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Machtkampf um Malé

Indien fürchtet um seinen Einfluß auf den Malediven

Von Hilmar König *

Am vergangenen Wochenende hat die staatliche Flughafengesellschaft MACL die Kontrolle über den internationalen Flughafen der Hauptstadt Malé übernommen. Dem vorangegangen war ein wochenlanger Rechtsstreit mit dem indischen Bauriesen GMR, dessen Rechte an dem Airportbetrieb von der maledivischen Regierung einseitig gekündigt worden waren. Ursprünglich hatte die Grandhi Mallikarjuna Rao gemeinsam mit der Malaysian Airports Holding Berhad den Flughafen modernisieren und 25 Jahre lang betreiben sollen. Mit einem Umfang von mehr als einer halben Milliarde US-Dollar hatte es sich bei dem entsprechenden, 2010 vom damaligen Präsidenten Mohammed Nasheed abgesegneten Abkommen um die größte Auslandsinvestition auf dem südasiatischen Inselatoll gehandelt. Doch nach dem Machtwechsel im Februar 2012 schätzte die neue Regierung unter Mohammed Waheed den Airportvertrag als »unfair, einseitig und unlauter« ein. Er sei »unter zweifelhaften Bedingungen« zustande gekommen.

Über Monate versuchten beide Seiten, einen Kompromiß zu finden. Doch GMR habe sich »überhaupt nicht flexibel und anfänglich sehr stur« gezeigt, kritisierte Staatschef Waheed gegenüber der indischen Zeitung The Hindu. Zugleich versuchte der Präsident, den Schaden im Verhältnis zum übermächtigen Nachbarn Indien zu begrenzen. Die Regierung in Neu-Delhi habe sich sehr engagiert, man habe täglich kommuniziert. Für andere indische Investitionen bestehe keinerlei Gefahr.

Zu in Indien kursierenden Gerüchten, daß China hinter dem Rückzieher Malés stecke, sagte Waheed, das treffe »absolut nicht zu«. Doch die Gerüchteküche kochte weiter. Nicht nur China als enger Verbündeter Pakistans, sondern »von den Saudis gesponserte pakistanische Elemente« hätten Druck auf die jetzige aus islamischen Parteien zusammengebastelte Regierung der Malediven ausgeübt. Der indische Einfluß solle eingedämmt werden, um neben kommerziellen auch politischen und strategischen Interessen der islamischen Staaten mehr Geltung zu verschaffen.

Aus strategischer Sicht nehmen die Malediven für Indien keine untergeordnete Position ein. Das beweisen dort installierte Radaranlagen, mit denen indische Spezialisten Schiffs- und Flugbewegungen weit in den Indischen Ozean hinein registrieren können. Natürlich verfolgt Neu-Delhi aufmerksam, ob sich China und Pakistan auf dem Inselatoll etablieren wollen. Peking hat bereits in Sri Lanka und in Myanmar unübersehbar Fuß gefaßt. Noch aber fühlt sich Indien offenbar nicht eingekreist. Begeistert wäre es allerdings auch nicht, wenn radikale Islamisten, die bislang nur eine Nebenrolle in Malé spielen, bei den Parlamentswahlen im Herbst 2013 an Einfluß gewinnen würden. Diese Kräfte jedenfalls gehörten zu den lautstarken Befürwortern der Annullierung des Flughafenvertrages.

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. Dezember 2012


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