachdem die Regierung von Präsident Abdul Maumoon Gayum 2005 die Registrierung politischer
Parteien zugelassen und die MDP im Dezember ihren Gründungspartei abgehalten hatte, trafen sich
deren Abgeordnete in der letzten Augustwoche zu einem fünf Tage dauernden Sonderkongress. Er
stand unter dem Motto »Die Malediven dem Volk zurückgeben«. Dafür war der Hausarrest des
Parteivorsitzenden Mohamed Nasheed, wie die unabhängige maledivische Zeitung »Minivan News«
meldete, vorübergehend aufgehoben worden. Der Kongress beriet radikale Reformen der
Regierungsinstitutionen, einen liberalen, auf mehr Privatinvestitionen gestützten Wirtschaftskurs und
umfassende Maßnahmen für Gesundheit und Bildungsmöglichkeiten für alle 203 bewohnten der
insgesamt 1196 Inseln.
Die Ereignisse der vergangenen acht Monate zeigen, dass die Regierung in Male zwar durchaus
Veränderungen will, aber dabei ihr eigenes Konzept durchzusetzen gedenkt und sich schwer tut,
Vorschläge der Oppositionelle zu akzeptieren und Kompromisse einzugehen. Vor diesem
Hintergrund ist bemerkenswert, dass der »Westminster House«-Dialog zu greifbaren Resultaten
geführt hat. Es handelt sich dabei um Gespräche zwischen der MDP und der maledivischen
Regierung, die in der Residenz (Westminster House) des britischen Hochkommissars in Sri Lanka
stattfinden. Zwei Runden wurden bislang absolviert, die dritte war für Ende dieser Woche angesetzt.
Die getroffenen Vereinbarungen enthalten laut einem Bericht des Asiatischen Zentrums für
Menschenrechte eine Verpflichtung der MDP, keine Revolution in den Malediven zu initiieren und
keine gewalttätigen Straßenproteste zu organisieren. Die Regierung hingegen sagte im Gegenzug
die Freilassung politischer Aktivisten zu. Tatsächlich kamen im Juli und August ein paar Dutzend von
ihnen frei. Die Vereinbarung sieht weiterhin ein höheres Tempo bei der Durchführung
demokratischer Reformen, eine neue Verfassung bis November 2007 und danach Wahlen,
Reformen im Justiz- und Polizeiapparat sowie eine Erweiterung des Gesetzes zur
Versammlungsfreiheit vor, das internationalem Standard anzupassen ist. Präsident Gayum
ratifizierte außerdem unlängst eine Verordnung, die das Menschenrechtsgesetz ergänzt.
Trotz dieser Fortschritte bleibt die Opposition skeptisch, weil viele ihrer Initiativen abgelehnt werden.
So blockierte die Majlis (Parlament) am 21. August auf Gayums Druck hin den Vorschlag, in die
neue Verfassung die Möglichkeit eines Referendums über die Regierungsform aufzunehmen. Auch die so genannte Verunglimpfungsklausel, die als Teil der Medienreform ausgegeben wird, stößt auf
heftige Kritik. Und die jüngsten Polizeiaktionen vergiften das Klima erst recht.
Unterdessen besuchte der stellvertretende UN-Sonderbotschafter für Tsunami-Schäden, Eric
Schwartz, Ende August die Malediven und konstatierte ermutigende Zeichen für Rehabilitation und
Rekonstruktion. Er begrüßte den fortschreitenden Aufbau von 4000 Häusern für Tsunami-
Geschädigte und die Bemühungen, die mehr als 10 000 durch den Tsunami vom Dezember 2004
von ihren Inseln Vertriebenen zu versorgen.
* Aus: Neues Deutschland, 2. September 2006
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